Von Niklas Kleinwächter

Rund 6,7 Milliarden Euro Agrarförderung sind im vergangenen Jahr von der EU an die deutsche Landwirtschaft geflossen. Diese Zahlen veröffentlichte das Bundesagrarministerium in der vergangenen Woche, weil die Transparenz-Initiative der EU das seit einigen Jahren explizit verlangt. Immer wieder sorgt die Veröffentlichung der Empfängerliste samt Zuwendungssumme für Unmut unter den Landwirten. Die einen fühlen sich bloßgestellt. Die anderen blicken irritiert auf die hohen Beträge, die dort ausgezahlt werden – und darauf, an wen das Geld eigentlich geht. So zeigten etwa die aktuellen Zahlen vom vergangenen Jahr, dass vor allem öffentliche Einrichtungen oder Kommunen aber eben auch Großkonzerne der Agrarindustrie zu den Top-Empfängern zählen. Gehen die Agrarsubventionen an den kleinen Bauern vorbei?


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Für die Förderung der Landwirtschaft wendet die Europäische Union zurzeit jährlich insgesamt rund 58 Milliarden Euro auf, also fast 40 Prozent des gesamten EU-Haushalts. Derzeit wird dieses Förderkonstrukt, das gemeinhin als Gemeinsame Agrarpolitik (kurz: GAP) bezeichnet wird, in Brüssel neu verhandelt. Kritisiert wird an dem Fördermodus so einiges. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Klima- und Umweltaktivisten auf der einen und frustrierten Landwirten auf der anderen Seite, wird auch die Förderung von Umweltmaßnahmen bei der neuen GAP-Förderperiode eine entscheidende Rolle spielen. Dass sich die Schwerpunktsetzung geändert hat, zeigt sich auch daran, dass nicht mehr nur der Agrar-, sondern auch der Umweltausschuss des EU-Parlaments die Reformpläne zurzeit verhandelt.

Folgende Knackpunkte werden bei den aktuellen Verhandlungen auf den Tisch kommen:

Brexit und Corona rütteln am Fördervolumen. Zwei krisenhafte Vorkommnisse und ein planbares Ereignis haben in den vergangenen zwei Jahren die Reform der GAP ordentlich durchgeschüttelt: Zuerst der Brexit und dann die Corona-Pandemie, aber auch die reguläre Wahl des EU-Parlaments. Dabei spielt vor allem die Frage, wie viel Geld insgesamt im EU-Haushalt für die Agrarförderung zur Verfügung stehen soll, eine entscheidende Rolle. Als im vergangenen Jahr noch Günther Oettinger als zuständiger EU-Haushaltskommissar einen Vorschlag unterbreitet hatte, waren aufgrund des Brexits für die nächste siebenjährige GAP-Förderperiode insgesamt nur noch 365 Milliarden Euro statt bisher rund 382 Milliarden Euro veranschlagt. Zwischenzeitig war die Rede von 2,6 Milliarden Euro, die Deutschlands Landwirtschaft in Zukunft jährlich weniger zur Verfügung stehen könnten.  In den darauffolgenden Verhandlungen schwankte die Summe immer wieder, bis Ende Februar zuletzt die viel höhere Summe von 390 Milliarden Euro im Raum stand. Nun kommt obendrein noch das Wiederaufbauprogramm für die Zeit nach dem Corona-Shutdown hinzu, das sich zusätzlich noch positiv auf bestimmte Bereiche der GAP auswirken könnte.

Verschiebungen zwischen erster und zweiter Säule. Die GAP-Förderung besteht aus zwei Säulen: Die erste Säule heißt offiziell „Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft“ (EGFL) und umfasst die gesellschaftlich eher umstrittenen Direktzahlungen an die Agrarbetriebe und sogenannte marktstützenden Instrumente – also etwa finanzielle Förderung ganzer Branchenzweige, die sich sonst kaum halten könnten. Die zweite Säule bildet der „Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums“ (ELER), zu dem neben der Förderung schwächerer Regionen auch die Agrarumweltmaßnahmen zählen. Gerade die Kritiker der Direktzahlungen aus der ersten Säule fordern eine deutliche Umverteilung zugunsten der Umweltmaßnahmen der zweiten Säule. Wie es aussieht, soll auch in der nächsten Förderperiode die erste Säule mit rund 273 Milliarden Euro deutlich stärker ausfallen als die zweite Säule mit nur rund 100 Milliarden Euro. Im Vergleich zur aktuellen Förderperiode und dem Oettinger-Vorschlag ist das allerdings eine deutliche Steigerung. Zum Vergleich: In Oettingers Modell waren nur 79 Milliarden Euro für die zweite Säule eingeplant. Hinzu komme, dass die zweite Säule mit nationalen Mitteln co-finanziert werde, erklärt Wilfried Steffens vom Landvolk Niedersachsen. Wenn man das mit einrechnet, verschiebt sich die Gewichtung weiter, so dass rund ein Drittel der GAP-Förderung in der zweiten, und zwei Drittel in der ersten Säule landen. In Deutschland werden zudem seit diesem Jahr 6 Prozent der Mittel aus der ersten in die zweite Säule umgeschichtet. Dieser Prozentsatz lag bisher noch bei 4,5 Prozent.

Stärkerer Fokus auf den Umweltschutz. Nicht nur durch mehr Geld in der zweiten Säule wird der Umwelt- und Naturschutz in der neuen GAP wohl deutlich aufgewertet. Auch in der ersten Säule sorgen neue Öko-Vorgaben für mehr Druck. So sollen die bisherigen freiwilligen Umweltleistungen („Greening“) in Zukunft zur zwingenden Voraussetzung für jegliche Direktzahlung werden. Was bisher also noch extra honoriert wurde, würde künftig zum Zwang. Gleichzeitig soll ein neues Instrument innerhalb der ersten Säule eingeführt werden, die sogenannten „Eco Schemes“. Darüber können einjährige Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Artenvielfalt gefördert werden. Wie genau dieses Instrument aber ausgestaltet wird, legen die Mitgliedsstaaten selbst fest. Beim Landvolk hofft man darauf, dass Deutschland dieses Instrument so ausgestaltet, dass Landwirte mit Umweltmaßnahmen auch Geld verdienen können. Bislang war es so, dass lediglich Mehrausgaben oder Umsatzeinbußen über die Förderung der zweiten Säule ausgeglichen werden können. Steffens vom Landvolk geht allerdings davon aus, dass die Bundesregierung die Möglichkeiten schaffen wird, dass Umweltschutz im Sinne eines öffentlichen Guts auch aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden kann. Beim Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen hofft man derweil, dass womöglich sogar Öko-Landbau gezielt über die erste Säule gefördert werden könnte. Zudem erklärt Gisela Wicke vom Nabu-Landesvorstand, dass Öko-Maßnahmen eigentlich nur sinnvoll seien, wenn sie über mehrere Jahre liefen und nicht wie die aktuellen Pläne für die „Eco Schemes“ nur einjährig angelegt sind.


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Selbst wenn der Finanzrahmen und die grobe Richtung der GAP nun beinahe festgelegt scheinen, gibt es im Detail also noch einiges zu verhandeln. Eigentlich sollte die GAP-Reform schon zum nächsten Jahr in Kraft treten, doch weil sich zwischenzeitlich schon abgezeichnet hatte, dass dieses Ziel nicht zu halten ist, wurde bereits Ende 2019 eine Übergangsverordnung erlassen. Nun wird die neue GAP-Förderperiode wohl erst 2022 beginnen, Corona-bedingt vielleicht sogar erst 2023.