
Eine besondere Bestimmung in der Kommunalverfassung (NKomVG), auf Corona bezogen und erst nach der Kommunalwahl ins Landesgesetz aufgenommen, sorgt in ihrer praktischen Anwendung gerade im Landkreis Hildesheim für einigen Wirbel. Es geht zunächst um die Frage, ob die politischen Gremien des Kreises, der Kreistag und die Ausschüsse, wegen einer sich womöglich ausbreitenden Pandemie wieder zu einer Ausnahmesituation übergehen und weitgehend per Video-Zuschaltung tagen. In Paragraph 182 der NKomVG ist das ausdrücklich vorgesehen – und an bestimmte Bedingungen geknüpft. Diese Bedingungen aber haben im Kreistag einige Diskussionen ausgelöst.
So hatte Landrat Bernd Lynack (SPD) zunächst beim Kreistag um eine Ermächtigung gebeten, wegen der steigenden Corona-Inzidenzen eine Ausnahme aus dem Gesetz zu nutzen – nämlich mit zwei Dritteln der Kreistagsmitglieder zu beschließen, dass für drei Monate die Sitzungen nur noch per Video-Zuschaltung stattfinden sollen. Dies ist in Paragraph 182, Absatz eins, so vorgesehen. Doch wie CDU-Kreistagsfraktionschef Friedhelm Prior berichtet, regte sich im Kreistag Kritik gegen den weitgreifenden Vorschlag. Dennoch wurde das im Prinzip so festgelegt, mit kleinen Einschränkungen. Es fiel in der Kreisverwaltung anschließend aber auf, dass die im Gesetz vorgesehene Drei-Monate-Frist schon vor der geplanten nächsten Kreistagssitzung am 29. September wieder enden wird.
So war von Lynack Ende Juni noch eine andere Idee vorgetragen worden: Der Kreistag könnte ja vorsorglich einen Beschluss fassen, der dann erst Mitte August in Kraft tritt – und in der Folge dann drei Monate umfasst und bis Mitte November wirksam bleibt. Gegen diese Idee trägt Prior vehemente Bedenken vor: Wie kann ein politisches Gremium für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum festlegen, dass dann eine sich zugespitzte Corona-Pandemie zu Beschränkungen der Sitzungen führen würde? „Es liegt doch im Wesen der Pandemie, dass man über Sonderregelungen erst dann entscheiden kann, wenn der Fall eingetreten ist“, betont der CDU-Politiker. Aus dem Gesetzestext werde auch klar, dass derartige Beschlüsse nur gefasst werden können, wenn bereits ein relevantes Infektionsgeschehen vorliegt. Aus seiner Sicht ist der von Lynack vorgeschlagene Vorratsbeschluss „schlicht rechtswidrig“.
Ein Beschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit in einer Präsenzsitzung erhöht doch das Ansteckungsrisiko und ist nicht sinnvoll.
Friedhelm Prior, CDU-Kreistagsfraktionsvorsitzender Hildesheim
So verweist Prior auf einen in Absatz zwei des Paragraphen erwähnten, aus seiner Sicht sehr viel sinnvolleren Weg: Der Kreistag könne im Umlaufverfahren, also ohne ein zuvor nötiges Treffen in Präsenz, mit Vier-Fünftel-Mehrheit bestimmte Angelegenheiten beschließen, wenn die Corona-Lage das erforderlich macht. „Das ist der richtige Weg. Denn ein Beschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit in einer Präsenzsitzung erhöht doch das Ansteckungsrisiko und ist nicht sinnvoll“, meint Prior.
Dieser Streit, den der CDU-Kommunalpolitiker mit dem sozialdemokratischen Landrat ausgefochten hat, beschreibt aber nur die eine Seite des Problems. Die andere kennzeichnet den Ärger, den Prior bei der politischen Aufarbeitung dieses Falles hatte. Der CDU-Politiker hatte sich beim Innenministerium erkundigt, was dort zur rechtlichen Einschätzung der Vorschläge gedacht wird, die Landrat Lynack unterbreitet hatte. Doch eine befriedigende Antwort aus Hannover kam nicht. Das Ministerium erwiderte, dass die Kommunalaufsicht sich lediglich zu gefassten Beschlüssen der Kommunen verhalte, nicht aber äußere zu „möglichen Initiativen aus der Mitte des Kreistags“. Dazu, dass der Landrat selbst einen Vorschlag in die Diskussion gebracht hatte, der zumindest aus Sicht des CDU-Kreistagsfraktionschefs rechtlich nicht haltbar ist, verhält sich das Innenministerium auf seine Anfrage gar nicht. Eine Antwort darauf wird in dem Schreiben des Innenministeriums an Prior gar nicht gegeben. Prior erinnert sich, dass das Innenministerium derartige Anfragen zu Initiativen im Landkreis, die noch nicht beschlossen sind, früher durchaus schon beantwortet hat – etwa vor einigen Monaten, als es um Corona-Hilfen für Gemeinden ging. Glaubwürdig sei das aktuelle Verhalten des Ministeriums daher nicht.