Es ist mittlerweile Übung kurz vor den Landtagswahlen, vor 14 Jahren gab es diese Veranstaltung zum ersten Mal: Niedersächsische Schüler, die in Debattierwettbewerben ihrer Schulen gewonnen haben, messen sich mit den Hauptfiguren der Parteien. So sind am Montag die beiden Ministerpräsidentenkandidaten Stephan Weil (SPD) und Bernd Althusmann (CDU), aber auch die Spitzenkandidaten Julia Hamburg (Grüne) und Stefan Birkner (FDP) in den Plenarsaal des Landtags gekommen. Dort, wo sonst die Abgeordneten sitzen, haben jetzt Schüler Platz genommen – und vier von ihnen sind ausgewählt worden, sich mit den Politikern argumentativ zu messen. Die Themen konnten die Politiker selbst definieren.

Bernd Althusmann debattiert mit Emilia Fritz darüber, ob Studien- oder Ausbildungsplätze mehr gefördert werden sollten. | Foto: Bernd Althusmann/Facebook

Zu Beginn tritt Ministerpräsident Stephan Weil nach vorn. Er verteidigt die Forderung im SPD-Programm, für sämtliche Schüler das Recht auf den Besuch einer Ganztagsschule vorzusehen. Nachdem das Bundesrecht vorgibt, von 2026 an einen solchen Rechtsanspruch für die Grundschüler in den Klassen eins bis vier zu schaffen, möchte Weil perspektivisch auch allen anderen Schülern diese Chance geben. Der SPD-Politiker erinnert an seine Zeit als Oberbürgermeister in Hannover, als viele Eltern ihm von Zeitnot berichtet hätten. In der Kindergartenphase hätten sie Beruf und Familie noch gut miteinander vereinbaren können, in der Schulzeit mit ihren flexiblen Schlusszeiten dann aber nicht mehr. Dies wolle er ändern, gerade für kleinere Kinder sei eine Ganztagsbetreuung sinnvoll. „Aber es ist ja auch nur ein Angebot und keine Pflicht“, fügt Weil hinzu.

Die 20-jährige Schülerin Stella Wolke aus Wildeshausen (Kreis Oldenburg) widerspricht: Je mehr Kinder bis 16 Uhr die Schule besuchen müssten, desto stärker werde die selbstverantwortliche Freizeitgestaltung eingeschränkt. Vereine drohten Zuspruch zu verlieren. Außerdem sehe sie einen „implizierten Zwang“ für alle Schüler, an den Schulangeboten auch teilnehmen zu müssen, um keine Benachteiligung zu erleiden. Ein anderes Problem sei die Qualität der Betreuung, die abzusinken drohe, wenn wenig qualifizierte Kräfte dafür eingesetzt werden. Weil entgegnet, er wünsche sich Sozialpädagogen und andere Fachkräfte als Betreuer. Zum Schluss wirbt Weil für die Wahl der SPD: Er befürworte ein Wahlrecht schon für 16-Jährige, sei für Tablet-Klassen und dafür, dass in der Krisen-Zeit „der bessere Kandidat gewinnt“. Dann schließt er ziemlich hastig die Worte an: „Herzlichen Dank, hat mir Spaß gemacht!“

Foto: Facebook/Bernd Althusmann

Als Zweiter muss sich CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann für die Forderung rechtfertigen, den Ausbau der beruflichen Bildung stärker zu fördern als den der Studienplätze. Bei 10.000 fehlenden Auszubildenden und 203.000 Studenten stelle sich die Frage, ob die Prioritäten richtig gesetzt sind, sagt Althusmann, der an diesem Tag ruhiger wirkt als Weil. „Nicht immer führen Abitur und Studium in die Glückseligkeit“, betont er. Die 16-jährige Schülerin Emilia Fritz aus Northeim widerspricht und betont das Recht der Schüler auf möglichst gute Bildung, die hohe Nachfrage nach Studienangeboten solle sich auch auswirken in der Schaffung neuer Studienplätze. „Ich respektiere Ihre Argumente, aber ich setze andere Schwerpunkte“, sagt Althusmann, während Weil vorher alle Schüler pauschal geduzt hatte. Der CDU-Spitzenkandidat wirbt dann für die Verstärkung von Betriebspraktika, etwa in der neunten Klasse, im Schluss-Statement preist er Niedersachsen als „Land der Wasserstoffwirtschaft und der Windenergie“, das viele Perspektiven biete.

Stefan Birkner und Lukas Kramer diskutieren über das Recht auf Internet-Zugang. | Screenshot: NDR

Anschließend muss sich die Grünen-Spitzenkandidatin Julia Hamburg für ihre Forderung rechtfertigen, die Klimaschutzziele noch zu verschärfen. Der 18-jährige Schüler Mohamed El-Zein aus Uelzen wendet dagegen ein, zu ehrgeizige Vorgaben seien unrealistisch und drohten von den Menschen nicht ernst genommen zu werden. In ihren Antworten erwähnt Hamburg gleich mehrfach die Politik von Althusmann und bemängelt, dass es für den Verkehrsbereich gar keine Klima-Vorgaben gebe. Den Namen Weil erwähnt sie gar nicht. FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner soll erklären, warum die FDP ein „Grundrecht auf Internetnutzung“ verankern will. Dagegen wendet der 15-jährige Schüler Lukas Kramer aus Göttingen ein, dass die Formulierung „Grundrecht“ in diesem Zusammenhang übertrieben sei, da man dann viel besser ein „Grundrecht auf sauberes Wasser und saubere Luft“ schaffen solle.

Für die vier Spitzenkandidaten ist diese Veranstaltung eine Art Aufwärm-Aktion für die TV-Debattenrunden, die am 27. September im NDR übertragen werden.