Die Kirchen in Niedersachsen bereiten sich derzeit auf eine außergewöhnliche Advents- und Weihnachtszeit vor. Nachdem die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zunächst verärgert war über die Ausgestaltung der neusten Corona-Verordnung, konnte nun mit dem Leiter des Corona-Krisenstabs, Sozial-Staatssekretär Heiger Scholz, eine gemeinsame Lesart gefunden werden, die auf die besonderen Herausforderungen für Gottesdienste Rücksicht nimmt. Zahlreiche Gemeinden planen zurzeit, die Anzahl ihrer Advents- und Weihnachtsgottesdienste zu erhöhen. So sollen trotz Abstands- und Hygieneregeln möglichst viele Gläubige in der Kirche einen Platz finden.


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Doch das wird voraussichtlich nicht reichen, um den Andrang vor allem an Heiligabend bewältigen zu können. Deshalb überlegen viele Kirchengemeinden, mit den Gottesdiensten ins Freie auszuweichen. Hier bestand zunächst noch Unsicherheit hinsichtlich der Regelungen, die in der Corona-Verordnung getroffen wurden. Der Anstieg der Neuinfektionen in den vergangenen Tagen hat diese Fragezeichen noch einmal verstärkt.

Zunächst allerdings scheint klar: Die Kirchen dürfen nach draußen gehen und benötigen dafür zwar ein Hygienekonzept, aber keine festen Sitzplätze für alle Besucher, wie das sonst bei Open-Air-Veranstaltungen vorgeschrieben wird. „Das wäre bei der Menge an Sitzplätzen und auch bei Regen im Dezember nicht machbar gewesen“, erläutert Oberlandeskirchenrätin Gäfgen-Track, Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

Die Kirche geht nach draußen – zum Beispiel auf Weihnachtsmärkte oder in die Fußgängerzone – Foto: RomanBabakin

Als mögliche Orte für Open-Air-Weihnachtsgottesdienste werden Sportplätze und -stadien sowie Eishallen in Erwägung gezogen. Auch auf Stadthallen, Markt- und andere große Plätze soll ausgewichen werden. Doch nicht nur an Heiligabend selbst sollen die Gottesdienste nach Möglichkeit unter freiem Himmel stattfinden. Die Oberlandeskirchenrätin kann sich auch Andachten, kleine Weihnachtskonzerte oder Mini-Gottesdienste auf dem Weihnachtsmarkt, am Bahnhof und in der Fußgängerzone vorstellen.

„Die neuen Formate machen Lust, kreativ zu werden“, sagt Gäfgen-Track. „Zwischen Zuckerwatte und Bratwurst müssen sich die Pastorinnen und Pastoren echt etwas einfallen lassen, um Aufmerksamkeit zu bekommen.“ Ob drinnen oder draußen: In diesem Jahr werden wohl alle Gottesdienste von kürzerer Dauer sein, entweder weil regelmäßig gelüftet werden muss oder weil man es bei Kälte draußen nicht so lange aushält. „Wenn der ganze Gottesdienst vielleicht nur noch maximal eine halbe Stunde lang sein kann, muss auch die Predigt kurz, geistreich und mitreißend sein“, sagt Gäfgen-Track.

Im Fußballstadion und auf Sportplätzen – die Kirche plant Gottesdienste mit viel Platz – Foto: Montage nkw – by-studio; Aksonov

Ein Gottesdienst-Modell, das der Oberlandeskirchenräten dabei besonders gut gefällt, ist der Stationen-Gottesdienst: Über das gesamte Dorf oder einen ganzen Stadtteil verteilt soll die Weihnachtsgeschichte an verschiedenen Standorten vermittelt werden – von der Herbergssuche über den Stall mit der Krippe bis zu den Hirten auf dem Feld. Überhaupt böten sich große Scheunen ganz besonders als Orte für Weihnachtsgottesdienste an, so die Theologin. Die Stationen könnten dann auch längerfristig aufgebaut bleiben und Interessierten die Möglichkeit geben, eigenständig die Punkte abzulaufen und etwas mitzunehmen, beschreibt Gäfgen-Track die Grundidee: „Wir holen die Weihnachtsgeschichte ins Dorf.“

Überhaupt hält Gäfgen-Track sehr viel von den neuen Formaten, die sich die Kirchengemeinden gerade einfallen ließen. Es gebe zurzeit „ein exponentielles Wachstum an Ideen“, die man auch zu Handreichungen zusammenfasse, berichtet sie. Die neuen Konzepte böten das Potenzial, die Menschen neugierig zu machen. „Da ist richtig viel Leben drin. Die Situation hat eine heilsame Unruhe ausgelöst.“ Außerdem biete sich die Weihnachtsgeschichte besonders an für diese neuen Formen. „Wir lieben zwar unsere Kirchen als besondere, oft wunderschöne Orte, an denen man Ruhe findet, nachdenken und Gottesdienste feiern kann“, sagt Gäfgen-Track. „Aber die Kirche gehört vor allem mitten ins Leben der Menschen, denn auch die Weihnachtsgeschichte hat im prallen Leben der Menschen gespielt.“

Wir werden alles dafür tun, und wenn wir draußen mit großem Abstand und Masken stehen, dass es Weihnachtsgottesdienste geben wird.

Und was ist, wenn das Infektionszahlen bis Weihnachten doch noch derart ansteigen, dass selbst diese Pläne nicht mehr umgesetzt werden können? „Es wird auch digitale Formate geben“, versichert Gäfgen-Track, man bereite das ganze Spektrum vor, nicht zuletzt für Menschen, die sich vor einer Infektion besonders schützen müssen. „Aber wir werden alles dafür tun, und wenn wir draußen mit großem Abstand und Masken stehen, dass es Weihnachtsgottesdienste geben wird. Die Weihnachtsbotschaft mit all ihren Spannungen von tiefer Menschlichkeit und strahlender Göttlichkeit, Bedrohung und Rettung, Ängsten und Hoffnungen nimmt die Gefühle von Menschen in der Pandemie auf.“ Das zu hören und zu erleben, werde denen, die kommen, Vertrauen und Mut geben und das Gemeinschaftsgefühl stärken, hofft die Theologin.