18. Okt. 2022 · 
Finanzen

Wer wird Finanzminister? Anforderung der EZB bringt Bewegung in Personalpläne

Wer wird der nächste Finanzminister? I Foto: Link

Ganz zum Schluss erst wollen SPD und Grüne ihr Personaltableau für die nächste Landesregierung festlegen. Zunächst sollen die Sachfragen geklärt werden, danach dann die Personalien. An diese Abläufe wollen sich die Spitzen beider Parteien halten, und doch wird hinter den Kulissen bereits heftig gerungen um die Namen der neuen Minister. Die Ausgangslage lässt sich etwa so beschreiben: Die Grünen pochen zunächst auf das Wirtschaftsministerium für Spitzenkandidatin Julia Hamburg und wären zur Not bereit, dafür auf den Wunsch nach dem Finanzministerium (bisher angepeilt für Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Gerald Heere) aufzugeben. Da bisher Umweltminister Olaf Lies (SPD) auf das Wirtschaftsressort pocht und die Grünen auf das Umweltressort schielen, müsste er dann in das Finanzressort ausweichen – was ihm wohl nicht gefallen würde, da Lies sich nicht als Haushälter und Sparpolitiker, sondern als innovativer und kreativer Politikgestalter versteht. Zwei Auswege aus dieser Situation sind nun vorstellbar. Entweder setzen sich die Grünen durch, dann würde Hamburg Wirtschaftsministerin – und das Kultusministerium bliebe weiter in der Hand der Sozialdemokraten. Oder die SPD setzt sich durch, dann würde Lies Wirtschaftsminister und Hamburg müsste das Kultusministerium übernehmen (wovon ihr Parteifreunde schon abgeraten haben sollen). Das wäre die Variante, in der Heere wieder als Finanzminister in Betracht käme.

Neuer Finanzminister muss auch Vorsitzender des Nord/LB-Aufsichtsrates werden

In dieser Gemengelage kommt nun ein Aspekt hinzu, der die Personalauswahl zusätzlich verkompliziert. Nach der Satzung der Nord/LB, die auch in die Staatsverträge und Vereinbarungen zwischen den Anteilseignern der Landesbank aufgenommen wurde, ist der Aufsichtsratsvorsitzende der Nord/LB zugleich „das zuständige Mitglied der Landesregierung des Landes Niedersachsen“. Das heißt: Wer neuer Finanzminister wird, muss laut Nord/LB-Satzung auch den Vorsitz des Nord/LB-Aufsichtsrates übernehmen. Das war bisher kein Problem, denn die Finanzminister in den vergangenen Jahren hatten immer auch in Personalunion diese Aufsichtsratsposition. Allerdings haben sich seit der jüngsten Finanzkrise die Anforderungen an die Aufsichtspositionen von Banken verändert – das geht bis hinab zu den Sparkassen, wo an Bürgermeister und Landräte auch höhere Anforderungen gestellt werden. Was für diese Gruppe gilt, soll nun allemal auch für das Aufsichtsgremium der Nord/LB Maßstab sein.

EZB legt Kriterien fest zur Beurteilung der Qualifikation eines Bewerbers

In einem 94 Seiten starken „Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit“ legt die Europäische Zentralbank (EZB) als Bankenaufsicht Kriterien fest. Eingestuft werden soll die Erfahrung eines Bewerbers für den Aufsichtsratsvorsitz einer Bank, außerdem sein Leumund, also seine persönliche Integrität. Was die Erfahrung angeht, werden „Schwellenwerte“ definiert – und die unterscheiden sich in „Vorsitzender mit Aufsichtsfunktion“ und „Inhaber eines Aufsichtsmandates“. Der Vorsitzende soll „zehn Jahre einschlägige Erfahrung“ in Positionen auf „höherer Managementebene“ haben – zudem „umfangreiche theoretische Kenntnisse im Bankwesen“. Das Einmaleins im Bankenwesen – von Buchhaltung über Risikomanagement bis Finanzwirtschaft – kann man in Kursen nachholen, die Managementerfahrung misst sich aber an der Größe der geführten Einheit und an der Zahl der unterstellten Mitarbeiter. Der amtierende Finanzminister Reinhold Hilbers, gelernter Diplomkaufmann und studierter Betriebswirt, war bis 2003 zehn Jahre lang in teilweise leitender Funktion tätig – in der Volksbank Lingen und bei der Lebenshilfe in Nordhorn.

Mehrere Namen für den Ministerposten sind im Gespräch

Was die möglichen Kandidaten für seine Nachfolge angeht, sind die Ausgangspositionen unterschiedlich. Gerald Heere ist Politikwissenschaftler, er hat knapp drei Jahre lang als Büroleiter des Bremer Finanzsenators gearbeitet – mit nicht sehr vielen ihm direkt unterstellten Mitarbeitern. Olaf Lies, Diplomingenieur, ist seit knapp zehn Jahren Landesminister (erst für Wirtschaft, dann für Umwelt), er hat damit fast schon automatisch den EZB-Schwellenwert erreicht. Das gilt auch für seinen Staatssekretär Frank Doods, der schon seit 2013 Staatssekretär ist und über den auch als möglichen neuen Finanzminister spekuliert wird, zumal er seine berufliche Laufbahn 1993 in der Finanzverwaltung begonnen hatte. Auch der bisherige Kultusminister Grant Hendrik Tonne könnte neuer Finanzminister werden. Er war fünf Jahre Minister und zuvor fünf Jahre als Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion tätig – beides sind anspruchsvolle Führungsaufgaben mit mehreren Unterstellten. Im EZB-Leitfaden heißt es nun, man könne von den Schwellenwerten abweichen, „wenn das beaufsichtigte Unternehmen dies angemessen begründen kann“. Dies wäre ein Weg, der zugleich nicht ohne Risiko wäre, da im Nord/LB-Aufsichtsrat verschiedene Interessen aufeinanderprallen, neben denen des Landes auch die des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, des anderen großen Eigentümers der Nord/LB. Eine andere Möglichkeit wäre, die Nord/LB-Satzung zu ändern und nicht es dem Land künftig freizustellen, die Person für den Nord/LB-Aufsichtsratsvorsitz auszuwählen, dieses Amt also nicht zwingend an den Ministerposten zu knüpfen. Nur ginge eine solche Änderung nicht ohne öffentliche Debatte – und die könnte als Schwächung der Aufsicht über die Landesbank verstanden werden.

Dieser Artikel erschien am 19.10.2022 in Ausgabe #184.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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