So kehrt der Alltag (teilweise) in Niedersachsen zurück
Dauernd melden sich einerseits FDP, Grüne und AfD im Landtag und fordern, die Landesregierung müsse endlich Farbe bekennen und ein eigenes Konzept für die nun anstehenden Lockerungen in der Corona-Krise vorlegen. Auf der anderen Seite preschen immer wieder benachbarte Bundesländer mit isolierten Entscheidungen vor, während Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und sein Vize Bernd Althusmann (CDU) stets betonten, wie sinnvoll doch ein abgestimmtes Verhalten aller 16 Bundesländer wäre.
Als jetzt am Wochenende das von CDU, SPD und Grünen geführte Nachbarland Sachsen-Anhalt seine bisher sehr strikten Ausgangsbeschränkungen weitgehend aufhob, riss bei der Regierung in Hannover der Geduldsfaden: Weil und Althusmann verständigten sich und veröffentlichten schneller als bisher geplant einen „Stufenplan“, der konkrete Schritte zur Rückkehr in die Normalität vorsieht. Er soll von der Regierung formell beschlossen werden, sobald die nächste Konferenz zwischen der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten am morgigen Mittwoch stattgefunden hat. Der Plan sieht mehrere Schritte vor:
Obergrenze für Einzelhandel entfällt:
Vom 11. Mai an soll die Obergrenze von 800 Quadratmetern für die Verkaufsfläche wegfallen, beispielsweise auch Möbelmärkte haben dann keine Beschränkungen mehr.
Tourismus Bald zu 50 Prozent wieder möglich:
Zweitwohnungen und Dauercampingplätze können ab 7. Mai wieder aufgesucht werden, Reisen zu den ostfriesischen Inseln werden wieder zugelassen. Ab 11. Mai wird der Übernachtungstourismus in Ferienwohnungen wieder möglich, erst nach sieben Tagen darf ein Zimmer wiederbelegt werden – bei Campingplätzen ist die maximale Auslastung von 50 Prozent vorgesehen. So soll der Besucherverkehr, der eine hohe Ansteckungsgefahr in sich birgt, in Grenzen gehalten werden. Hotels, Pensionen und Jugendherbergen sollen ab 25. Mai wieder öffnen können, dann auch mit der Sieben-Tages-Frist und einer maximal 50-prozentigen Auslastung.
Gaststätten mit strengen Abstandsregeln:
Gaststätten sollen ab 11. Mai öffnen dürfen – zunächst nur Restaurants, Cafés und Biergärten, keine Kneipen und Clubs. Die Hälfte der Plätze muss frei bleiben, es gibt eine Reservierungspflicht und die Kontaktdaten der Gäste müssen erfasst werden. Strenge Abstandsregeln sind einzuhalten. Ab 25. Mai sollen weitere Beschränkungen fallen.
Mehr Notbetreuung in Kindergärten:
Die „Notbetreuung“ (derzeit sechs Prozent der Kinder, maximal fünf Kinder je Gruppe) soll vom 7. Mai an auf zehn Prozent ausgeweitet werden, vom 11. Mai an auf 40 Prozent, wobei dann auch zehn Kinder je Gruppe betreut werden sollen. Ab 11. Mai sollen wieder Tagesmütter ihre Tätigkeit aufnehmen können. Die private Betreuung von Kindern in der Nachbarschaft (maximal fünf Kinder, feste Betreuungsperson, fester Betreuungsort) wird vom 6. Mai an möglich – es soll keine Anzeige- oder gar Genehmigungspflicht geben. Die Betreuer müssen aber die Namen und Betreuungszeiträume festhalten, falls später ein Infektionsweg nachverfolgt werden muss. Ab 6. Juni sollen 50 Prozent der Kinder wieder in den Kindergarten gehen, am 1. August soll der Regelbetrieb dort wieder vollständig aufgenommen werden können, erklärte Kultusminister Grant Hendrik Tonne.
Krankenhäuser können wieder OPs planen:
Planbare Operationen werden ab 6. Mai wieder zugelassen, erklärte Sozialministerin Carola Reimann. Ab 11. Mai könnten die Reha-Kliniken, die bisher als Ausweich-Kliniken freigehalten werden mussten, ihren Normalbetrieb wieder aufnehmen. Die Krankenhäuser müssen 25 Prozent ihrer Behandlungsplätze mit Beatmungsgeräten und 20 Prozent ihrer normalen Plätze freihalten für den Fall, dass Covid19-Patienten versorgt werden müssen. Sie sind angehalten, binnen 72 Stunden weitere freie Beatmungsplätze schaffen zu können.
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Ministerpräsident Weil ließ keinen Zweifel an seiner Verärgerung über die Landesregierung im benachbarten Sachsen-Anhalt, die mittlerweile den gemeinsamen Aufenthalt von bis zu fünf Personen im Freien erlaubt und von der bisherigen Linie aller Länder abweicht, diese Treffen auf zwei Personen zu begrenzen. „Wir halten vorläufig bis Ende Mai an der bisherigen Position fest“, betonte Weil. Diese Kontaktbeschränkungen hätten sich als besonders wirksam im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus erwiesen. Mit Blick auf Sachsen-Anhalt meinte Weil: „Ich bezweifele, dass damit der Politik insgesamt ein guter Dienst erwiesen wurde.“
Die Landesregierung setze weiter auf ein bundeseinheitliches Vorgehen. „Aber wir werden unseren niedersächsischen Weg nicht davon abhängig machen, ob alle Länder darüber ein Einvernehmen erzielen – denn die anderen Länder tun dies ja bekanntlich auch nicht“, hob Weil hervor. Lob bekam das Kabinett vom Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall: „Wie begrüßen den Plan der Landesregierung. Es ist ein erfreuliches Signal für unseren Wirtschaftsstandort, dass Niedersachsen als erstes Bundesland voranschreitet“, sagte Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt.