Die Einigkeit von Experten und Politikern ist groß: Bei einer Anhörung im Umweltausschuss des Landtags gab es gestern eine breite Mehrheit für den Wunsch nach besseren Energiespeichern, in denen erzeugter Strom für spätere Nutzung „festgehalten“ werden kann. Dies sei vor allem dann nötig, wenn sich Deutschland noch stärker auf Erneuerbare Energien wie Wind, Strom und Wasser stützt – und damit stärkere Schwankungen in der Stromerzeugung einhergehen. Bisher sorgt nämlich der kontinuierlich erzeugte Strom aus Kernenergie, Kohle und Gas für eine gleichbleibende Grundlast. Wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, können fossile Brennstoffe für Ersatz sorgen. Aber das Ende dieser herkömmlichen Brennstoffe ist absehbar.

Auf den Inseln könnten sie bereits 100 prozent des Stroms mit Wind erzeugt werden - Foto: Jakob Brüning

Auf den Inseln könnten bereits 100 Prozent des Stroms mit Wind erzeugt werden – Foto: Jakob Brüning

 

Doch an dieser Stelle wird auch Kritik laut, in der Ausschussanhörung formulierte sie Renate Klingenberg vom Verband der Chemischen Industrie: „Wann wollen wir denn endlich anfangen, einen großen Energiespeicher zu entwickeln? Das geht doch nicht über Nacht. Wenn wir so etwas in zehn Jahren für die Industrie nutzen wollen, müsste es die Systeme jetzt schon geben.“ Klingenberg sagte, die Stärke und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hänge vor allem von einer täglich 24 Stunden lang konstanten Stromerzeugung ab. Wenn das künftig nicht mehr so gut gelinge, weil man von fossilen Brennstoffen Abschied nehme, müssten zum Ausgleich bessere Energiespeicher geschaffen werden. „Wir hinken hinter der Zeit her“, klagte Klingenberg. Gero Hocker (FDP) stimmte zu: „Eigentlich brauchen wir die Speicher schon in fünf Jahren, wenn die Kernkraftwerke verschwunden sind.“

Einen Hoffnungsschimmer sieht Sven Ambrosy (SPD), Landrat des Landkreises Friesland. Das japanische Kaiserreich wolle womöglich noch in diesem Jahr gemeinsam mit EWE und dem deutschen Staat einen Großspeicher für Energie bauen – und zwar in Varel nahe der Autobahn 29. Mehr als 30 Million Euro sollten dafür investiert werden. „Das ist ein Hoffnungszeichen“, sagt Ambrosy. Der Landrat aus Friesland war auch in den Umweltausschuss zur Anhörung geladen worden, weil zwei Entschließungsanträge vorliegen, in denen sich die Fraktionen fast einhellig für neue Schwerpunkte in der Energiepolitik aussprechen. SPD und Grüne fordern, dass der Bund die 2016 beschlossenen Einschränkungen beim Ausbau der Windenergie zurücknimmt, dass Speichertechnologien steuerlich gefördert werden und die Stromeinsparung stärker als bisher begünstigt wird. So sollen neue Systeme getestet und unterstützt werden, mit denen der Stromverbrauch von Spitzenzeiten zu verbrauchsarmen Zeiten gelenkt wird – damit am Ende der Verbrauch insgesamt sinkt.

Die CDU tritt mit dem Vorschlag von „emissionsfreien Nordseeinseln“ auf. Es geht darum, die Stromversorgung etwa auf Borkum, wo es ein Überangebot an Windenergie gibt, komplett auf erneuerbare Energien umzustellen. Die Gebäude der 5300 Einwohner, die für viele Gäste im Sommer ausgelegt sind, sollen auch über elektrisch erzeugte Wärme (moderne Nachtspeicheröfen oder Wärmepumpen) versorgt werden, die Autos sollen vollständig auf Elektrobetrieb umgestellt werden. Bisher werden noch 240.000 Liter Diesel jährlich auf Borkum verbraucht – allerdings auch für Schiffsmotoren. Martin Bäumer (CDU) meint, die ostfriesischen Inseln sollten allesamt zu 100 Prozent mit Windstrom versorgt werden, und der Betreiber EWE sehe dazu auch die technischen Möglichkeiten als gegeben an.

Beide energiepolitischen Vorstöße ernteten im Umweltausschuss eine parteiübergreifende Zustimmung – die auch die Landesregierung einbezieht. Lothar Nolte von der Klimaschutz- und Energieagentur in Niedersachsen (KEAN) erklärte, die Energiespeicher setzten sich vor allem deshalb nicht durch, weil sie sich wirtschaftlich noch nicht lohnen. Von daher sei der Bund gefordert, die Anreize für neue Technologien zu verbessern – etwa über steuerliche Vergünstigungen. Dabei gehe es vor allem um die Wärme, ergänzte der KEAN-Experte Gunter Rockendorf: Nur 15 Prozent der Energie in einem Vier-Personen-Haushalt werde für Strom gebraucht, aber 85 Prozent für die Heizung.