Warum die quälend langsame Reform der Nord/LB ein Risiko bedeutet
Darum geht es: Über eine mögliche Generalreform der Nord/LB wird schon seit Monaten diskutiert. Aber der Entscheidungsprozess zieht sich noch hin – und das droht der Bank zu schaden. Ein Kommentar von Klaus Wallbaum.
Sieben Jahre ist es her, als der damalige niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) an einem Frühlingstag in Hannover politische Fakten schuf. Damals stand für die Nord/LB ein „Stresstest“ der EU-Bankenaufsicht kurz bevor, und Möllring spürte, dass dieser schiefgehen und mit einem viel zu niedrigen Rating für die Bank enden könne. Also ging der Minister entschlossen ans Werk: Im gerade tagenden Landtag verkündete er der staunenden Öffentlichkeit, dass das Land mal eben 600 Millionen Euro in die Nord/LB steckt, außerdem wurden „stille Einlagen“ des Landes in Höhe von 1,1 Milliarden Euro umgewandelt. Am Nachmittag des selben Tages waren die am Morgen angekündigten Schritte schon im Parlament beschlossen. „Überfallartig“ agiere Möllring, schrieb damals eine Zeitung in einer Mischung aus Bewunderung und Verwunderung. Die erhoffte Wirkung blieb nicht aus. Das Eigenkapital der Nord/LB wuchs rapide um 1,6 Milliarden Euro an, die Aufseher waren zufrieden, der Stresstest ging unspektakulär aus und die Krise war abgewendet.
Womöglich blickt der heutige Finanzminister Reinhold Hilbers sehnsuchtsvoll in die damalige Zeit zurück, die er als Landtagsabgeordneter miterlebt hat. Denn die Rahmenbedingungen, unter denen die schon traditionell nicht mit großem Eigenkapital ausgestattete Landesbank agiert, sind heute nicht besser als damals, eher schlechter. Doch eine schnelle und schlanke Lösung, wie sie Möllring im April 2011 noch durchsetzen konnte, wäre heute im Fall der Fälle wohl nicht mehr möglich. Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind nach der letzten Weltwirtschaftskrise die Regeln, unter denen Banken in der EU agieren können, viel strenger geworden. Zum anderen fehlt den Beteiligten die Kraft zu einer eigenständigen Rettungsaktion, sowohl rechtlich als auch finanziell. Neben dem Land Niedersachsen mit 59,1 Prozent sind die niedersächsischen Sparkassen mit 26,4 Prozent bisher der zweitgrößte Eigentümer. Nun haben diese schon vor Monaten intern signalisiert, dass sie bei der nächsten nötig werdenden Kapitalerhöhung nicht mitziehen können oder wollen. Das Land Niedersachsen könnte es angesichts der vollen Kassen wohl, würde heute aber wahrscheinlich Probleme mit den EU-Wettbewerbshütern bekommen. Ein solcher Schritt könnte schnell als unzulässige staatliche Beihilfe gewertet werden und ein EU-Bußgeldverfahren nach sich ziehen. Das will niemand riskieren.
Deshalb bleibt vermutlich am Ende nur der Weg, die Nord/LB für private Investoren zu öffnen. Sie müsste dazu ihren Charakter als öffentlich-rechtliche Körperschaft einbüßen. Die Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, die Sparkassen beider Länder und die Sparkassen aus Mecklenburg-Vorpommern, die gegenwärtig Eigentümer der Bank sind, könnten rasch in eine Minderheitenposition rutschen, vielleicht gar ganz ausscheiden. Eine „Landesbank“ in der klassischen Vorstellung, nämlich als ein Kreditinstitut, das auch im Sinne der Landesregierungen als Finanzier für bestimmte strukturpolitisch bedeutsame Projekte bereitsteht, wäre die Nord/LB dann vermutlich nicht mehr. Man müsste auch Sorge haben, ob die Arbeitsplätze bestehen bleiben, außerdem die Standorte und die Geschäftsfelder. Das alles wären höchst interessante Themen für Verhandlungen mit möglichen privaten Interessenten, von einigen rechtlichen Fragen einmal abgesehen. Würde eine Umwandlung der Bank in eine andere Rechtsform bedeuten, dass die bisherigen Eigentümer noch finanzielle Lasten zu tragen haben? Wenn ja, wie könnte man solche durch vertragliche Klauseln verkleinern? Ließe sich ein Einfluss Niedersachsens festlegen, auch wenn das Land nicht mehr größter Eigentümer ist?
Bei der HSH Nordbank, die vor knapp einem Monat in einem ersten Schritt erfolgversprechend privatisiert wurde, hat der ganze Prozess Jahre gedauert – und er ist auch noch lange nicht in trockenen Tüchern. Allerdings lag die HSH schon am Boden, das Image war bereits ramponiert, viel Schaden konnte die kräftezehrende Debatte nicht mehr anrichten. Bei der Nord/LB ist es anders, an ihrer Spitze stehen schon Sanierer, die beim Abbau der problematischen Schiffskredite auch bereits große Fortschritte verbuchen konnten. Kommt es jetzt bei der anstehenden Umstrukturierung zu Unwuchten oder wilden Gerüchten, so könnte das für das Ansehen der Nord/LB abträglich sein. Am besten wäre es, man zöge alles rasch durch – wie weiland unter Möllring. Aber das ist ungleich schwerer, weil die Aufgabe viel komplexer ist, die Zahl der Beteiligten viel größer ist und die nötigen Abstimmungsprozesse viel aufwendiger zu organisieren sind.
In der Haut von Finanzminister Hilbers, der zugleich Aufsichtsratschef der Nord/LB ist, möchte man derzeit nicht stecken. Er muss zugleich vorsichtig und entschlossen agieren – und dafür auch noch den richtigen Zeitpunkt finden.
Mail an den Autor dieses KommentarsDieser Artikel erschien in Ausgabe #58.