28. Juni 2018 · 
Kommentar

Wenn lokale Eifersüchteleien die Zukunft einer Region gefährden

Darum geht es: Die Oberbürgermeister von Braunschweig und Salzgitter, Ulrich Markurth und Frank Klingebiel, wollten mit einem gemeinsamen Gewerbegebiet Zeichen setzen. Der Rat der Stadt Braunschweig förderte das Projekte, der Rat der Stadt Salzgitter blockierte es jetzt – mit einer äußerst knappen Abstimmung. Dazu ein Kommentar von Klaus Wallbaum. Immer wieder gibt es engagierte Politiker aus Braunschweig, die mit der Idee einer Region vorpreschen – dem Zusammenschluss der drei kreisfreien Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg mit den fünf Kreisen Wolfenbüttel, Helmstedt, Peine, Gifhorn und Goslar. Dieses Gebilde, sicher von der Stadt Braunschweig dominiert, würde dann ein stattliches Gegengewicht zu der seit mehr als 20 Jahren agierenden Region Hannover bieten. So sehr solche Modelle von einzelnen kommunalpolitischen Akteuren stets vorangetrieben werden, so rasch verenden solche Vorstöße immer wieder im politischen Getriebe zwischen Kommunen und Land. Immer wieder ist es dann auch die Rivalität zwischen Braunschweig und Wolfsburg, die jede Erfolgsaussicht schon im Keim zu ersticken droht. Lokale Eifersüchteleien, das ist leider der Befund, lähmt im ostniedersächsischen Raum sehr stark die Zukunftsentwicklung. Ein anderes, sehr drastisches Beispiel dieser Art erleben wir in diesen Tagen zwischen Braunschweig und Salzgitter. Zwei populäre, pragmatische und für Zukunftsentwicklungen höchst aufgeschlossene Oberbürgermeister agieren hier, der Sozialdemokrat Ulrich Markurth und der Christdemokrat Frank Klingebiel. Beide waren sich einig, dass ein neues Gewerbegebiet am besten in einem 145 Hektar großen Areal entstehen kann, das an der gemeinsamen Stadtgrenze liegt. Dort würde die 24-Stunden-Produktion am wenigsten angrenzende Wohngebiete stören, der Verkehr würde weniger die Hauptverkehrsrouten belasten, 3000 Arbeitsplätze könnten entstehen. Die Anbindung an Straße, Schiene und Wasserwege wäre möglich gewesen, und ein Zuschuss des Landes in Höhe von 60 Prozent der Investitionskosten hatte auch gewinkt. Und ganz nebenbei wäre dieses Vorhaben ein Zeichen für die gute Nachbarschaft zweier bislang kreisfreier Großstädte, die eben nicht in Konkurrenz, sondern in Kooperation zueinander stehen. Das ist zumindest der Anspruch. Aber hat diese positive Sichtweise noch im Braunschweiger Stadtparlament gezogen, so versagte sie im Rat von Salzgitter. 20 Ratsmitglieder waren dafür, 20 dagegen – und einer hat sich enthalten. Das ist nun alles andere als ein klares Votum, drückt aber die Zerrissenheit aus. Dem Lager derer, die neuen Vorhaben aufgeschlossen gegenüber stehen, hält sich mit dem der Verweigerer die Waage. Da werden dann sehr viele Argumente angeführt, die Angst der Anwohner vor Verkehrsbelästigungen, die Flächenknappheit mit der Folge der höheren Bodenpreise für die Landwirte. Immerhin sollte das Areal so groß sein wie 500 Fußballfelder, ein Megaprojekt also. Was kaum öffentlich geäußert wird, aber mindestens ebenso bedeutsam gewesen sein dürfte für das Stimmverhalten der Nein-Sager, ist die Angst vor einer Braunschweiger Dominanz. Natürlich ist ein Grund für den Plan, dass die Gewerbeflächen in Braunschweig selbst ausgereizt sind, dass die Stadt aus den Nähten platzt. Manche in der Nachbarschaft begreifen das eigentümlich als Bedrohung, obwohl es doch eigentlich ein gutes Zeichen sein müsste, wenn in einer Region ein wirtschaftlicher Motor funktioniert. Anders ausgedrückt: Gerade Salzgitter, eine unter dem Image von Flüchtlingszuzug und hohen Schulden leidende Stadt, müsste in der engeren Anlehnung an Braunschweig doch eine Chance für die eigene Stärkung erkennen – und nicht eifersüchtig auf den großen starken Nachbarn blicken. Salzgitter könnte doch von Braunschweig mitgezogen und aufgewertet werden. Vielleicht sollte man den Kommunalpolitikern in Salzgitter Gelegenheit geben, die Sache noch einmal zu überdenken und die Abstimmung in geeignetem Rahmen noch einmal zu wiederholen. Das Vorhaben ist einfach zu wichtig, um es nach einer solch diffusen und uneindeutigen Ratsentscheidung endgültig abzublasen. Alle Städte und Kreise der Region sind zudem gefordert, unbefangen und frei über einen Gebietsneuzuschnitt nachzudenken und dafür endlich mal ernst und konzentriert passende Konzepte zu entwickeln. Auch das Land darf sich dabei nicht – wie in den vergangenen Jahrzehnten – heraushalten. Es ist beschämend und ein erheblicher Standortnachteil, wenn eine prosperierende Stadt wie Braunschweig Anfragen nach Gewerbeflächen zurückweisen muss, weil die Nachbarkommunen das aus wenig durchschaubaren Gründen blockieren.   Mail an den Autor dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #122.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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