„Der seriellen, modularen und systemischen Bauweise gehört die Zukunft“, sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz. Wenn es nach der SPD-Politikerin geht, soll die Industrialisierung der Bauwirtschaft den Wohnungsbau wieder in Fahrt bringen und bezahlbarer machen. „Durch Vorfertigungen lassen sich Bauzeiten verkürzen, Baumaterialien einsparen und der Fortschritt auf der Baustelle ist weniger abhängig vom Wetter“, lobt Geywitz die Vorzüge des Serienbaus.

Kritiker halten allerdings dagegen: In der Praxis bewiesen sei all das noch nicht. Das „Haus von der Stange“ werde außerdem nur dann wirklich günstiger sein, wenn es in großen Stückzahlen produziert wird, was zu einer architektonischen Verödung der Vororte führen könnte. Kommt der Plattenbau von morgen nicht mehr mit Waschbeton, aber in neumodischer Holzoptik daher?
„Uns wird immer vorgeworfen: Modulgebäude sind Billiggebäude. Darauf kann ich nur erwidern: Das ist totaler Quatsch. Und um mal mit dem Vorurteil aufzuräumen: Die Mieter fühlen sich sehr wohl in unseren Gebäuden“, berichtet Felix Jens von der Alho-Systembau GmbH. Das bundesweit tätige Unternehmen aus Rheinland-Pfalz zählt zu den Pionieren im Modulbau und hat auch schon in Niedersachsen seine Spuren hinterlassen: Für die Universität Oldenburg baute Alho mehrere Seminar-, Verwaltungs- und Laborgebäude, für das Studentenwerk Ost-Niedersachsen ein Wohnheim in Brauschweig und für die Kreiswohnbaugesellschaft Hildesheim (KWG) ein Mehrfamilienhaus als typisches Projekt innerstädtischer Nachverdichtung.
Dieses erste modulare Wohngebäude Niedersachsens entstand vor vier Jahren in einer rekordverdächtigen Bauzeit von gerade mal fünf Monaten, der Rohbau mitten in einem Wohngebiet in Sarstedt (Kreis Hildesheim) dauerte sogar nur vier Tage. Was die Baukosten betrifft, habe sich der Modulbau zwar kaum von der konventionellen Bautechnik unterschieden. Angesichts des bereits dicht bebauten Umfelds war die kurze Bauzeit aus Sicht des kommunalen Wohnungsunternehmens aber ein großer Pluspunkt. „Optisch wie haptisch sind keine Unterschiede zum Massivbau zu erkennen. Das gilt für die Innenräume ebenso wie für die Fassade. Nach meinem Verständnis kann man da nichts besser machen“, lobte KWG-Projektleiter Stefan Mai nach der Fertigstellung. Bislang ist es allerdings das erste und einzige Modulbauprojekt der Hildesheimer Kreiswohnbaugesellschaft geblieben.

„Schnelle Bauzeit, hohe Effizienz und Kostensicherheit“ sind laut Bauingenieur Jens, der seinen Master in Modulbau gemacht hat, die großen Stärken des Systembaus. Überraschungen versucht die „Raumfabrik“ Alho bereits ab Werk auszuschließen. „Vor Produktionsstart wird bereits alles detailliert ausgeplant – von der Statik über Brandschutz, Elektrik und technischer Gebäudeausrüstung bis hin zur Nachhaltigkeit“, sagt Jens. Ein Modulgebäude lasse sich komplett zurückbauen und anschließend wieder sortenrein in seine Wertstoffe zerlegen. „Bei unseren Gebäuden können wir bis zu 90 Prozent der Materialien recyclen und in den Wertstoffkreislauf wieder zurückführen“, so der Alho-Experte.
Möglich sei dies durch den Einsatz von Holz und Stahl. In Dortmund baut das Unternehmen derzeit sogar erstmals ein Gymnasium unter der Verwendung von ausschließlich grünem Stahl, was den ökologischen Fußabdruck nochmal senkt. Die Baufirma macht folgende Rechnung auf: Wäre das Schulgebäude in Massivbauweise erstellt worden, hätte der CO2-Ausstoß beim Bau etwa 1100 Tonnen betragen. Durch die Stahlmodulbauweise sinken die Treibhausgasemissionen auf 880 Tonnen und durch den Grünstahl sogar auf 770 Tonnen. Die CO2-Einsparung liege also bei 30 Prozent.

Die Stahlbauweise hat aber noch einen anderen Vorteil. „Dadurch haben wir keine tragenden Innenwände und können einen Klassenraum problemlos vergrößern oder verkleinern“, sagt Jens. Auch der Zuschnitt einer Wohnung lasse sich dadurch leicht anpassen, wenn sich die Lebensumstände des Mieters geändert haben. Die „Königsdisziplin“ des Modulbaus sei jedoch der Abtransport der Module und der Wiederaufbau an anderer Stelle. Dass das geht, habe der Flugzeugbauer Airbus vorgemacht, der ein komplettes Modulgebäude aus Hamburg wegverlegt habe. „Die haben gesagt: Wir finden das Gebäude super, aber wir brauchen es nicht mehr an diesem Standort“, berichtet der Gebietsvertriebsleiter für Norddeutschland.
Zudem verweist er auf die wesentliche effizientere Materialnutzung beim Modulbau. „Die Produktion kann man sich ein bisschen wie in der Automobilindustrie vorstellen“, sagt er. Das führe nicht nur zu weniger Lärm und Staub auf der Baustelle, sondern auch dazu, dass weniger Verschnitt und Abfall entstehen. „Wenn das anfällt, schicken wir es zu den Herstellern zurück, damit die daraus wieder neue Baustoffe herstellen.“

Die Dornieden-Gruppe aus Mönchengladbach dagegen bleibt dem Massivbau treu. Auf die Preisexplosionen beim Wohnungsbau kennt das auf Reihen- und Einfamilienhäuser spezialisierte Bauunternehmen aber auch nur eine Antwort: Durch serielle Bauausführung die Kosten und Bauzeiten reduzieren. „Wir haben Häuser, die haben wir so schon 4000-mal gebaut. Da ist kein Fehler mehr drin und jeder auf der Baustelle weiß genau, was er zu tun hat, und wann er es zu tun hat“, sagt Markus Sack, Leiter der Niederlassung Nord in Hannover. „Wir bauen ein Doppel- und Reihenhaus in sieben bis acht Monaten. Bei Geschosswohnungsbau brauchen wir zwölf Monate bis zur Übergabe.“
Dieses Tempo ist aber nicht nur allein durch Standardisierung und ständige Wiederholung möglich – ohne Digitalisierung ginge es nicht. Bei Dornieden setzt man auf sogenannte Building Information Models (BIM), die etwa die Bauwerksplanung an einem digitalen Zwilling ermöglichen. Mittlerweile sei das Unternehmen hochdigitalisiert. „Um dahin zu kommen, haben wir aber auch sieben Jahre gebraucht. Bis man da angekommen ist, hat man einen enormen Kostenfaktor im Vorlauf. Stand heute hat aber kein Mittelständler die Möglichkeit, so viel Geld in die Hand zu nehmen“, sagt Sack.
Problematisch findet er auch, dass die Verwaltung bei dieser Digitalisierung nicht Schritt halten kann. „Ich habe alle Projekte im Computer. Ich könnte einfach einen Knopf drücken und den Antrag rüberschicken“, sagt er. Statt einem elektronischen Bauantragsverfahren sei es heute aber immer noch Alltag, zum Copyshop zu fahren und den Bauantrag in mehrfacher Ausführung für die Genehmigungsbehörde auszudrucken.

„Die Leute, die früher unsere hochpreisigen Häuser gekauft haben, die kaufen nun unsere günstigen. Und diejenigen, die die günstigen kaufen konnten, kommen gar nicht mehr durch die Finanzierung“, berichtet Sack. Der enorme Anstieg der Baupreise habe bei den potenziellen Häuslebauern zwar zunächst für einen Schock gesorgt, der werde jedoch allmählich überwunden. Mittlerweile hätten viele akzeptiert, dass die Rate für den Hauskauf nicht mehr bei 800 bis 900 Euro pro Monat liegt, sondern auch 2000 Euro übersteigen kann.
„Wir sehen, dass im bezahlbaren Segment noch Umsätze generiert werden können“, sagt Sack. Die Nachfrage nach neu gebauten Eigentumswohnungen sei allerdings auch in der niedrigen Preisklasse gering. „Verkäufe finden fast ausschließlich im Haussegment statt.“ Zudem würden sich die institutionellen Anleger derzeit noch zurückhalten, was den Wohnungsbau zusätzlich ausbremse.

„Früher lautete die Frage: Wieviel Geld kann ich für ein Haus nehmen? Heute heißt sie: Welche Rate ist der Erwerber bereit zu tragen?“, sagt Sack. Bei ihren Reihenhäusern vom Typ „Vista“ lässt die Dornieden-Gruppe deswegen alle Extras weg, die unnötig Geld kosten. Für den großen Befreiungsschlag reiche das aber nicht. „Die Energieeffizienz treibt die Kosten unnötig in die Höhe“, kritisiert der Immobilienexperte. Nicht nur mit dem von der Bundesregierung anvisierten Effizienzhausstandard EH40 geht Sack scharf ins Gericht. „Die Staatsquote muss runter“, fordert er.
Wie die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) in Kiel ausgerechnet hat, fallen aktuell etwa 37 von 100 Euro beim Wohnungsbau „von Staats wegen“ an. Diese Summe setzt sich etwa aus Grunderwerb- und Umsatzsteuern, Notarkosten, kommunalen Auflagen, technischen Baubestimmungen und energetischen Anforderungen zusammen. „Da haben wir einen Riesenhebel in der Hand, um die Baukosten zu senken“, sagt der Immobilienkenner. Er plädiert für eine Deckelung der Staatsquote auf 19 Prozent und appelliert an die Politik: „Spart die Kohle, damit alle Menschen günstiger wohnen können.“
