Wie sich Hannover und seine Landeskirche auf den Kirchentag 2025 vorbereiten
Der Deutsche Evangelische Kirchentag ist schon zu normalen Zeiten eine hochpolitische Angelegenheit. Wenn in weniger als zwei Jahren Niedersachsens Landeshauptstadt nach 20 Jahren nun wieder einmal Austragungsort dieses Hochfestes des Laien-Protestantismus wird, dürfte sich dieser Faktor noch einmal verstärken. Denn im Jahr der Bundestagswahl kann davon ausgegangen werden, dass noch einmal deutlich mehr Spitzenpolitiker als üblich sich darum bemühen, die große Bühne zu betreten und ihre Botschaft zu verkünden – und sei es in Form einer Morgenandacht.
Im Fokus der Öffentlichkeit steht der hannöversche Kirchentag derweil noch nicht. Das könnte auch daran liegen, dass die symbolische Übergabe des Staffelstabs an Landesbischof Ralf Meister und Bürgermeister Thomas Klapproth (CDU), in Vertretung für den verhinderten Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne), vor ein paar Wochen in Nürnberg medial überlagert wurde. Die Entrüstung über einzelne Aussagen aus der Predigt im Abschlussgottesdienst hatte die Aufmerksamkeit aufgesaugt.
Quinton Ceasar, ein Pastor aus Wiesmoor (Ostfriesland), hatte unter anderem gesagt, dass Gott „queer“ sei – was schließlich Widerspruch und wilde Diskussionen über die Fragen aufbrachte, wie politisch die Kirche sein sollte, und ob sie nicht bereits viel zu „woke“ sei. Fragen, die natürlich auch die Vorbereitungen für Hannover berühren.
In Fulda, wo die Geschäftsstelle des Deutschen Evangelischen Kirchentags ihren offiziellen Sitz hat, ist man gerade noch in der Phase des Durchatmens und Aufarbeitens des vergangenen Großevents in Nürnberg. An 2025 denkt man dort im Moment noch weniger intensiv. In Hannover laufen die Vorbereitungen unterdessen schon an, und tatsächlich ist man bereits seit etwa sieben Jahren damit befasst, die Veranstaltung möglich zu machen. Landesbischof Meister war noch nicht lange im Amt, als die Idee reifte, an eine langjährige Tradition anknüpfen zu wollen.
Wenn Ende April 2025 wieder tausende Christen mit den typischen Kirchentagsschals durch die Landeshauptstadt laufen, ist das auch eine Rückkehr zu den Wurzeln jener Bewegung, die 1949 von Reinold von Thadden in Hannover ausgerufen wurde. Damals ging es auch darum, die Kirche aus der Perspektive der Laienbewegung neu zu definieren und die Rolle der verfassten Kirchen im Nationalsozialismus kritisch zu betrachten. Von Thadden selbst gehörte der Bekennenden Kirche an, jener Oppositionsbewegung, die sich gegen die Gleichschaltung der Kirche durch die Nazis wehrte.
Wurzeln des Kirchentags liegen in Hannover
Seit diesen Anfangsjahren der Kirchentagsbewegung, die aus den sogenannten „Evangelischen Wochen“ hervorgegangen war, wurde Hannover noch drei weitere Male Austragungsort dieses Großereignisses: 1967, 1983 und 2005. Landesbischof Ralf Meister zeigt sich dieser Tage „extrem dankbar“ dafür, dass sowohl die Landeshauptstadt als auch das Land dem Projekt Rückendeckung geben, auch in finanzieller Hinsicht. Kalkuliert werden bisher: 4 Millionen Euro von der Stadt Hannover, 7 Millionen Euro vom Land Niedersachsen und 7,5 Millionen Euro von der Landeskirche. Eine gute Basis also.
„Das hat vermutlich mit den guten Erfahrungen mit den Kirchentagen in den vergangenen Jahrzehnten zu tun, aber auch mit einer protestantischen Grundüberzeugung“, sagt Meister. Dass es die Rückendeckung für dieses 25-Millionen-Euro-Projekt aus Politik und Gesellschaft heute noch so gibt, ist derweil keine Selbstverständlichkeit, wie sich am darauffolgenden Kirchentag zeigt. Dass Düsseldorf diese religiöse Großveranstaltung 2027 ausrichten darf, wäre beinahe an Protest aus der Bevölkerung und einer Volksabstimmung gescheitert.
Insbesondere mit der niedersächsischen Landeshauptstadt funktioniere die Zusammenarbeit aber sehr gut, versichert Andreas Behr, der landeskirchliche Beauftragte für den Kirchentag. Gemeinsam mit sechs Kollegen arbeitet er in einem kleinen Projektteam daran, die Akteure der Stadt, wie etwa Kulturdezernentin Konstanze Beckedorf, die Kirchentags-Geschäftsstelle in Fulda und die lokalen Akteure zu vernetzen. Vieles ist noch offen, aber schon jetzt steht fest, dass der Kirchentag 2025 sowohl auf dem Messegelände als auch in der hannöverschen Innenstadt stattfinden wird. Mobilität und Erreichbarkeit spielen dabei eine entscheidende Rolle.
„Wir wissen: Kirchentagsbesucher fahren Stadtbahn. Schon der Umstieg auf den Bus gelingt meist nicht“, berichtet Behr aus seinen Erfahrungen. Die hannöversche Mobilitätswende, die Diskussionen um die Innenstadt und der Umgang mit dem Leerstand dort könnten ebenfalls vom Kirchentag aufgegriffen werden, überlegt man derzeit. Zumindest seitens der Landeskirche wünscht man sich neben den großen kirchlichen und politischen Themen, die auf dem Messegelände sicherlich ihren Platz haben werden, auch Impulse für die Menschen vor Ort, die bleiben. Behr schwebt außerdem vor, neben den üblichen Plätzen in der Innenstadt das Kirchentagsareal auch bis in die Nordstadt auszuweiten, wo sich in der Lutherkirche die sogenannte Jugendkirche befindet. Denn auch das steht schon fest: Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Kirchentags 2025 soll auf der Jugend liegen.
Welche Schwerpunkte man darüber hinaus setzen möchte, ist noch Teil der Aushandlungen. In einem halben Jahr etwa soll schon vieles konkreter sein. Der Landesbischof geht allerdings davon aus, dass die Themenkomplexe Klimawandel, Krieg und Frieden sowie Diversität auf jeden Fall vorkommen werden. Zudem soll sich der hohe Stellenwert, den der interreligiöse Dialog in der Landeskirche einnimmt, auch im Kirchentagsprogramm widerspiegeln.
Ein weiterer Schwerpunkt ergibt sich schließlich aus dem Datum: Erst zum zweiten Mal wird der Kirchentag weder über Himmelfahrt noch über Fronleichnam stattfinden, sondern über den Maifeiertag hinweg. Der „Abend der Begegnung“, der für die meisten Kirchentagsbesucher den Startpunkt darstellt, wird am 30. April sein – wenn parallel vielerorts in den Mai getanzt wird. Der erste volle Kirchentagstag fällt also zusammen mit dem „Tag der Arbeit“. Eine thematische Verknüpfung bietet sich also an, meint man in der Landeskirche: „Zukunft der Arbeit, Bedeutung der Arbeit – da ist vieles denkbar.“
Die ersten Gespräche mit den Gewerkschaften zu der Frage, wie sich der Kirchentag mit der traditionellen Kundgebung auf dem Trammplatz vereinbaren ließe, habe es bereits gegeben. Sicher ist, dass es ein Miteinander und kein Gegeneinander der beiden Veranstaltungen geben soll. Ebenso sicher ist man sich, dass wenige Monate vor der Bundestagswahl sorgfältig überlegt sein will, wie man es hinkriegt, dass daraus keine Parteiveranstaltung wird, sagt Meister.
Bibelvers als offizielle Losung für 2025 gesucht
Unter welcher Überschrift der Kirchentag stehen wird, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Noch bis Ende des Jahres sammeln die Mitglieder der sogenannten Präsidialversammlung Vorschläge zur „Losung“, also dem Bibelvers, der später das Programm, die Schals und einfach alles zieren wird. 2005 stand der Kirchentag in Hannover unter dem Titel: „Wenn dein Kind dich morgen fragt…“.
Im September wird ein ausgewählter Kreis nun vier Vorschläge in die engere Auswahl nehmen und im Oktober muss das Präsidium des Kirchentags schließlich eine Entscheidung fällen, die am 23. Oktober der Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Mit welcher Farbe sich Hannover 2025 präsentieren wird, steht unterdessen bereits fest, denn in Teilen läuft das Marketing bereits an.
Schließlich weiß man, dass auch ein Kirchentag kein Selbstläufer mehr ist und wirbt deshalb seit der Übergabe des Staffelstabs schon für das nächste Event. Auf magentafarbenem Grund liest man derzeit noch das Wort „Hannoverlieben“. Bald wird dieser erste Aufschlag dann von der offiziellen Losung abgelöst. Doch der Anspruch der Kirchentagsorganisatoren bleibt: „Du wirst Hannover lieben.“
Dieser Artikel erschien am 18.08.2023 in der Ausgabe #139.
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