29. März 2023 · Landwirtschaft

Warum die Zahlen zum Nährstoffüberschuss zwar gut, aber in diesem Jahr ungenau sind

Bereits zum zehnten Mal hat Niedersachsens Landesregierung gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer ihren jährlichen Nährstoffbericht vorgelegt, nämlich am gestrigen Mittwoch. Die Zehnjahrestendenz lässt sich dabei sehen: Der Mineraldüngerabsatz ist seit dem Spitzenwert von 2017 rapide zurückgegangen und das Stickstoff-Düngesaldo ist laut Zahlen des statistischen Bundesamtes bereits seit 2014 deutlich rückläufig; im Berichtszeitraum lag es mit mehr als 16.000 Tonnen im negativen Bereich. Sogar die Entwicklung der Wirtschaftsdüngerexporte aus der Problemregion Weser-Ems war leicht rückläufig. Allein die Phosphat-Werte bereiten den Verantwortlichen noch Unbehagen.

Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) hat in diesem Jahr zum ersten Mal den Nährstoffbericht vorgestellt. | Foto: Kleinwächter

Für die noch neue Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) war es allerdings das erste Mal, dass sie die Zahlen zum Gülleaufkommen und Düngemitteleinsatz in Niedersachsen präsentieren durfte. Weil der Berichtszeitraum mit dem Juni 2022 einige Monate vor Amtsantritt des neuen rot-grünen Kabinetts endete, kann das, was sie vorgestellt hat, weder im Positiven noch im Negativen ihrer Politik zugerechnet werden. Ein sehr viel einschneidenderes Ereignis als die Regierungsbildung sorgte unterdessen für gewisse Ungenauigkeiten in dem vorgelegten Zahlenwerk. Immerhin vier der zwölf betrachteten Monate stehen nämlich unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine, der mit gestiegenen Energiekosten und Lieferschwierigkeiten sowie Preissteigerungen für Mineraldünger deutliche Auswirkungen auf den Agrarsektor gehabt haben dürfte.

Immerhin vier Monate des Berichtszeitraums werden vom Ukraine-Krieg bestimmt

Durch die gestiegenen Transportkosten sei weniger Dünger in andere Regionen verbracht worden, erläuterte Heinz-Hermann Wilkens, der in der Landwirtschaftskammer für das Berichtswesen im Düngerecht zuständig ist. Zusätzlich habe es aufgrund der Krisenphänomene und auch der Unsicherheiten im Schweinesektor unerwartete Leerstände in Ställen gegeben, die statistisch nicht abgebildet werden können. Das führe nun zu dem „speziellen Umstand“, wie Wilkens es nannte, dass es womöglich bei den vorgelegten Zahlen Verwerfungen geben könnte.

Dies ergibt sich daraus, dass als Grundlage für alle Berechnungen des Düngeberichts die Tierzahlen dienen, die zwischen April und Dezember 2021 (also vor Kriegsbeginn) an die Tierseuchenkasse gemeldet wurden. Diese Zahlen liegen erfahrungsgemäß immer leicht über den tatsächlichen Bestandszahlen. Um eine möglichst verlässliche Grundlage zu haben, greift man von Beginn an auf diesen Mittelwert zurück, der in etwa dem Stand vom Juni entsprechen soll. Von diesem gemittelten Bestandswert errechnet die Düngebehörde dann die zu erwartende Güllemenge, die gemäß der Tierzahlen zu erwarten ist.

Anschließend wird am Ende des Berichtszeitraums betrachtet, wie viel davon den entsprechenden Landkreis verlassen hat – und wie viel dann wiederum noch vor Ort verblieben sein muss. Haben sich nun aber die Tierzahlen in der Zwischenzeit entscheidend verändert, stimmt die geschätzte Güllemenge nicht mit der tatsächlich vorhandenen überein und es kommt zu einer gewissen statistischen Unschärfe: Es ist weniger vor Ort, als die Statistik glauben lässt.

In Vechta und Cloppenburg werden die Nitrat-Grenzwerte überschritten

Relevant sein dürfte diese Ungenauigkeit vermutlich insbesondere für den Landkreis Vechta, in dem die Schweinezahlen in der Realität wohl stärker zurückgegangen sein dürften als der Statistik zu entnehmen ist. Neben Vechta gehört auch der Landkreis Cloppenburg zu den beiden Gebieten, in denen der in der Düngeverordnung festgelegte Grenzwert von 170 Kilogramm Stickstoff, die pro Hektar aufgebracht werden dürfen, überschritten wurde. Knapp unterhalb dieser Grenze liegen der Landkreis Grafschaft Bentheim und die kreisfreie Stadt Wilhelmshaven, die beide gelb markiert sind. Im übrigen Land weist die Karte der Landwirtschaftskammer hell- bis dunkelgrüne Flächen aus, was gut ist.

Quelle: Landwirtschaftskammer

Trotz der insgesamt äußerst positiven Entwicklung beim Nitratüberschuss erklärte Agrarministerin Staudte am Mittwoch in Hannover: „Der aktuelle Nährstoffbericht zeigt, dass wir in Niedersachsen immer noch vor regionalen Problemen stehen und trotz richtiger Trends noch nicht am Ziel sind. Aufs ganze Land gerechnet wurden weniger organische und mineralische Dünger ausgebracht, aber es gibt weiterhin problematische Regionen, die die Werte entweder überschritten haben oder die knapp darunter liegen.“

Staudte: Nährstoffüberschüsse schaden der Gewässerqualität

Die Politik schaut bei den Nährstoffüberschüssen überhaupt nur deshalb so genau hin, weil sich die Ausschwemmungen aus der Landwirtschaft negativ auf die Gewässergüte auswirken. Seen, Bäche und Flüsse drohen „umzukippen“ und dann durch zu viel Pflanzenwachstum am Ende kein Leben mehr zu beherbergen, was die Biologie „Eutrophierung“ nennt. Und mit der Zeit gelangt das Nitrat auch ins Grundwasser. Staudte sorgt sich, dass noch immer bei jeder fünften Grundwassermessstelle im landwirtschaftlichen Teilnetz die Nitratwerte ansteigen, bei der Hälfte stagniere die Entwicklung. Nur bei einem Viertel seien die Werte fallend, erläuterte sie.

Quelle: Landwirtschaftskammer

Während die Tendenz beim Nitratüberschuss insgesamt aber in die richtige Richtung weist, bleiben die Phosphatmengen weiterhin ein Problem. In insgesamt zwölf Landkreisen und kreisfreien Städten weist die Landwirtschaftskammer ein positives Phosphat-Saldo aus. Auch hier stechen Cloppenburg und Vechta, aber auch die Grafschaft Bentheim und Oldenburg deutlich heraus.

Die Überschüsse seien insbesondere für das Grundwasser und die Oberflächengewässer ein großes Problem, sagte Staudte. Von dem EU-Ziel, bis 2027 eine gute Gewässerqualität erreicht zu haben, sei man noch ein gutes Stück entfernt. Aber nicht nur wegen der Umwelt möchte Staudte die Phosphatmenge begrenzen: „Wir müssen ein besonderes Augenmerk auf die Phosphatüberschüsse richten, die es künftig zu vermeiden gilt. Phosphor ist ein endlicher Rohstoff und die Auswirkungen des Abbaus auf die Umwelt und die Gesundheit der Beschäftigten sind in vielen Teilen der Welt problematisch.“

Angepasste Tierzahlen und mehr Beratung sollen Überschüsse weiter verringern

Für das, was die Ministerin vorgefunden hat, kann sie zwar nichts. Nun ist es aber an ihr, die Weichen dafür zu stellen, dass sich die Werte weiterhin und womöglich noch stärker in die gewünschte Richtung entwickeln. Ein Weg, eine ausgeglichenere Bilanz zu erreichen, kann aus Sicht der Grünen-Politikerin eine flächengebundene Tierhaltung sein. Dabei sollen Futtermenge, Tierzahlen und Gülle beziehungsweise Düngemittelaufkommen in einen sinnvollen Kreislauf gebracht werden. Auf Nachfrage erläuterte die Ministerin, dass dies eine Grundsatzfrage sei, die bei der Ausrichtung von Förderinstrumenten berücksichtigt werden solle. Zudem setze sich die Ministerin dafür ein, dass in den von Nährstoffüberschüssen betroffenen Regionen durch Gespräche und Beratung vor Ort eine bedarfsgerechte Düngung weiter unterstützt werden sollte. Bei diesen Runden, die es durchaus schon gibt, seien bereits jetzt der NLWKN, das LBEG und die regionalen Wasserverbände beteiligt.

Was die bedarfsgerechte Düngung betrifft, erläuterte Staudte, dass es hier durchaus Diskussionen darüber gebe, wie der Stand der Wissenschaft aussieht. Ihrer Ansicht nach sei es falsch, maximal zu düngen, um den vermeintlich besten Backweizen herzustellen, wenn weniger Düngemittel auch ausreichen würden. Häufig seien die Vorgaben des Handels noch zu hoch, hier laufe aber ein „guter Prozess“ der Aushandlung, den die Landesregierung bei Bedarf politisch unterstützen würde. Zudem ist davon auszugehen, dass die weiterhin sinkenden Tierzahlen und die Neubewertung der Gülle durch die Ackerbauern aufgrund der Lieferengpässe beim Mineraldünger von allein einen sparsameren Umgang mit den Nährstoffen bewirken werden.



Dass sich der positive Trend des Nährstoffberichts allerdings nicht auf die strengen Vorgaben der Düngeverordnung auswirkt und entsprechende Entlastungen bringt, sorgt beim niedersächsischen Landvolk für Unverständnis. „Für den Landesbauernverband ist es mehr als enttäuschend, dass die Erfolge vieler Betriebe im Gewässerschutz noch immer nicht durch Anpassungen im Düngerecht honoriert werden“, kritisiert Landvolkpräsident Holger Hennies. Ministerin Staudte kündigte unterdessen an, die Kritik der Landwirtschaft aufgreifen und in den kommenden Jahren ein verursachergerechtes System in der Landesdüngeverordnung integrieren zu wollen. Dabei solle eine effektive und zielgerichtete Bewertung und Kontrolle der ordnungsgemäßen Düngung in den Fokus gerückt werden – die vor allem durch das landeseigene digitale Meldeportal „Enni“ erreicht werden kann.

Dieser Artikel erschien am 30.3.2023 in Ausgabe #059.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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