
Alle Beteiligten in der SPD haben ihre Lehren aus dem miserablen Jahr 2019 gezogen.
Rundblick: Das Kabinett hat bald Halbzeit – dann stehen noch weitere zweieinhalb Jahre bis zur nächsten Landtagswahl bevor. Was planen Sie mit Blick auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse von Stadt und Land?
Weil: Der ländliche Raum hat für uns grundsätzlich eine sehr hohe Bedeutung. Wir wollen das Giganetz bis 2025 flächendeckend im ganzen Land erreicht haben, derzeit liegen wir etwa bei zwei Dritteln der Fläche. Auch die ärztliche Versorgung ist wichtig, mit mir wird es keine Konzentration auf landesweit nur wenige Krankenhäuser geben. Die gute allgemeinärztliche Versorgung im ländlichen Raum ist eine hochpolitische Angelegenheit. Es darf nicht der Eindruck entstehen, die Menschen in den Städten hätten hier bessere Angebote als die im ländlichen Raum. Dazu hilft auch die Landarztquote. Sie ist bestimmt kein Allheilmittel, aber sie bietet die Chance für Menschen, die vielleicht keinen Abiturschnitt von 1,0 haben und trotzdem den Arztberuf erlernen wollen – weil sie ihn mit Leidenschaft erfüllen möchten. Diese Menschen sind herzlich willkommen bei uns, und die Ausweitung der Medizin-Studienplätze in Oldenburg geschieht ja auch bereits.
Rundblick: Die beiden neuen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wirken für viele Beobachter wie ein Fremdkörper in der SPD-Spitze. Vor der Hamburger Bürgerschaftswahl wollten die Genossen die beiden gar nicht sehen. Wie klappt die Kooperation mit ihnen?
Weil: Alle Beteiligten in der SPD haben ihre Lehren aus dem miserablen Jahr 2019 gezogen. Die SPD ist in den Umfragen auf einem Niveau angekommen, das wir uns alle nicht hätten vorstellen können. So konnte es nicht weitergehen. Wichtige Lehren wurden gezogen, nehmen Sie mal den Koalitionsgipfel in Berlin am vergangenen Sonntag. Wir erlebten ein konstruktives, gutes Zusammenwirken an der Parteispitze – die beiden Vorsitzenden, der Vizekanzler und der SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende. Sorgen macht mir aktuell eher die Entwicklung in der Union, und ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich mal eine Krise der Union mit so unguten Gefühlen verfolge. Wir merken, dass ein jahrzehntelang sehr erfolgreiches und stabilitätsbildendes Modell – eine starke Volkspartei links der Mitte, eine andere rechts der Mitte – massiv unter Druck gerät. Selbst wenn Armin Laschet gewinnt, wird er zur Integration des Merz-Lagers seine Partei wohl tendenziell eher nach rechts führen müssen. Unter diesen Umständen ist die SPD geradezu verpflichtet, verstärkt Angebote für die gesellschaftliche Mitte zu machen.
Rundblick: Wären Sie bereit zur Kanzlerkandidatur?
Weil: Wir haben uns alle zu dieser und ähnlichen Fragen auf dieselbe Antwort verständigt: Zu dieser Frage werden die beiden Parteivorsitzenden zu geeigneter Zeit einen Vorschlag unterbreiten.
https://www.youtube.com/watch?v=2lt9MVr_Bks
Rundblick: Würden Sie Frank-Walter Steinmeier ermuntern, sich für eine weitere Amtszeit als Bundespräsident zur Verfügung zu stellen?
Weil: Unser Bundespräsident ist für die aktuelle Situation genau der Richtige: er ist hochgradig vertrauenswürdig, er denkt nach, bevor er sich äußert und er arbeitet mit großer Überzeugung für unsere Demokratie. Von mir aus sollte er sich herzlich gern für eine weitere Amtszeit bereit erklären. Aber das muss er selbst wissen. Generell ist es ja leider nicht so, dass die SPD in der Bundesversammlung eine Mehrheit hätte. Aber Steinmeier genießt auch über Parteigrenzen hinweg ein hohes Ansehen und bis zu der Wahl vergehen noch zwei Jahre.