Weniger Hürden für Erzieherausbildung? Tonne erntet heftigen Widerspruch
Zwei Wochen nach dem Treffen des „Forums Frühkindliche Bildung“ gibt es Wirbel um die Vorschläge zur Reform der Erzieher- und Sozialassistentenausbildung, die der Kultusminister dort vorgetragen hat. Er verfolgt das Ziel, schneller mehr Fachpersonal zu gewinnen. Tonne sprach unter anderem über geringere Voraussetzungen für Quereinsteiger in die Ausbildung, die Anerkennung von Spielkreisleitern als Fachkräfte und eine Verkürzung der Lehrzeit in der berufsbegleitenden Ausbildung. Der Verein „Bündnis für Kinder und Familien in Niedersachsen“ hat sich jetzt mit einem offenen Brief an den Kultusminister und die Landtagsabgeordneten gewandt, er kritisiert die Vorschläge scharf. Die Dequalifizierung des Erziehungsbereichs eigne sich nicht als Maßnahme gegen Fachkräftemangel, heißt es darin, stattdessen müsse das Arbeitsumfeld verbessert werden. Tonne betont auf Nachfrage des Rundblicks, dass die im Forum angesprochenen Vorschläge die Diskussion beleben sollten. „Natürlich ist es Ziel, die Qualität in Kindergärten zu halten und zu verbessern. Wir brauchen aber auch Antworten, wie wir schnell an mehr Fachkräfte kommen. Und irgendwo muss man bei der Suche nach Lösungen schließlich anfangen.“ Mit dem Bündnis will sich Tonne Anfang kommenden Jahres zusammensetzen und Lösungen diskutieren.
Lesen Sie auch: Bertelsmann-Expertin: Kindergarten-Kinder wissen, was ein guter Kindergarten bedeutetKein Ausgleich für die Kindergärten? Erst ab August 2019 wirkt der Härtefallfonds
Konkret geht es in seinen Vorschlägen um eine Verkürzung der Ausbildungszeit und die Verteilung von Aufgaben auch auf Personen ohne Fachkräftestatus. Das Bündnis befürchtet dadurch jedoch eine Aushöhlung des Fachkräftegebots in Kindergärten und einen Qualitätsverlust in der Pädagogik. So schlägt Tonne etwa vor, die berufsbegleitende Ausbildung zum sozialpädagogischen Assistenten von drei auf zweieinhalb Jahre zu verkürzen. „Die Qualität der Ausbildung soll dabei erhalten bleiben, es geht explizit nicht darum, Inhalte zu streichen“, sagt Tonne. Man könne die Ausbildung stattdessen anders strukturieren, sodass die Auszubilden keine langen Schulferien mehr hätten, sondern wie normale Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Darüber hinaus will Tonne Quereinsteigern den Zugang in die Ausbildung zum sozialpädagogischen Assistenten oder Erzieher erleichtern, indem die Kriterien gesenkt werden. Bisher müssen Quereinsteiger aus bestimmten Berufen kommen und mehrere Jahre Berufserfahrung mitbringen, um direkt in zweiten Ausbildungsjahr beginnen zu können. „Ich könnte mir vorstellen, dass die verpflichtende Berufserfahrung unter bestimmten Bedingungen fällt, um den Kreis der infrage kommenden Bewerber zu erweitern“, sagt Tonne. Auch Nichtfachkräfte wie Spielkreisleiter und erfahrene Mütter könnten künftig zum Stammpersonal eines Kindergartens gehören. „Dabei geht es um Aufgaben, die nicht unbedingt von einer Erzieherin gemacht werden müssen. Das Wickeln von Säuglingen in der Krippe zum Beispiel.“
Aus Sicht des Bündnis-Vorstandmitglieds Thomas Müller, der den offenen Brief unterschrieben hat, wäre dagegen eine Verkürzung der Ausbildungszeit für die reguläre Assistentenausbildung nur mit Verzicht auf Inhalte zu erreichen. Auch der Wegfall von Anforderungen für Quereinsteiger stößt bei ihm auf Widerspruch. „Schmalspurausbildungen sind ein Eigentor“, heißt es im Brief. Sie senkten die Qualität und verstärkten den Fachkräftemangel noch, weil sich gut ausgebildete Erzieher nicht von einem Arbeitsumfeld angezogen fühlen, in dem sie die gleichen Aufgaben erledigen wie schlecht ausgebildete Kräfte. Kritik erntet auch die Idee, Spielkreisleiter zu Fachkräften zu machen. Hier werde offenbar vergessen, dass die Fachlichkeit eines Erziehers, der als Erstkraft die Verantwortung trägt, eine Mindestanforderung für die Erziehung und den Schutz der Kinder ist. Auch die Opposition ist von den Vorschlägen nicht überzeugt. „Ich war ehrlich gesagt entsetzt, als ich davon hörte“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Julia Hamburg. „Bisher hatte der Minister immer angekündigt, keine Qualitätsabsenkung vornehmen zu wollen – und jetzt kommt gleich ein ganzes Bündel an solchen Vorschlägen.“ Björn Försterling, bildungspolitischer Sprecher der FDP, findet es durchaus diskutabel, etwa erfahrene Mütter für kleine Tätigkeiten einzusetzen. „Aber wir dürfen nicht gut ausgebildete Fachkräfte gegen Geringqualifizierte austauschen.“Dieser Artikel erschien in Ausgabe #223.