27. März 2024 · 
Landwirtschaft

Wie Europa die Agrarförderung künftig neu ausrichten könnte

Als der 19. Niedersächsische Landtag seine Arbeit gerade erst aufgenommen hatte, hatten sich Experten aus dem Agrarministerium vorgenommen, den Politikern im entsprechenden Ausschuss die wichtigsten Eckpunkte der neuen europäischen Agrar-Förderperiode näherzubringen. Einer der neu gewählten Abgeordneten fragte daraufhin, wie die Parlamentarier jetzt noch Einfluss auf dieses so wichtige agrarpolitische Instrument nehmen könnten. Die einfache wie enttäuschende Antwort damals lautete: „Gar nicht, das ist jetzt zu spät.“ Etwas mehr als ein Jahr später hat sich die Lage geändert.

Agrarpolitik ist ein Grundpfeiler der EU. Derzeit werden die Weichen neu gestellt. | Foto: Anton Skripachev via Getty Images

Nicht nur haben die Bauernproteste vieles, was in der EU-Agrarpolitik vor kurzem noch galt, grundlegend in Frage gestellt. Auch die Überlegungen zur Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) laufen dieser Tage an. Einen konkreten Zeitplan gibt es zwar noch nicht, allerdings ist die GAP an den mehrjährigen Finanzrahmen der EU gekoppelt. Die aktuelle Phase der langjährigen EU-Haushaltsplanung läuft noch bis 2027.

Vermutlich im kommenden Jahr wird die EU-Kommission einen ersten Vorschlag unterbreiten, der dann zwischen Rat und Parlament beraten wird. In diesem Jahr werden mit der Wahl des EU-Parlaments also entscheidende Weichen gestellt – sowohl was die Zusammensetzung des Parlaments selbst angeht als auch bezüglich der Grundausrichtung der EU-Kommission.

Landesregierung will Bürokratie verringern

Die europäische Agrarpolitik muss sich im Spannungsfeld zwischen ökologischem Anspruch und ökonomischen Herausforderungen neu ausrichten. Wenige erwarten dabei einen wahren Paradigmenwechsel, schließlich ist die GAP eher mit einem Tanker zu vergleichen, der seine Fahrtrichtung nur sehr langsam ändern kann. Eine wichtige Rolle bei der Neuausrichtung spielt aber vor allem die vereinfachte Beantragung und Abwicklung der Fördergelder.

Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) hat deshalb vorige Woche in Brüssel bei Gesprächen mit Direktor Michael Niejahr von der Generaldirektion „Agri“ der Europäischen Kommission auszuloten versucht, wie die Verwaltung vereinfacht werden kann. Es sei darum gegangen, wie Vereinfachungen von Vorgaben, Kontrollen und Sanktionen im Bereich der nationalen Umsetzung der GAP aussehen können, ohne das Umweltambitionsniveau zu senken, teilte eine Sprecherin mit. In der Heimat hat man der Ministerin zuvor nicht nur einmal mit auf den Weg gegeben, dass die Komplexität und Regelungsdichte der europäischen Agrarpolitik nicht nur die Landwirte, sondern auch die Verwaltung und die Politik zunehmend zu überfordern drohe.

Eine Möglichkeit wäre es, die Auflagen beim Förderrecht abzubauen. Aktuell werden über die sogenannte „Konditionalität“ verschiedene Vorgaben gemacht, die ein Bauer erfüllen muss, um überhaupt von der EU-Agrarförderung profitieren zu können. Schon kleine Fehler führen dabei schnell zu Einbußen. Aus den Vorgaben ergeben sich allerdings auch zahlreiche Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten, die wiederum nicht zwingend mit den Meldepflichten aus landes- und bundesgesetzlichen Vorgaben deckungsgleich sind. All diese Verpflichtungen binden Landwirte ans Büro anstatt dass sie Freiräume erhalten, um die dringend notwendigen Veränderungen im Betrieb anzugehen. Hinzu kommt, dass viele Landwirte eine fehlende Planbarkeit aufgrund unklarer EU-Bestimmungen beklagen. Die Diskussion um die anteilige Flächenstilllegung, die nun schon zum zweiten Mal ausgesetzt wurde, ist ein gutes Beispiel dafür, wie wenig man sich auf EU-Vorgaben verlassen kann.

Werden die Flächenprämien abgeschmolzen?

Umstritten ist die Frage, wie es mit der Flächenprämie weitergehen soll. Ursprünglich wollte man damit das Risiko der Landwirte absichern, die stark vom Wetter und vom Weltmarkt abhängig sind. In einer früheren Form der GAP hatte man den Landwirten Abnahmepreise garantiert, was jedoch zu Fehlanreizen geführt hatte – man erinnert sich noch an Butterberge und Milchseen. Die Idee, die GAP-Fördermittel an die Größe der Betriebe zu koppeln, also die Strategie „wachse oder weiche“, stößt inzwischen allerdings auf Kritik. Es wächst die Sympathie für eine geringere Basisprämie und mehr Geld für Agrar-Umwelt-Maßnahmen. Die Maxime, öffentliches Geld für öffentliche Leistungen aufzubringen, setzt sich immer stärker durch. Setzt ein Landwirt also Maßnahmen zum Umwelt- oder Klimaschutz um, soll er dafür Fördergelder erhalten. Eine Entwicklung hin zum Abschmelzen der Basisprämie könnte womöglich auch die Angst zahlreicher Landwirte vor einem EU-Beitritt der Ukraine abmildern. Denn die Ukraine ist zwar reich an Agrarflächen, müsste aber bei den hohen EU-Umweltstandards noch einiges nachholen.

Würde die Flächenprämie allerdings sinken, verlören die Landwirte eine Risikoabsicherung, die insbesondere in Zeiten des Klimawandels nötig ist. Hier könnte die EU neue Förderinstrumente schaffen, indem die Landwirte beispielsweise dabei unterstützt werden, sich gegen Starkregenereignisse und andere Herausforderungen zu versichern.

Welche Ziele verfolgen die Parteien?

Die deutschen Christdemokraten erklären in ihrem Europawahlprogramm die Ernährungssicherheit und die wirtschaftliche Perspektive für die Landwirte zum Leitmotiv ihrer Agrarpolitik. Folglich fordern sie, die GAP müsse eine starke ökonomische Säule haben, „die den Landwirten Schutz auf volatilen Märkten bietet und es ihnen erlaubt, nachhaltiger zu wirtschaften und ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.“ Die Direktzahlungen sollten die Leistungen der Landwirte honorieren und stark vereinfacht werden, überzogene Regeln will man abschaffen, etwa die Pflicht zur vierprozentigen Flächenstilllegung.

Im SPD-Wahlprogramm wird die Erwartung formuliert, die GAP müsse „mehr leisten, um ihre selbstgesteckten Umwelt- und Klimaziele zu erreichen“. Gleichzeitig trage sie zu wenig zur Einkommenssicherung für die Landwirte bei. Die Sozialdemokraten loben sich dafür, in der aktuell laufenden Förderperiode erstmals soziale Mindeststandards in der GAP verankert zu haben – diese will man nach der Wahl weiter ausbauen.

Die Grünen wollen die GAP auf Klimaschutz ausrichten und klimaschädliche Subventionen künftig abbauen. Die FDP fordert eine marktwirtschaftliche Ausrichtung der GAP, „die weniger von Subventionszahlungen und überbordender Bürokratie geprägt ist.“ Die Direktzahlungen wollen die Freien Demokraten in den kommenden 15 Jahren abbauen und stattdessen für gleiche Wettbewerbsbedingungen und Produktionsstandards in allen EU-Staaten sorgen. Die AfD lehnt die GAP gänzlich ab und fordert eine sach- und leistungsgerechte Vergütung der Landwirte ohne jegliche Verordnungen aus Brüssel.

Dieser Artikel erschien am 28.3.2024 in Ausgabe #059.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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