Wie Spürhunde bei der Suche nach Corona-Infizierten helfen könnten
Der Besuch von Ministerpräsident Stephan Weil in der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) hat gestern für einigen Medienwirbel gesorgt. Kamerateams in Reihe eins, Pressefotographen dahinter und dann die Vertreter von Hörfunk und der schreibenden Zunft – der Hörsaal der Tiermediziner war gut gefüllt.
Doch die wahren Stars des Auftritts waren weder Politiker noch Wissenschaftler. Im Mittelpunkt des Rummels standen vielmehr Filou und Joe – zwei Vierbeiner, die womöglich eine wichtige Rolle in der künftigen Corona-Politik spielen könnten. Denn der belgische Schäferhund und der Cockerspaniel sind Teil eines Forschungsprojektes, das untersucht, wie gut Hunde eine Corona-Infektion beim Menschen erschnüffeln können.
Die erste Studie zu dieser Fragestellung hat die TiHo bereits im vergangenen Sommer vorgestellt. Das Ergebnis war verblüffend: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 94 Prozent sind die Schnüffelnasen dazu in der Lage, das Corona-Virus im Menschen zu erkennen. Paula Jendrny hat die Thematik in der Zwischenzeit weiter untersucht, sie verfasst ihre Doktorarbeit zu den Corona-Spürnasen.
Gestern wollte sich der Ministerpräsident nun darüber informieren, wie es mit der Forschung vorangeht und wie die Ergebnisse womöglich in der Praxis angewendet werden können. Könnten die Hundenasen womöglich dazu beitragen, dass es im Sommer wieder mehr Konzerte vor großem Publikum geben kann? Um sich ein realistisches Bild von diesen Möglichkeiten zu machen, waren gestern auch zwei Veranstaltungsmanager in der TiHo mit dabei.
Vom Mienenspürhund zum Corona-Schnüffler
Das Forschungsprojekt ist eine Kooperation zwischen Hochschule und der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr. Im echten Leben ist Filou deshalb ein Mienenspürhund und Joe ist darauf spezialisiert, Blut oder Leichen aufzuspüren. Beide sind eigentlich im rheinland-pfälzischen Ulmen in der Eifel stationiert und gehören zu Oberstabsveterinärin Esther Schalke, die das Projekt leitet. Sie hat dem dreijährigen Schäferhund und dem einjährigen Cockerspaniel spielerisch beigebracht, auf den Geruch des Corona-Virus zu reagieren.
Wobei das etwas ungenau formuliert ist, denn es ist nicht das Virus, das einen spezifischen Eigengeruch hat. Vielmehr ist es so, dass das Virus, wenn es eine Zelle befällt, deren Stoffwechsel verändert – und den Geruch dieses veränderten Stoffwechsels können die Hunde aufspüren. Schon lange werden Hunde zum Suchen von Drogen oder Sprengstoff eingesetzt. Man weiß auch schon, dass ein Hund Krebs oder Diabetes erschnüffeln kann. Dass auch die Corona-Infektion auf diese Weise erkannt werden kann, ist derweil sehr neu.
Ministerpräsident Weil zeigte sich beim Besuch der TiHo und nach der Demonstration der Fähigkeiten der Tiere hellauf begeistert und schwer beeindruckt. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man eine Infektion riechen kann“, sagte er und räumte ein, dass er erwartet hätte, dass eine Virus-Infektion eine andere Geruchsintensität hätte als beispielsweise Sprengstoff. Die Wissenschaftler klärten allerdings auf, dass dem Hund schon einzelne Moleküle ausreichten. Sie könnten etwa auch riechen, wo eine Waffe gelegen hat, selbst wenn diese schon längst entfernt wurde. Auch bei der Suche nach vermissten Personen genügte es bekanntlich schon, die Tiere kurz an einem Kleidungsstück schnuppern zu lassen, bevor sie die Fährte aufnehmen.
„Der Mensch ist visuell, wir erfahren die Welt nicht wie Hunde.“
Dass das für den Menschen schwer vorstellbar ist, versteht Prof. Holger Volk von der TiHo, der als Doktorvater an der Forschung beteiligt ist: „Der Mensch ist visuell, wir erfahren die Welt nicht wie Hunde.“ Die Hunde müssen nicht einmal direkt an einem Menschen riechen, sondern nur an einer vorher entnommenen Probe. Dafür käme beispielsweise schon ein Stück Watte mit Schweiß der Person infrage. Würde man die Hunde-Kontrollen also etwa bei größeren Veranstaltungen einsetzen, müssten die Tiere nicht durch die Menge gehen. Auch wegen einer möglichen Angst vor oder Allergie gegen die Hunde wäre das problematisch.
Weil: „Das ist nicht meine Zuständigkeit“
Was fängt die Politik nun mit diesen neuen Erkenntnissen an? Ministerpräsident Weil erklärte gestern, er könne sich durchaus vorstellen, die Corona-Kontrolle per Hundenase künftig als eine mögliche Ergänzung der Hygienekonzepte für Veranstalter oder Gastronomen vorzuschlagen. Auch Kontrollen an Grenzübergängen oder am Flughafen wären denkbar. In Helsinki oder Dubai wird das schon längst praktiziert. Weil verwies allerdings darauf, dass das nicht in seinen Zuständigkeitsbereich falle.
Doch insgesamt löste das Ergebnis der gestrigen Beratungen noch keine große Feierlaune aus. Weil sagte, man müsse das nun erst einmal im Kleinen ausprobieren und dann schauen, wie sich die Methode auf größere Formate anwenden lässt. Es brauche eine Machbarkeitsstudie, an der Niedersachsen gerne als Teil eines Netzwerkes mitwirken wolle. Der Ministerpräsident ließ auch anklingen, dass das Verfahren an Schulen getestet werden könnte. Dass es in diesem Sommer aber wieder große Open-Air-Konzerte geben werde, hält Weil angesichts des Tempos bei den Corona-Impfungen ohnehin für sehr unwahrscheinlich.
Eine wichtige Frage wird auch sein, wie viele Hunde zeitnah zu Corona-Spürhunden ausgebildet werden können. Doktorandin Jendrny berichtete, bei geschulten Diensthunden brauche es acht Tage bis zwei Wochen, bis die Hunde auf den Corona-Geruch getrimmt sind. Zeit ist also nicht der limitierende Faktor. Doch wer übernimmt die Ausbildung? Die Bundeswehr, die ja an dem Forschungsprojekt beteiligt ist, stellte gestern jedenfalls klar, dass man im Bundesverteidigungsministerium keine Absicht habe, die Diensthunde dauerhaft für diesen Einsatz zur Verfügung zu stellen. Grundgesetzlich wäre das auch schwierig, schließlich handele es sich dabei um einen Einsatz der Bundeswehr im Inland – und da setzt die Verfassung enge Grenzen. Eine Möglichkeit wäre die Amtshilfe, doch auch diese müsse zeitlich begrenzt sein.
Von Niklas Kleinwächter