Windkraft statt Artenschutz: Viele Vögel müssen sterben
In 56 Fällen haben die Naturschutzbehörden in den vergangenen fünf Jahren dem Ausbau der Windkraft den Vorzug vor dem Schutz bedrohter Tierarten gegeben. Das geht aus der Antwort des Umweltministeriums auf eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion hervor. Insgesamt 61 Anträge auf eine Ausnahme vom sogenannten „Tötungsverbot“ nach Paragraph 44 des Bundesnaturschutzgesetzes waren von 2011 bis 2016 in 16 Landkreisen gestellt worden, keiner wurde abgelehnt. „Das erweckt den Eindruck, die Ausnahme wird langsam zur Regel“, sagt Jörg Bode, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP. Er hatte die Anfrage zusammen mit dem Parteikollegen Gero Hocker gestellt, nachdem Bürgerinitiativen in Hockers Wahlkreis Verden sie auf die Problematik aufmerksam gemacht hatten. „Wir dachten erst, dass es sich um wenige Fälle handeln könnte. Aber diese hohe Zahl der Ausnahmen hat uns dann doch umgehauen.“
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Die meisten Ausnahmen erteilte die Naturschutzbehörde im Landkreis Wesermarsch, hier hatten gleich zwölf Betreiber von Windparks Anträge gestellt. Dicht dahinter liegen die Landkreise Osnabrück (11 Ausnahmen) und Oldenburg (zehn Ausnahmen). Im Landkreis Osnabrück wurden für die Windparks Heseke und Sellberg jedoch nicht alle Anträge genehmigt. Hier hatte vor einigen Jahren noch der seltene Baumfalke gebrütet. Nach Angaben des Umweltministeriums wurden bei einer Nachkontrolle 2016 jedoch keine Nester mehr gefunden. Damit war ein Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung für den Baumfalken nach Ansicht der Naturschutzbehörde obsolet geworden. Noch nicht entschieden haben der Landkreis Gifhorn und der Landkreis Nienburg. In Gifhorn geht es um Ausnahmegenehmigungen für den Mäusebussard und den Kolkraben, für den Windpark Hoyerhagen in Nienburg muss noch eine Vogelart geprüft werden.
Der Paragraph 44 des Bundesnaturschutzgesetzes verbietet es, Tiere besonders geschützter Arten zu fangen, zu verletzen oder gar zu töten. Auch der Eingriff in ihr Habitat ist verboten. Ausnahmen davon sind aber zulässig, sofern es keine alternativen Standorte gibt, die Erhaltung der Population durch die Maßnahme nicht gefährdet wird und das öffentliche Interesse schwerer wiegt als der Schutz der Tiere. Als zwingende öffentliche Interessen gelten auch soziale oder wirtschaftliche Gründe. Im Fall der Windparks sei dieses Kriterium deshalb erfüllt, weil die Kommunen durch den Windenergieerlass die Pflicht hätten, „der Windenergie substanziell Raum zu schaffen“, heißt es in der Antwort. „Es liegt im öffentlichen Interesse, großräumige klimatische Veränderungen zu verhindern, die die Lebensräume von Menschen und Tieren nachhaltig beeinträchtigen oder schädigen können“, sagt eine Sprecherin des Umweltministeriums und bezieht sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.
Der FDP-Abgeordnete Bode kritisiert dennoch, dass der Ausbau der Windenergie über den Artenschutz gestellt wird. „Das halte ich für falsch, denn dadurch schütten wir das Kind mit dem Bade aus“, sagt er. Bode vertritt die Ansicht, es gebe in Niedersachsen schon genug Windkraftanlagen an Land, weshalb es nicht notwendig sei, zugunsten eines weiteren Ausbaus den Naturschutz zu vernachlässigen. Immerhin seien Windkraftanlagen ein schwerwiegender und dauerhafter Eingriff in den Lebensraum der Tiere. Für Vögel sind Windparks besonders gefährlich, denn die Tiere können beim Flug durch ihr Revier zwischen die Rotorblätter der Windräder geraden und dadurch schwer verletzt oder getötet werden. „Zudem lockt das Sirren der Räder Vögel auch noch an“, sagt Bode. „Denn die verwechseln das mit dem Geräusch, das Schwärme von Artgenossen verursachen.“