Warum die Onlineüberwachung für die Polizeiarbeit wichtig werden kann
Von Isabel Christian
Zur Strafverfolgung ist die Online-Durchsuchung über den Weg einer Spionagesoftware wie etwa dem „Bundestrojaner“ schon seit dem vergangenen Sommer erlaubt, jetzt sollen Niedersachsens Polizeibehörden auch präventiv Dateien durchsuchen und Internettelefonate von Verdächtigen abhören können. So steht es zumindest im Entwurf von SPD und CDU für ein neues niedersächsisches Polizeigesetz. Die Voraussetzungen für diesen sogenannten „verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme“ soll künftig der Paragraph 33d regeln. Kritiker sind empört, sprechen vom „Überwachungsstaat“ und schwerwiegendem Eingriff in die Privatsphäre.
Aus Sicht der Ermittlungsbehörden ändert sich jedoch gar nicht viel an den Kompetenzen für die Polizei. „Das Gesetz wird jetzt nur endlich angepasst an die Entwicklung der Kriminalitätslage“, sagt der niedersächsische Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Matthias Karsch. „Die Aufgabe der Polizei ist es, Straftaten zu verhindern, indem sie Spuren sucht und auswertet. Warum soll sie das nicht auch in der digitalen Welt tun dürfen?“, sagt Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Das gelte, zumal der Aktionsrahmen sehr eingeschränkt sei. „Es ist ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, das ist klar, aber die rechtlichen Hürden für das Ausspähen eines Computers oder eines Mobiltelefons sind so hoch und erfordern so viel Manpower, dass hier nicht mit einer massenhaften Überwachung gerechnet werden kann“, sagt Ingo Rau, Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentralstelle für Computerkriminalität bei der Staatsanwaltschaft Göttingen.
Polizei könnte im „Darknet“ mitlesen
Konkret geht es darum, den Ermittlungsbehörden zu erlauben, sich in den Computer oder das Mobiltelefon eines Verdächtigen einzuhacken, um dort Beweise für eine schwere Straftat oder deren Vorbereitung zu sammeln. „Heutzutage laufen sehr viele Aktivitäten von Kriminellen über das ,Darknet‘, die Server stehen etwa in Russland oder auf den Fidschi-Inseln, und deren Regierungen haben überhaupt kein Interesse, uns bei der Aufklärung von schweren Straftaten in unserem Land zu helfen“, sagt der hannoversche Kriminalbeamte Karsch. Als Beispiel nennt er etwa den Neonazi, der in Deutschland seinen ausländischen Nachbarn ermorden will. Im „Darknet“, dem verborgenen Teil des Internets, spricht er mit Gleichgesinnten über seine Pläne, doch der Server, auf dem dieser Chat gespeichert wird, steht in den USA. „Die deutsche Polizei, die den Neonazi kennt und einen Verdacht hegt, kann nun zwar im Rahmen der Amtshilfe die Herausgabe der Daten fordern. Die Amerikaner scheren sich wenig darum, eine Antwort braucht man in solchen Fällen nicht zu erwarten, wie die Praxis gezeigt hat“, sagt Karsch.
Der neue Paragraph im Polizeigesetz würde den Ermittlungsbeamten nun erlauben, das Gespräch im „Darknet“ mitzulesen, bevor es verschlüsselt und damit für die Ermittler verloren ist. Das ist die sogenannte Quellen-TKÜ (Technische Kommunikationsüberwachung). Gleiches gilt für die Online-Telefonie via Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Skype. „In der analogen Welt ist das Mithören von Telefongesprächen beim Verdacht auf eine schwere Straftat seit Jahrzehnten rechtlich möglich und niemand stellt es mehr infrage“, sagt der GdP-Vorsitzende Malchow. Der Unterschied hier liege lediglich darin, dass das Gespräch über das Internet und nicht über einen Telefonanbieter geführt werde.
Bei der Online-Durchsuchung dagegen gehe es darum, Spuren wie etwa Dokumente, Fotos oder ähnliches auf dem Computer des Verdächtigen zu suchen, um Beweise etwa für seinen Plan eines Terroranschlags oder für seinen Rauschgifthandel zu finden. Dazu installieren die Beamten einen sogenannten Trojaner auf dem PC des Verdächtigen, der relevante Dateien an die Polizei weiterleitet. „Man darf sich das nicht so vorstellen, dass da Polizisten tagelang vor Monitoren sitzen und Tausende Computer durchforsten“, sagt Karsch. Ein Trojaner könne nur gezielt losgeschickt werden, um nach bestimmten Stichwörtern und Zusammenhängen zu suchen. „Da wird also in der Regel schon das meiste, was nicht ermittlungsrelevant ist, herausgefiltert“, sagt Karsch.
Die Hürden sind hoch
Dennoch sind die Hürden für die Quellen-TKÜ und die Online-Durchsuchung in der Gefahrenabwehr hoch. Sie dürfen nur bei einer Gefahr für Leib, Leben und Freiheit einer Person sowie für den Schutz kritischer Infrastruktur einsetzt werden und auch nur, wenn ein Richter die bereits gegebene Beweislage als ausreichend ansieht und alle anderen Ermittlungsmethoden die Straftat nicht verhindern könnten. „Diese hohen Hürden sind auch richtig so, schließlich wollen wir als Polizei auch signalisieren, dass es uns um das Mittel als Möglichkeit an sich geht, und nicht um das Ausspähen möglichst vieler Verdächtiger“, sagt Malchow. Zahlen, wie oft die Quellen-TKÜ und die Online-Überwachung zur Strafverfolgung schon angewandt worden sind, gibt es nicht. Oberstaatsanwalt Rau kann sich jedoch in seinem Ermittlungsbereich an keinen einzigen Fall erinnern. „Seit es die neuen Paragrafen 100a und 100b in der Strafprozessordnung gibt, hatten wir noch kein Verfahren, in dem wir die Online-Durchsuchung oder die Quellen-TKÜ gebraucht hätten.“
Auch Malchow glaubt, dass diese Ermittlungsmethoden künftig nur in wenigen Fällen wirklich benötigt werden. Dennoch dürfe man geringe Nutzungszahlen nicht als Argument für angebliche Wertlosigkeit heranziehen. „Das ist ähnlich wie bei der Vorratsdatenspeicherung. Pro Jahr gibt es etwa 4000 Fälle von Kindesmissbrauch, in denen deutsche Sicherheitsbehörden Hinweise von ausländischen Ermittlern nicht weiterverfolgen können, weil es keine Vorratsdatenspeicherung gibt. Nur weil etwas also selten genutzt wird, heißt das nicht, dass es keinen Bedarf gibt“, betont der GdP-Bundesvorsitzende.