5. Dez. 2022 · 
Wirtschaft

Warum Niedersachsen immer noch kein Profil als interessanter Ort für Startups hat

Quelle: MW

Wer an die Big Player der Technik-Branche denkt, denkt vermutlich an Google, Meta, Amazon, Apple oder Tesla. Was haben diese Giganten gemeinsam? Sie alle haben mal klein angefangen, Apple beispielsweise in einer Garage in Los Altos (Kalifornien). Facebook wurde im zweiten Semester seines Harvard-Studiums von Mark Zuckerberg und einigen Kommilitonen gegründet. An Milliardenumsätze und unumgängliche Bekanntheit war bei diesen Unternehmungen erst Jahre später zu denken. Das alles geschah fern von Deutschland, fern von Niedersachsen.

Natürlich hat Niedersachsen auch einige Big Player hervorgebracht, so Volkswagen mit etwa 670.000 Beschäftigten weltweit. Der Drogerie-Riese Rossmann hat als Familienunternehmen längst über den niedersächsischen Tellerrand hinausgeschaut und mittlerweile sieben Auslandsgesellschaften gegründet. Der Leibniz-Keks mit den patentierten 52 Zähnen von Bahlsen gehört auch zu einem der erfolgreichsten Exportschlager „made in Niedersachsen“. Es gibt sie also, die erfolgreichen Firmen und Erfolgsgeschichten aus Niedersachsen.

Quelle: Startup Monitor Niedersachsen 2021

Trotz alledem gibt es kein deutsches Google oder etwas vergleichbares. Dabei gibt es Grund zur Hoffnung. Laut Wirtschaftsministerium wurden in Niedersachsen während der Corona-Pandemie 19 Prozent mehr Unternehmen gegründet als vor der Corona-Pandemie. Außerdem liegt der Anteil an Gründerinnen in Niedersachsen (20 Prozent) recht deutlich über dem Bundesschnitt von 16 Prozent. Dies ist erfreulich. Der vertiefende Blick in die Daten des Bundesverbandes Deutsche Startups offenbart aber auch einige Probleme: Neugründungen konzentrieren sich oftmals auf städtische Bereiche: Von 106 Neugründungen im Jahr 2020 entfallen 43 auf die Landeshauptstadt Hannover, gefolgt von Braunschweig (9), dem Raum Osnabrück (9) und Göttingen (7). Dies ist logisch und im Bundesschnitt auch nicht anders. Großstädte bieten mehr Möglichkeiten für Neugründungen. Networking, Geld, Logistik – all das lässt sich in Großstädten schneller und leichter finden als auf dem Land – und Niedersachsen ist nun einmal ein Flächenland.

Das richtige Ökosystem, also die Zusammensetzung unterschiedlicher Faktoren rund um Gründungsabsichten, ist ein entscheidender Wegweiser für Erfolg oder Misserfolg eines Startups. Im Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt bewerten die niedersächsischen Startups die Verfügbarkeit von bezahlbaren Büroimmobilien und die Nähe zu Universitäten positiv. Die Nähe zu Universitäten mit jungen, klugen Köpfen ist besonders wichtig, schließlich entstehen nicht selten im Umfeld von Universitäten gute Geschäftsideen. Die Probleme aus Sicht der befragten Startups liegen in Kooperationsmöglichkeiten mit etablierten Unternehmen (Niedersachsen: 29,5 Prozent; bundesweit: 37,6 Prozent), im Networking mit anderen Gründern (Niedersachsen: 56,9 Prozent; bundesweit: 68,1 Prozent), beim Zugang zu Kapital und Investitionen (Niedersachsen: 17,1 Prozent; bundesweit: 30,1 Prozent) und in der Anziehungskraft für Talente von außerhalb (Niedersachsen: 23,1 Prozent; bundesweit: 48,3 Prozent).

Quelle: Startup Monitor Niedersachsen 2021

Spargelland ist Niedersachsen ohne Zweifel, Startup-Land jedoch nach Eigenauskunft niedersächsischer Startups nicht unbedingt. Dies sollte der neuen Landesregierung zu denken geben. Wenn wir in Zukunft an Startups oder kluge Geschäftsideen denken, dürfen diese nicht ausschließlich mit Berlin oder Hamburg assoziiert werden. Es braucht kluge sowie mutige Standortpolitik und mehr Engagement, um Geschäftsideen und die Köpfe dahinter zu fördern, bevor diese den Weg in aussichtsreichere Städte suchen. Kooperationsmöglichkeiten mit Unternehmen und Zugang zu Kapital gibt es seitens der N-Bank in vielfältiger Weise. Für jeden Kapitalbedarf gibt es ein Kredit- oder Beteiligungsprogramm. Warum fällt die Bewertung in Niedersachsen für den Zugang zu Kapital so negativ aus? Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang mit der geringen Anziehungskraft für Talente von außerhalb, welche in Niedersachsen besonders schlecht ausfällt: Niedersachsen ist für Gründer nicht sexy genug, hat geradezu ein Imageproblem als Gründungsstandort! Berlin gibt als Metropole mit internationalem Flair schlichtweg viel mehr her, ist interessanter, vernetzter, offener. Wer will da schon nach Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück oder Göttingen? Der neue Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) räumte gestern im Wissenschaftsausschuss des Landtags ein, dass es für die effektive Unterstützung von Startups oft an einer entschlossenen und unbürokratischen Förderung mangele. Die Innovationsstrategie sei noch nicht optimal.

Quelle: Startup Monitor Niedersachsen 2021

In Niedersachsen gibt es in jeder Großstadt Startup-Zentren, Treffpunkte für Gründer und Räume für Ideen und Kreativität. Aber das reicht nicht! Gründer brauchen Freiheiten und weniger Bürokratie. Und die Landesregierung muss mehr Risiken eingehen, Startups endlich als Investition begreifen und mit echten Finanzspritzen dafür sorgen, dass Ideen umgesetzt werden und wachsen können. Nicht jedes Startup wird erfolgreich, geschweige denn das nächste Facebook. Aber mit reinen Absichtserklärungen und wenig lukrativen Kreditangeboten ist es hier nicht getan. Die Landesregierung muss einerseits begreifen, dass die klassische Festanstellung zwar die beliebteste Form der Erwerbstätigkeit in Niedersachsen ist. Andererseits muss der Mut derjenigen belohnt werden, die an ihreGeschäftsidee glauben und eine Firma gründen. „Think different“ war lange Zeit der Slogan von Apple, ursprünglich auch als Startup gestartet. Anders, modern, kreativ und mutig denken im Umgang mit Geschäftsideen und Innovationen – das sollte in Zukunft auch ein neues Startup in Niedersachsen, nämlich die kommende Landesregierung bei den Verhandlungen über Unterstützungsmöglichkeiten für Gründungen in Niedersachsen.   

Dieser Artikel erschien am 6.12.2022 in Ausgabe #217.
Tomas Lada
AutorTomas Lada

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