Wer steigt als Richter auf, wer nicht – und welche Kriterien werden angelegt? Das läuft in Niedersachsen seit jeher so, dass Stellen ausgeschrieben werden, interessierte Juristen sich darauf bewerben und die Auswahl dann nach dem Prinzip der Bestenauslese geschieht. Nach Eignung, Leistung und Befähigung wird entschieden. Wie sich durch die jahrelange gerichtliche Praxis bei Konkurrentenklagen herausschält, hat am Ende die besten Karten, wer mit dem höchsten Statusamt in eine Bewerbung geht. Da schlägt der frühere Staatssekretär den Generalstaatsanwalt, wenn es um die Besetzung eines OLG-Präsidentenpostens geht. Ursache ist, dass der Staatssekretär eben in seinem vorherigen Amt besser bezahlt wurde als sein Mitbewerber.

Nun könnte es in Niedersachsen eine Veränderung geben, nämlich die Einführung von „Richterwahlausschüssen“. Das sind Gremien, wie es sie in einigen Bundesländern bereits gibt, beispielsweise in Schleswig-Holstein. In diesen Ausschüssen sitzen Landtagsabgeordnete, aber auch Vertreter von Rechtsanwaltsvereinigungen – und die Berufsvertretungen der Richter. Ein Landesgesetz könnte festlegen, dass diese Ausschüsse bei Beförderungen oder Besetzungen offener Stellen in der Justiz zu beteiligen sind. Mit anderen Worten: Ohne die Zustimmung des Richterwahlausschusses könnte ein Bewerber, der das normale Bewerbungsverfahren durchlaufen hat, nicht auf eine neue Stelle gesetzt werden.
Die Befürworter dieser Ausschüsse, die gerade bei Justizpolitikern der Grünen stark vertreten sind, versprechen sich von diesem Verfahren eine „Demokratisierung“ der Personalauswahlverfahren. Die Landesverfassung immerhin ermöglicht einen solchen Weg, es heißt in Artikel 51: „Durch ein Gesetz kann bestimmt werden, dass bei der Anstellung von Berufsrichtern ein Richterwahlausschuss mitwirkt.“ Im Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne im Herbst 2022 vereinbart: „Zur Stärkung der Selbstbestimmung der Justiz und ihrer demokratischen Legitimation wollen wir einen Richterwahlausschuss einführen, der zukünftig vor allem bei der Besetzung von herausgehobenen Ämtern in der Justiz ab Besoldungsgruppe R 3 mitentscheiden soll.“
Dass es aber recht bald dazu kommt, ist unwahrscheinlich. Denn Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) hat keine Eile bei dem Projekt. Ihr Sprecher sagte auf Anfrage des Politikjournals Rundblick, das Justizministerium sei „derzeit mit anderen, vorrangigen Projekten ausgelastet“. Daher liege noch kein konkreter Gesetzentwurf vor. Der bundesweit geäußerte Ruf nach solchen Ausschüssen sei verständlich vor dem Hintergrund von intransparenten Auswahlverfahren – doch in Niedersachsen gebe es diese sowieso nicht. Solche Ausschüsse könnten aber einer politischen Beeinflussung von Personalauswahlprozessen entgegenwirken. Deutlich aufgeschlossener für eine solche Reform hatte sich in der rot-grünen Regierungszeit zwischen 2013 und 2017 die damalige Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) geäußert.
Ausgesprochen skeptisch beurteilt Frank Bornemann, Vorsitzender des Niedersächsischen Richterbundes, das Reformvorhaben. „Ich frage mich, wieso mit solchen Ausschüssen die Qualität der Personalauswahl besser werden soll“, sagte Bornemann gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Die Masse der Entscheidungen für Beförderungen, etwa auf leitende Oberstaatsanwälte oder Vorsitzende Richter beim Landgericht, geschehe schon auf der Basis der Qualifikation. Daran sei nichts auszusetzen. Umgekehrt höre er aus Schleswig-Holstein, dass die Mitwirkung von Auswahlentscheidungen zu einer ungewünschten Politisierung führen könne – da sich in diesen Ausschüssen Lager bilden können. Zudem dürfe es nicht passieren, dass sich Richterernennungen nur deshalb verzögern, weil der Richterwahlausschuss noch nicht getagt hat. „Dann drohen die Leute nämlich in andere Bundesländer abzuspringen“, sagt Bornemann.
Die Beteiligung von Landtagsabgeordneten an der Auswahl von Berufsrichtern birgt noch ein anderes Problem: Sollten radikale Parteien im Parlament mehr Gewicht erhalten, kann man sie irgendwann auch aus solchen Gremien nicht fernhalten. Dies könnte dann eine weitere Politisierung von Personalentscheidungen der Justiz nach sich ziehen.