„Wir fordern, dass die Kriminalpolizei weiter gestärkt werden muss“
Vor gut 50 Jahren, Ende September 1968, gründeten zwei Kriminalbeamte in Nordrhein-Westfalen den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er sollte die Interessen speziell der Kriminalbeamten gegenüber der Gesellschaft und der Politik vertreten. Das Konzept breitete sich aus, schnell gründeten sich auch in anderen Bundesländern – darunter Niedersachsen – Landesverbände der neuen Gewerkschaft. Am 8. November feiert der Landesverband Niedersachsen sein Jubiläum. Im Gespräch mit Rundblick-Redakteurin Isabel Christian spricht der BDK-Landesvorsitzende Matthias Karsch über die Zukunft der Kriminalpolizei und übt Selbstkritik.
Rundblick: Herr Karsch, wie hat sich der BDK in den vergangenen 50 Jahren entwickelt?
Karsch: Der BDK ist längst zu einer Berufsvertretung geworden, die aus der Liste der Vertreter der Polizei nicht mehr wegzudenken ist. Wir sind überall bekannt, haben uns die Anerkennung innerhalb der Polizei erarbeitet und werden von der Politik genauso konsultiert wie die anderen beiden Polizeigewerkschaften. Ich denke also, wir haben uns in den vergangenen Jahrzehnten eine vernünftige, zukunftsfeste Basis geschaffen.
Rundblick: Der BDK wurde vor allem deshalb gegründet, weil viele Kriminalpolizisten sich von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der auch damals schon mitgliederstärksten Polizeigewerkschaft, nicht mehr vertreten gefühlt haben. Wie ist denn jetzt Ihr Verhältnis zur GdP?
Karsch: In der Vergangenheit war es nahezu immer schlecht. Natürlich war die Gründung des BDK ein Affront für die GdP, wir waren ja Konkurrenz. Allerdings schwächte sich der Konflikt ab, als die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Zuwächse verzeichnete. Denn die DPolG ist ja für die GdP eine noch stärkere Konkurrenz, weil sie sich auf die gleiche Kernzielgruppe spezialisiert haben: die Schutzpolizei. Die Schutzpolizei vertreten wir, bis auf wenige Kollegen, die bei uns Mitglieder sind, eher weniger. Wir konzentrieren uns auf die Kriminalpolizei und die Beschäftigten in den kriminalpolizeilichen Bereichen. Derzeit aber haben die drei Polizeigewerkschaften in Niedersachsen meiner Meinung nach ein recht gutes Verhältnis zueinander. Zum Landesvorsitzenden der GdP, Dietmar Schilff, pflege ich einen vernünftigen Umgang . Auch mit dem DPolG-Landesvorsitzenden Alexander Zimbehl komme ich gut zurecht. Ich halte auch nichts davon, gegeneinander zu arbeiten, davon haben unsere Mitglieder nichts. Wenn wir dagegen bei unseren Forderungen am gleichen Strang ziehen, treten wir gegenüber dem Innenministerium und der Regierung viel stärker auf. Meine Vorgänger hatten da, aus den verschiedensten nachvollziehbaren Gründen, noch einen etwas anderen Stil, aber jetzt ist es meines Erachtens notwendig, im Verhältnis zu den anderen Gewerkschaften einen weniger konfrontativen Kurs zu fahren.
Rundblick: Das gemeinsame Auftreten funktioniert aber mit der DPolG bislang etwas besser als mit der GdP…
Karsch: Es stimmt, auf Landesebene gibt es zwischen BDK und GdP noch Verbesserungsbedarf. In den Polizeidirektionen gab es schon mehrere, gemeinsame Projekte von BDK und GdP, auf Landesebene ist das leider noch nicht zustande gekommen.
Rundblick: Ihrer Gewerkschaft wird immer wieder vorgeworfen, die Reform von 1994 rückgängig machen und die Kriminalpolizei als eigene Sparte wieder einführen zu wollen. Was ist da dran?
Karsch: Ich weiß nicht, warum dieser Vorwurf immer wieder aufkommt. Aber das ist wahrscheinlich eine Generationenfrage. Unter den jüngeren Führungskräften ist die Trennung von Schutz- und Kriminalpolizei kein Thema mehr. Die haben sich längst daran gewöhnt, dass wir eine Polizei sind und der BDK sieht das prinzipiell genauso. Die Trennung von Schutz- und Kriminalpolizei, besser gesagt eine eigenständige Abteilung Kriminalpolizei, passt nicht mehr in die Zeit. Wie es in zehn oder 20 Jahren in der Polizei Niedersachsen aussieht, kann heute niemand heute sagen. Deshalb muss dieser alte Streit endlich beigelegt werden. Wir fordern allerdings, dass die Kripo mehr als bisher gestärkt werden muss. Denn die Qualität, die die Kripo in Niedersachsen mal hatte, steht auf der Kippe.
Rundblick: Was meinen Sie damit?
Karsch: Wir bekommen in den nächsten Jahren ein großes Personalproblem. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand – das sind etwa 30 Prozent der Ermittler – und es gibt zu wenige, die ihnen nachfolgen können. Dazu kommt, dass in den vergangenen Jahrzehnten wenig Aufmerksamkeit auf der Kripo lag und dadurch nicht intensiv genug aus- und weitergebildet wurde. Es gehen also nicht nur Ermittler in den Ruhestand, sondern mit ihnen auch eine ganze Menge Fachwissen und Ermittlungserfahrung. Das ist ein Trend, den man schon vor zehn Jahren hätte erkennen können. Doch damals wurde zu wenig gegengesteuert. Das Innenministerium hat mittlerweile erkannt, was sich da zusammenbraut, und investiert nun verstärkt in die Ausbildung junger Kriminalisten. Aber es braucht drei bis fünf Jahre, ehe ein Ermittler soweit ist, dass er ohne Anleitung in seinem Bereich arbeiten kann.
Rundblick: Hätte der BDK nicht schon früher eingreifen und auf die Problematik hinweisen müssen?
Karsch: Das haben wir getan, aber vielleicht haben wir einfach nicht genug Druck gemacht. Wenn es jetzt der Kripo und der Politik jetzt gelingt, das Problem halbwegs abzumildern, müssen wir schon zufrieden sein.
Rundblick: Allerdings sind Sie auch der Überzeugung, dass die Ausbildung selbst auch verändert werden muss.
Karsch: Wir müssen schon während der Bachelorausbildung mehr kriminalistische Ausbildungselemente einbringen und wieder mehr Fachkarrieren anstreben. Denn die Kriminellen spezialisieren sich auch immer stärker. Vor allem bei den Verbrechen, die im oder mithilfe des Internets begangen werden, braucht es längst Spezialisten, um den Tätern auf die Spur zu kommen. Wir müssen also die Ermittler zu Experten in ihren Bereichen ausbilden und dann kontinuierlich nachschulen. Einmal ausbilden und dann einfach arbeiten lassen, das geht heutzutage nicht mehr. Dafür verändern sich das Täterverhalten und die Tatmodalitäten einfach viel zu viel zu schnell.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #192.