Wenzel fordert: Emsmündung muss Naturschutzgebiet werden
Nach dem Urteil zu einer Umgehungsstraße um den Küstenort Bensersiel (Kreis Wittmund), die rechtswidrig durch ein Naturschutzgebiet gebaut worden ist, befürchtet Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) weitere Pannen dieser Art. Denn würde Niedersachsen nicht bald die von der Europäischen Union als Bestandteil des europaweiten ökologischen Netzes „Natura 2000“ bezeichneten Gebiete Tideweser, Außenems und Unterelbe in nationales Naturschutzrecht aufnehmen, könnten zahlreiche Bauprojekte nicht umgesetzt oder im Nachhinein für rechtswidrig erklärt werden. Das beträfe etwa ein vom Windkraftanlagenhersteller Enercon geplantes Windkrafttestgebiet an der Außenems oder den Ausbau der Stromnetze für den Abtransport des Offshore-Stroms.
Wenzel kritisiert damit vor allem seinen Kabinettskollegen, Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), dessen Ministerium die Notwendigkeit der Naturschutzgebiete weiterhin infrage stellt und stattdessen ein wesentlich weniger streng reglementiertes Landschaftsschutzgebiet empfiehlt. „Die Kollegen sind auf dem Holzweg“, sagt Wenzel. „Wir müssen die von der EU auferlegten Pflichten ernst nehmen.“ Die EU-Kommission hatte schon 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Verstößen gegen die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie sowie die Wasserrahmenrichtlinie an den Flussmündungen eingeleitet. Für die Ems zog das Bündnis die Klage noch einmal zurück, verlangte im Gegenzug aber wahrnehmbare Verbesserungen.
Wenzel zufolge ist es jedoch nicht nur die angedrohte Klage aus Brüssel, die der niedersächsischen Wirtschaft Sorgen bereiten sollte, sondern auch die Selbstblockade durch die Aufrechterhaltung von überhöhten Anforderungen. Denn ein faktisch als sogenanntes Flora-Fauna-Habitat (FFH) an die EU gemeldetes Gebiet habe einen wesentlich höheren rechtlichen Schutzstatus als ein auf nationalem Recht basierendes Naturschutzgebiet. Wer jetzt an einer der drei Flussmündungen bauen wolle, müsse nachweisen können, dass sein Projekt die Umwelt weder schädigt noch anderweitig den Status Quo verschlechtert, damit es rechtlich sicher ist. „Diese Vorschriften kann allerdings fast kein Projekt erfüllen, weshalb solche faktischen FFH-Gebiete quasi nicht veränderbar sind“, sagt Wenzel.
Ein Beispiel ist die Umgehungsstraße um Bensersiel. Hier war von der Gemeinde bei der Beantragung der Straße allerdings gar nicht erst gemeldet worden, dass sie durch ein faktisches FFH-Gebiet führen würde. Bei Naturschutzgebieten nach nationalem Recht sei der Spielraum dagegen größer. Hier seien Abweichungsverfahren möglich. Bei Bauprojekten müsse dann nicht mehr zwingend nachgewiesen werden, dass sie den Zustand des Gebiets nicht verschlechtern. Der Schaden würde einkalkuliert, aber entscheidend für die Genehmigung wäre die Vertretbarkeit der zu erwartenden Schäden sowie vorhandene Ausgleichsmöglichkeiten. Das ermögliche zum Beispiel den Bau von Stromtrassen durch Naturschutzgebiete. Aus Sicht der unteren Naturschutzbehörden seien derartige Bauprojekte möglich, obwohl sie eine Gefahr für Vögel darstellen – sofern die Tiere sich in andere Räume zurückziehen könnten.
Bis Ende 2018 muss die Landesregierung die Umwandlung der faktischen FFH-Gebiete an den Flussmündungen in nationales Recht der EU melden, das hat die Bundesregierung der Kommission zugesagt. Für die Ems könnte der Zeitplan eingehalten werden. Der Masterplan Ems ist beschlussreif, jetzt müssen nur noch die Stadt Emden und das Kabinett den Erlass des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasser- Küsten- und Naturschutzes gegenzeichnen. Wenzel hält es deshalb für falsch, die Schutzgebietskategorie jetzt noch einmal zu verändern, wie von Wirtschaftsminister Lies gefordert. „Zum einen müsste man das Verfahren nochmal aufrollen und zum anderen haben wir Zusagen gemacht. Diese müssen wir endlich einhalten.“