„Weihnachtsgeld ist ein Ausdruck von Wertschätzung“
Dietmar Schilff ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Im Interview mit Rundblick-Redakteurin Isabel Christian spricht er über den Wert eines Weihnachtsgeldes für Polizisten und den Kontakt zu den Grünen.
Rundblick: Herr Schilff, bald ist wieder Weihnachten und zum 13. Mal werden Polizisten und alle anderen Beamten in Niedersachsen ab A 9 kein Weihnachtsgeld bekommen. Haben sich die Beamten mittlerweile daran gewöhnt?
Schilff: Im Gegenteil, bei diesem Thema herrscht auch unter den Polizistinnen und Polizisten nach wie vor wirklich Frust. Es ist für sie einfach nicht nachvollziehbar, warum die Kollegen aus anderen Bundesländern, mit denen sie am Wochenende Seite an Seite den AfD-Parteitag in Hannover begleitet haben, für die gleiche Arbeit Weihnachtsgeld bekommen und sie keins. Wir als GdP demonstrieren seit 2005 gemeinsam mit GEW und ver.di immer wieder gegen die Abschaffung und für die Wiedereinführung des Weihnachtsgelds. Unter der schwarz-gelben Regierung standen SPD und Grüne bei uns und haben uns ihre Unterstützung zugesichert. Als sie dann ab 2013 die Mehrheit stellten, ist bei diesem Thema wieder nichts passiert. Dafür haben dann CDU und FDP uns den Rücken gestärkt. Wenn also eigentlich alle die Abschaffung des Weihnachtsgelds für einen Fehler halten, wäre jetzt mit der Großen Koalition genau der richtige Zeitpunkt, um den Fehler zu korrigieren. Das wäre ein echter Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Beamten im öffentlichen Dienst und der Polizei, von der Ministerpräsident Stephan Weil vor kurzem in seiner Regierungserklärung gesprochen hat. Zumal die Kassenlage es möglich macht.
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Rundblick: Aus Ihrer Sicht ist Ministerpräsident Weil insgesamt zu vage geblieben, als er im vergangenen Plenum von der Wertschätzung der Polizei gesprochen hat. Was fehlt Ihnen?
Schilff: Es steht im Koalitionsvertrag schon einiges Positives drin und man kann in eine Regierungserklärung natürlich nicht alles reinpacken, aber es geht jetzt schon um konkretere Maßnahmen, um die Attraktivität des Polizeiberufs zu steigern. Wenn man Wertschätzung ernst nimmt, dann muss zum Beispiel noch intensiver die schlechte Beförderungssituation der niedersächsischen Polizisten verbessert werden. Es gibt ein ungerechtes Beurteilungssystem und zu wenige höher dotierte Stellen. Selbst nach Berechnungen des Innenministeriums müssen junge Polizeikommissarinnen und junge Polizeikommissare mindestens 10 Jahre in der Besoldungsstufe A 9 warten, bis sie befördert werden. Und manche Polizisten gehen nach 40 Jahren sogar mit A 9 in Ruhestand, das ist beschämend. Das kann man lösen, indem man genug Stellen mindestens nach A 11 bewertet, damit jeder Polizist und jede Polizistin nach Bewährungsfeststellung mindestens zweimal in seiner Dienstzeit befördert werden kann. Ein anderes Zeichen der Wertschätzung ist die Ausrüstung. Da hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. In regelmäßigen Workshops können Polizistinnen und Polizisten zum Beispiel mitreden, welche Geräte angeschafft werden und welche nicht. Das gab es vorher nicht. Da hat das Ministerium entschieden, was anzuschaffen ist, und fertig. Nichtsdestotrotz muss man auch auf das schauen, was schon täglich in Gebrauch ist. Es kann nicht sein, dass Sitze in Streifenwagen durchgesessen sind und nicht ersetzt werden, oder die Autos mehrere Hunderttausend Kilometer auf dem Tacho haben. Genauso können Polizeibeschäftigte nicht in Dienststellen arbeiten, in denen es durchs Fenster zieht und in den Toiletten die Kacheln von den Wänden fallen. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.
Rundblick: In anderen Bereichen hat Ihre Gewerkschaft bei der neuen Regierung aber durchaus ein offenes Ohr gefunden, etwa bei der Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung und der Schaffung der sogenannten Quellentelekommunikationsüberwachung. Warum ist beides für die Ermittlungsarbeit so wichtig?
Schilff: Die Vorratsdatenspeicherung ist vor allem bei der Aufklärung von Straftaten keine Hilfe, wenn die Ermittlungsbehörden auf Daten nach kurzer Zeit nicht mehr zugreifen können. Und die sogenannte Quellen-TKÜ würde es uns ermöglichen, Beweise in Bereichen zu sammeln, in die man sonst nicht hineinkommt. Nehmen wir das Beispiel Kinderpornografie. Fotos und Videos werden im sogenannten Darknet getauscht oder über Messenger-Dienste wie WhatsApp verbreitet. Kommunikation in diesen Chats sind aber verschlüsselt. Wie soll da einem Pädophilen etwas nachgewiesen werden, wenn man keinen Zugriff hat? Natürlich ist Datenschutz wichtig, aber der Opferschutz ist nach unserer Auffassung wichtiger. Und jedes Kind, dass wir dadurch retten können, indem wir Chatnachrichten auswerten können, rechtfertigt die gesetzliche Grundlage dafür. Ich bin sehr froh, dass die Große Koalition für Niedersachsen jetzt die Rechtsgrundlage im Gefahrenabwehrgesetz schaffen und sich beim Bund dafür starkmachen will, dass Messenger-Dienste die Entschlüsselungscodes bei Vorlage eines richterlichen Beschlusses herausgeben müssen. Auch Innenminister Boris Pistorius hat klar geäußert, dass er für diese Reform eintritt. Eine solche Haltung hatten wir in den vergangenen viereinhalb Jahren in Niedersachsen nicht immer erlebt.
Rundblick: Warum nicht?
Schilff: Wir pflegen auch zu den Grünen gute Kontakte und haben in den vergangenen Jahren sehr konstruktive Gespräche geführt. Aber die Grünen haben oftmals Probleme damit, wenn es um die Ausweitung von staatlichen Eingriffsmaßnahmen geht – ohne die stetige Angleichung an die Realität geht es aber nun mal nicht, sonst verlieren wir den Kampf gegen Terror und Kriminalität. Dabei sammelt die Polizei bei der Quellen-TKÜ keine Daten, sie würde dann nur das nutzen, was ihr die Anbieter der Dienste zur Verfügung stellen. Und das innerhalb eines engen rechtlichen Rahmens. Die Polizei überwacht Kommunikation nie auf eigene Faust, sondern nur mit richterlicher Anordnung. Als Polizist verstehe ich deshalb nicht, warum man unter diesen strengen rechtlichen Voraussetzungen die Quellen-TKÜ nicht erlauben kann. Vor allem, wenn es um Straftaten wie Kinderpornografie, organisierte Kriminalität oder Terrorgefahr geht. Gegen die Haltung der Grünen zur Ausweitung von rechtsstaatlichen Eingriffsmaßnahmen hat sich Innenminister Pistorius schon ziemlich einbringen müssen, das scheint mit der GroKo einfacher zu werden.
Rundblick: Aber die Hürde liegt jetzt in Berlin, oder?
Schilff: Ja, entscheidend wird sein, ob eine Rechtsgrundlage von der nächsten Bundesregierung und Beschluss im Bundestag geschaffen wird. Wir setzen sehr darauf. Und, wie gesagt, die neue Landesregierung unterstützt das Ansinnen bereits. Nun müssen wir nur noch hoffen, dass sich auf Bundesebene rasch etwas entwickelt, damit eine Reform in diese Richtung möglich ist.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #217.