Wenn Sie jeden Schwachsinn digitalisieren, haben sie am Ende jede Menge digitalen Schwachsinn
Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, aber sie bietet auch große Chancen. Das wird beim Fachkräftekongress immer wieder deutlich. „Mit Digitalisierung geht oft die Befürchtung vor Jobverlusten im großen Stil einher“, sagt Volker Schmidt. „Vielmehr werden wir aber insbesondere in den industrieaffinen Bereichen eher mit einem Tätigkeitswandel innerhalb des Jobs zu tun bekommen. Das beständige Lernen am Arbeitsplatz wird dabei essentiell.“ Für die Unternehmen bedeutet das: der Faktor Weiterbildung wird in Zukunft noch wichtiger.
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Länder, die sich bei den Mitarbeitern zwischen ungelernt und Hochschulausbildung bewegen, werden Probleme bekommen, sagt iw Köln-Chef Michael Hüther - Foto: Herzig[/caption]
Auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, hält zu große Sorgen vor Jobverlusten durch die Digitalisierung nicht für angebracht. Er präsentiert eine Umfrage, nach der die überwiegende Mehrheit der Unternehmer für die Zukunft von einer stabilen oder sogar höheren Mitarbeiterzahl ausgeht. „Es gibt eher positive Signale, was die Beschäftigung angeht. Die Flexibilität der dualen Ausbildung ist dabei auch ein wichtiger und positiver Faktor“, erklärt der iw Köln-Direktor. „Länder, die sich bei den Mitarbeitern dagegen zwischen ungelernt und Hochschulausbildung bewegen, werden Probleme bekommen.“ Man müsse aber das Thema Digitalisierung und vor allem Industrie 4.0 noch stärker erklären. „Industrie 4.0 ist wie die Stadt Hannover“, so Hüther. Hannover sei hierzulande völlig unterbewertet. Und in den USA wisse niemand, was überhaupt Industrie 4.0 sein. „Man muss die Imagefrage ernst nehmen, weil es in der Vermittlung nach außen ein zentrales Thema ist“, so Hüther.
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Zugleich warnt der Wirtschaftsforscher, neben der Digitalisierung die demographische Entwicklung aus dem Blick zu verlieren. Dabei nehme er in den Wahlprogrammen sämtlicher Parteien Verantwortungslosigkeit wahr. „Das wird die letzte Legislaturperiode, in der es in Deutschland demographisch noch geschmeidig vonstattengeht. Wir werden älter und diverser.“ Für Hüther ist das ein zentrales Thema. „Dadurch verschwinden sehr zügig Menschen und damit auch Arbeitsvolumen in einer Größenordnung, der man sich stellen muss. Auch Niedersachsen ist von dieser Dynamik betroffen.“ Erheblich Nachwuchsprobleme werde es gerade in den naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern geben.
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Die Politik nehme den demographischen Wandel durchaus ernst, sagt dagegen Wirtschaftsminister Olaf Lies. Allerdings schreite die Digitalisierung in einem Tempo voran, das mit anderen technologischen und industriellen Entwicklungen vergangener Jahrhunderte gar nicht zu vergleichen sei. Und hinzu komme noch der demographische Wandel. „Vielleicht gehen wir beide Themeb aber zu stark einzeln an, wir müsse sie in Einklang bringen“, so Lies. So müsse man sich nicht auf den Fachkräftemangel in Branchen fokussieren, die aufgrund der Digitalisierung künftig weniger Bedarf haben werden. In anderen Bereichen, wie zum Beispiel in den Pflegeberufen, gebe es ganz andere Herausforderungen in Bezug auf Fachkräfte. „Wir müssen die Herausforderungen der Digitalisierung und der Demographie auf eine Ebene ziehen“, meint Lies.
Am Ende muss man es mit der Digitalisierung aber auch nicht übertreiben. Darauf macht Andreas Röders, Geschäftsführer des gleichnamigen Industrieunternehmens in Soltau aufmerksam: „Wenn Sie jeden Schwachsinn digitalisieren, haben sie am Ende jede Menge digitalen Schwachsinn.“ (MB.)


