3. Dez. 2023 · 
Soziales

Wie Rot-Grün mit einem zweiten Antrag und wenig Geld die Queerpolitik nachbessert

Nun also doch: Die Koalitionsfraktionen wollen Projekte gegen queerfeindliche Gewalttaten im kommenden Haushalt mit 300.000 Euro unterstützen. So ist es der „politischen Liste“ zu entnehmen, die SPD und Grüne kürzlich vorgestellt haben. Mit diesem Betrag soll nun offensichtlich geheilt werden, dass die rot-grünen Anträge gegen Queerfeindlichkeit und zur Anerkennung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt keine konkreten finanziellen Auswirkungen vorsehen. Dies wurde bereits seitens des Queeren Netzwerks Niedersachsen (QNN) kritisiert.

Viel hilft viel? Was es mit den zahlreichen Landtagsanträgen zum Thema „Queerpolitik“ auf sich hat. | Foto: Kleinwächter

„Ein sinnvoller Aufbau queerer Beratungs-, Unterstützungs- und Antidiskriminierungsstrukturen geht anders. Wir brauchen hier endlich eine bedarfsgerechte und nachhaltige finanzielle Absicherung“, sagte deren Geschäftsführer Nico Kerski anlässlich der ersten Beratung des jüngsten Entschließungsantrags. Nun ergänzte er: „Das QNN begrüßt die zusätzlich bereitgestellte finanzielle Förderung für den ‚Gewaltschutz Queer‘. Die Regierungskoalition erkennt hiermit das gesellschaftlich wachsende Problem der Queerfeindlichkeit nicht nur symbolisch an.“ Da die zusätzlichen Mittel auf ein Jahr begrenzt sind, stelle sich allerdings die Frage, wie hiermit sinnvoll Präventions-, Aufklärungs-, und Gewaltschutzarbeit aufgebaut werden soll, meint Kerski. „Die Landesregierung muss hier nachhaltiger planen und die dringend benötigten Mittel ab 2025 auch im regulären Haushalt hinterlegen.“

Nico Kerski | Foto: QNN

An der langfristigen Planung scheint es derzeit auch aufgrund verfahrenstaktischer Verstrickungen zu mangeln. Tatsächlich muss sich der Sozialausschuss des Landtags derzeit zeitgleich mit zwei ähnlichen Entschließungsanträgen zur Queerpolitik befassen, die sogar beide von den Koalitionsfraktionen stammen. Dies resultiert daraus, dass SPD und Grüne aufgrund der Gewalttaten am Rande des Christopher Street Days (CSD) in Hannover noch vor der Sommerpause einen Entschließungsantrag in den Landtag eingebracht hatten, den sie eigentlich als Resolution verstanden wissen und sofort beschlossen haben wollten.

Weil es darüber allerdings keine Einigung mit der CDU-Fraktion gegeben hatte und diese noch Beratungsbedarf sah, wurde der Antrag in den Ausschuss verwiesen. Nun plante Rot-Grün aber ohnehin noch einen umfangreicheren Fraktionsantrag zur Queerpolitik, der allerdings erst jetzt zwischen den Fraktionen geeint und ins Verfahren eingebracht werden konnte, wie jüngst im November-Plenum geschehen. Inzwischen wurde die Beratung über den ersten Antrag im Sozialausschuss allerdings so weit ausgeweitet, dass unter anderem schon eine Unterrichtung seitens der Landesregierung stattgefunden hat. Dabei wurde skizziert, in welchen Schritten das Sozialministerium bereits daran arbeitet, gemeinsam mit den Betroffenen einen Landesaktionsplan für LGBTIQ zu entwickeln.

Auch Belit Onay und Stephan Weil setzen sich beim Christopher Street Day 2023 für Menschenrechte ein. | Foto: CSD/Tim Kirchhof

Dieses laufende Regierungshandeln wollten die Fraktionen von SPD und Grünen nun durch ihren zweiten Antrag flankieren. Das ist zwar nicht ungewöhnlich, sorgte bei der Einbringung allerdings für eine gewisse Skepsis bei Sophie Ramdor von der CDU-Landtagsfraktion. Sie wähnte eine Show und attestierte den Koalitionsfraktionen Doppelmoral, weil doch schließlich alle CDU-Anträge beispielsweise zur Bildungspolitik stets mit Verweis darauf, dass das Kultusministerium doch bereits an der Umsetzung arbeite, abgewiesen würden.

Zur Verdeutlichung der Haltung der CDU-Fraktion zu diesem erneuten queerpolitischen Antrag der Koalitionsfraktionen zitierte Ramdor abschließend deshalb die Grünen-Abgeordnete Lena Nzume, die in Kultusdebatten gesagt hatte: „Viele der Punkte, die in Ihrem Antrag genannt werden, werden bereits umgesetzt oder sind in Planung.“

Sophie Ramdor | Foto: CDU

Dass die CDU-Fraktion dem zweiten Entschließungsantrag zur Queerpolitik nun zustimmt, scheint der Koalition indes besonders wichtig zu sein. Sowohl Swantje Schendel von den Grünen als auch Marten Gäde von der SPD warben um die Unterstützung der CDU, um ein Zeichen der Geschlossenheit gegen queerfeindliche Tendenzen zu setzen. Eines zweiten Antrags, so die Ansicht innerhalb der CDU-Fraktion, hätte es dafür allerdings nicht bedurft.

Einen dritten Antrag, in dem es um Queerpolitik geht, gibt es übrigens auch noch – und zwar von der AfD-Fraktion. Für die AfD kritisierte im November-Plenum die Abgeordnete Vanessa Behrendt den Entschließungsantrag von SPD und Grünen auf bemerkenswerte Weise. „Ich freue mich wirklich sehr darüber, dass unser Antrag aus dem September-Plenum Sie so sehr beschäftigt hat, dass Sie sich nun wochenlang in Ihren Stuhlkreisen zusammengesetzt haben, um ein Gegenstück zu entwerfen“, erklärte sie süffisant.

Vanessa Behrendt | Foto: AfD

Bemerkenswert ist dies deshalb, weil Behrendt damit selbst einen direkten Zusammenhang zu einem AfD-Antrag zum Thema „Frühsexualisierung“ herstellt, und damit noch einmal verdeutlicht, dass die AfD in der Queerpolitik die größte Bedrohung für das Kindeswohl sieht (wir berichteten). Anschließend wollte sie den Parlamentariern „die ideologische Maske abnehmen“ und führte aus, dass „queer“ ein politischer Kampfbegriff all jener sei, die Geschlecht leugneten und dem „Trans-Glauben“ anhingen, infolgedessen Grenzen verschieben und Frauenrecht abschaffen wollten. „Wir Frauen, mutige Frauen haben nicht für Frauenrechte gekämpft, um sie jetzt an Männer in Stöckelschuhen zu verlieren“, sagte Behrendt und provozierte damit entsprechend empörte Gegenreaktionen aus dem Plenum.

Im Sozialausschuss des Landtags versucht man nun, beide Anträge von Rot-Grün zu einem gemeinsamen Behandlungsstrang zusammenzuführen. Das entgegengesetzte Ansinnen der AfD dürfte dabei außen vor bleiben.

Dieser Artikel erschien am 1.12.2023 in Ausgabe #210.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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