Im Landtag sind am Donnerstag Erinnerungen an das Jahr 2017 wach geworden. Damals hatte die Grünen-Landtagsabgeordnete Elke Twesten aus Rotenburg/Wümme die Grünen-Fraktion verlassen – im Ärger darüber, im Wahlkreis nicht wieder aufgestellt worden zu sein. Der Vorgang löste ein politisches Erdbeben aus, an dessen Ende eine Selbstauflösung des Landtags und vorgezogene Neuwahlen standen. An diesem Donnerstag nun hat der Grünen-Landtagsabgeordnete Dragos Pancescu (54) aus Brake an der Unterweser seinen Austritt aus der Grünen-Landtagsfraktion erklärt. Mit Beginn des April werde er der Grünen-Fraktion nicht mehr angehören, teilte der Politiker Landtagspräsidentin Gabriele Andretta (SPD) mit.

Foto: Grüne Fraktion Nds

Auch bei Pancescu ist es offenbar die tiefe Enttäuschung darüber, dass er nicht wieder für die nächste Landtagswahl am 9. Oktober 2022 nominiert wurde. Pancescu hatte für Position 20 der Landesliste kandidiert, dort aber verloren. Er versuchte es dann auf Position 22 erneut, wieder ohne Erfolg. Angeblich sollen ihn Parteifreunde daraufhin nahegelegt haben, auf Rang 26 wieder anzutreten – das habe Pancescu aber abgelehnt und die Aufstellungsversammlung verlassen, wird berichtet. Bisher haben die Grünen zwölf Mandate in der Landtagsfraktion.

Pancescu gab gestern eine Stellungnahme ab, in der er schwere Vorwürfe an seine bisherigen Mitstreiter richtete: „Leider entsprechen die jetzigen Werte der grünen Landespolitik und der Grünen-Landtagsfraktion nicht mehr denselben, für die wir gemeinsam vor fünf Jahren angetreten waren.“ Diese Entwicklung sei „sehr bedenklich“, schrieb er und fügte hinzu: „Eine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der Landtagsfraktion ist zum aktuellen Zeitpunkt für mich nicht mehr gegeben.“ Er wolle bis zum Ende der Wahlperiode als fraktionsloser Abgeordneter dem Parlament weiter angehören.

Vorgang wirft Schatten auf Fraktionsführung

Nun hat der Schritt von Pancescu längst nicht die Folgen, die vor knapp fünf Jahren der Schritt von Elke Twesten hatte. Damals hing die Mehrheit von Rot-Grün im Landtag an einem einzigen Mandat. Twesten ging nicht nur, sondern wechselte gleich zur damals oppositionellen CDU. Die Fraktionen verständigten sich auf eine vorzeitige Auflösung des Landtags, die Neuwahlen wurden von Mitte Januar 2018 auf Oktober 2017 vorgezogen. Pancescus Entscheidung verändert die Mehrheitsverhältnisse nicht, die Grünen sind in der Opposition. Doch die Fraktion hat künftig nur noch elf Mandate, das sind genauso viele wie bei der FDP. Damit sind beide kleinen Fraktionen jetzt gleichstark.

„Aus einem persönlichen Misserfolg heraus jetzt die Fraktion zu verlassen, ist schlechter Stil.“

Julia Hamburg

Ein Schatten fällt mit diesen Abläufen auch auf die Wahlkampfführung der Grünen, denn erneut – wie 2017 – ist es der Partei- und Fraktionsführung nicht gelungen, einen enttäuschten Abgeordneten noch für den Rest der Legislaturperiode bei der Stange zu halten. Als Twesten 2017 die Grünen verließ, berichtete sie von Ausgrenzungen und Kontaktschwierigkeiten im Verhältnis zur damaligen Fraktionsführung. Pancescus Andeutungen gehen in die ähnliche Richtung. Heftig fällt die Reaktion von Fraktionschefin Julia Hamburg aus: „Aus einem persönlichen Misserfolg heraus jetzt die Fraktion zu verlassen, ist schlechter Stil.“ Man habe Pancescu nach seiner Niederlage bei der Listenaufstellung „Gesprächsangebote unterbreitet“, doch er habe „die Tür zugeschlagen“, das sei „für die grüne Sache bitter und nicht nachvollziehbar“, erklärte Hamburg.

Pancescu ist 1967 in Rumänien geboren, verbrachte seine Jugend in Deutschland und hatte die vergangenen 16 Jahre vor seiner Wahl in den Landtag 2017 als IT-Unternehmer in Brake an der Unterweser gearbeitet. Gut möglich ist, dass er sein Engagement in dem Unternehmen dort wieder verstärken wird. Er mischte in der Kommunalpolitik mit und wirkt im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landtags, auch für Verbraucherschutz ist er zuständig und für Petitionsfragen. In Landtagskreisen gehört er zu denen Abgeordneten, die etwas weniger auffällig geblieben sind. Für Schlagzeilen sorgten indes im Februar 2021 Berichte über sein Hobby, das Schlittenfahren mit seinen beiden Huskys Jack und Lanok. Enttäuschte Landtagsabgeordnete, die eine angestrebte neue Kandidatur verpasst haben, gibt es auch in der SPD und der CDU. Sie sind bisher aber ihren Fraktionen treu geblieben – es handelt sich um die Sozialdemokratin Kerstin Liebelt aus Springe (Region Hannover) und den Christdemokraten Clemens Lammerskitten aus Wallenhorst (Kreis Osnabrück).