9. Jan. 2022 · Gesundheit

Wird Stefan Homburg aus Hannover der neue Wortführer der Corona-Bewegung?

Stefan Homburg positioniert sich als einer der Anführer der neuen Corona-Bewegung. | Foto: GettyImages/Mario, Uni Hannover

Es war zuletzt fast ein bisschen ruhig geworden um Stefan Homburg. Der inzwischen aus dem Dienst bei der Leibniz-Uni in Hannover ausgeschiedene Professor für Wirtschaftswissenschaften gehörte im Frühjahr 2020 zu den ersten wortgewandten und bekannten Kritikern der Corona-Beschränkungen, er trat bei den ersten Versammlungen auf und provozierte auch mit zugespitzten Thesen. Rhetorisch geschickt, zog er allerhand kritische Reaktionen auf sich – und genoss diese Situation sichtlich. Nun aber, mehr als anderthalb Jahre später, ist die Corona-Pandemie zu einem nervigen Dauerthema geworden, viele der zunächst herausragenden Kritiker der politischen Beschränkungen sind entweder abgetaucht, haben aufgegeben oder sind unwichtig geworden. Zwei Parteien, die sich explizit gegen die Corona-Politik wandten, endeten bei der Bundestagswahl im September in der Bedeutungslosigkeit, und auch die AfD schaffte es nicht, zum Sammelbecken dieser Gruppe zu werden. Seit kurz vor Weihnachten nun scheint sich eine neue Welle an Protesten zu formieren, aber Leitfiguren sucht man vergeblich. Auch Homburg kann wohl kaum als solcher gelten. Oder vielleicht doch?

Ich bin neben Sucharit Bhakdi und Wolfgang Wodarg einer der Protagonisten der Bewegung gegen die Corona-Politik.

Stefan Homburg, Finanzwissenschaftler aus Hannover

Im Telefongespräch reagiert der Fachmann für öffentliche Finanzen, der noch vor wenigen Jahren vehement für die Schuldenbremse kämpfte und aus seiner Kritik am Euro keinen Hehl gemacht hatte, in der für ihn gewohnten Weise: Er redet freundlich und verbindlich, wirkt gelassen und entspannt, vermeidet jeden Anschein von Genervtheit oder gar Verbitterung. Nach wie vor wohnt er in Hannover. „Wenn ich durch die Stadt gehe, werde ich immer wieder freundlich gegrüßt. Das war früher, als ich mich noch vorwiegend mit der Finanzwissenschaft beschäftigte, nie der Fall.“ Wie sieht er seine eigene Rolle, seinen eigenen Platz in der aktuellen politischen Situation? „Ich bin neben Sucharit Bhakdi und Wolfgang Wodarg einer der Protagonisten der Bewegung gegen die Corona-Politik“, sagt Homburg dem Politikjournal Rundblick.

Auf Twitter hat er inzwischen mehr als 56.000 Follower. Damit stellt sich der Professor in eine Reihe mit zwei anderen Wissenschaftlern, einem Mikrobiologen und einem Mediziner, die sich ebenfalls für ihre Kritik an den gängigen Corona-Einschätzungen vieler Virologen scharfe Widerworte anhören müssen. Nun weiß man nicht, ob hier vielleicht stärker der Wunsch Vater des Gedankens ist, denn im Augenblick einer wieder wachsenden Corona-Protestbewegung erscheint diese irgendwie kopflos – und vermutlich gehört Homburg zu denen, die sich insgeheim danach sehnen, einer oder mehrere Wissenschaftler könnten die Wortführer werden. Auch er selbst vielleicht. Dieses Bestreben könnte umso stärker sein, als manche andere, auch verschwörungstheoretisch angehauchte Figuren, in dieser Rolle nie angekommen waren, der Arzt Bodo Schiffmann etwa oder der Journalist Ken Jebsen.


https://youtu.be/o4YzdKw13ZY

Was Homburg nach anderthalb Jahren wieder zu stärkerer Bekanntheit führen könnte, ist ein Vorkommnis am Rande einer Anti-Corona-Kundgebung am 3. Januar in der hannoverschen Innenstadt auf dem Kröpcke. Über den Messengerdienst „Telegram“ wurde für diesen Tag zu einem „Spaziergang“ in Hannover eingeladen – so wie gleichzeitig zu 116 anderen Orten in Niedersachsen. Die Polizei war gewarnt, dass die Demonstranten die Ordnungskräfte gezielt verwirren und mit bewussten Verstößen gegen die Maskenpflicht provozieren könnten. Homburg ist, wie er berichtet, sei zwar nicht auf „Telegram“ unterwegs, wolle aber bei den Kundgebungen anwesend sein. Er sei zum Kröpcke gegangen, habe dort mit mehreren anderen Menschen gestanden und sei dann allmählich, anfangs fast unbemerkt, von Polizisten umzingelt gewesen. Eine Beamtin habe ihn scharf angesprochen, seine Personalien festgestellt und ihm einen Verstoß gegen die Corona-Verordnung vorgehalten – da er nicht von Beginn an seine Maske getragen hatte. Anschließend sei ihm ein Platzverweis erteilt worden.

Homburg sagt, er verstehe das aus seiner Sicht sehr rigide Verhalten der Polizei nicht mehr. Indem sich die Ordnungskräfte Leute herauspickten und  dort besonders streng auf Einhaltung der Regeln achteten, „werden viele Kritiker der Corona-Politik erst recht gegen den Staat aufgebracht“, meint er. Die geltende Maskenpflicht schränke die Demonstrationsfreiheit gegenwärtig ein. „Aber wie soll man gegen die Maskenpflicht protestieren, wenn man gleichzeitig eine Maske tragen muss?“, fragt Homburg. Das Vorgehen der Polizei nennt er „willkürlich“, und aus seiner Sicht sind die allermeisten Demonstranten, die ihre Treffen als harmlose „Spaziergänge“ titulieren, friedfertig und systemtreu. Sie wollten nur ausdrücken, dass sie mit der Corona-Politik nicht einverstanden sind. Vor allem wollten sie zeigen, dass sie nichts von einer Impfpflicht halten.

Homburg meint: Gefahr von Corona wird überbewertet

Sind also keine Verschwörungstheoretiker und Systemfeinde am Werk, denen es längst nicht mehr nur um eine andere Corona-Politik, sondern um den Sturz der staatlichen Ordnung geht? Homburg sieht jedenfalls solche radikalen Kräfte nicht, sie seien in den aktuellen Veranstaltungen nicht prägender als in vielen anderen Demonstrationen von früher auch, sei es um die Kernkraftwerke, die Nachrüstung oder jüngst um Pegida gegangen. Sicher, die Gesellschaft in Deutschland sei in der Corona-Politik so gespalten wie lange nicht, und er bleibe dabei, dass die Gefährlichkeit des Corona-Virus in der öffentlichen Darstellung erheblich überbewertet werde. Bisher habe es noch zu keiner Zeit eine Überlastung der Intensivstationen in den Krankenhäusern gegeben. Warum nicht? Weil das Virus angeblich nicht so gefährlich ist, oder weil die Impfkampagne gewirkt hat? Homburg neigt klar zu der ersten Erklärung, einen Beweis dafür indes hat er nicht.

Der Professor, der schon immer seine Aufgabe darin gesehen hat, gegen den Strom zu schwimmen und angebliche herrschende Vorstellungen in Frage zu stellen, sieht mit Sorge auf das, was die bürgerliche Gesellschaft ausmacht – den freien Diskurs, den Wettstreit der Meinungen, den Versuch um Verständigung und Gedankenaustausch. Die „Spaziergänge“ sind für ihn ein Ausdruck des Unbehagens von Menschen, die sich eine Bevormundung des Staates nicht mehr gefallen lassen wollten. Viele aus den Parteien der Mitte seien darunter, und es bleibe eine Frage der Zeit, wohin diese Leute politisch tendieren wollen. Bei Prognosen dazu hält sich der 60-Jährige zurück. Was das angeht, bleibt er derzeit in einer abwartenden Position. Er steht daneben und ist bereit, so scheint es.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #003.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail