Darum geht es: Die Art und Weise, wie das Land Niedersachsen in den Besitz und damit in die Verantwortung für die Marienburg bei Pattensen kommt, lässt viele Vorbehalte bei den Politikern erkennen. Sie zögern völlig zu Recht. Ein Kommentar von Klaus Wallbaum.

Mit Neuschwanstein im Allgäu hat die Marienburg in der Region Hannover nicht viel gemein. Zum Schloss in Süddeutschland pilgern die Menschen aus der ganzen Welt, vergleichsweise bescheiden fällt dagegen der Besucherstrom hierzulande aus. Das mag daran liegen, dass der Mythos des sagenumwobenen Märchenkönig Ludwig II. auf der ganzen Welt etwas Geheimnisvolles und Reizvolles ausstrahlt. Im Vergleich dazu sind die Welfen eher nüchterne und einfache Zeitgenossen gewesen, keine Träumer oder Phantasten. Aber mal unterstellt, das Tourismusmanagement in Niedersachsen wäre künftig ähnlich auf Zack wie das in Bayern, könnte es dann gelingen, die Marienburg viel stärker als heute zum Ausflugsziel zu machen?

Dieses Ziel kann jetzt angesteuert werden, denn auf recht umständliche Weise geht das Eigentum an der Marienburg demnächst in das des Landes über. Das geschieht allerdings derart holprig auf verschlungenen Wegen, dass man die Skepsis der Landespolitiker geradezu riechen kann. Als sich die Gelegenheit bot, hat das Land keineswegs beherzt zugegriffen und das Schloss freudig übernommen. Vielmehr hat man den Eindruck, die Regierung habe auf langen Druck endlich nachgegeben und widerwillig ja gesagt. Das genaue Konzept bleibt bisher auch noch unbestimmt. In der Landtagsopposition gibt es schon Stimmen, die der Regierung vorhalten, sie werfe in Wahrheit mit Nebelkerzen. Sollen mögliche Risiken und Nebenwirkungen zunächst verschleiert werden? Das Schloss steht auf einem Hang, der nachgibt. Die Sanierung wird immer dringlicher. Aber drohen die Kosten bei derart umfangreichen Sicherungsarbeiten am Ende zu explodieren?

Vor mehr als fünf Jahren, als noch David McAllister Ministerpräsident war, hatten die Welfen bereits Gespräche zur Übertragung der Marienburg in den Landesbesitz angeboten. Das Festjahr 2014, das den 300. Jahrestag der hannoverschen Könige auf Großbritanniens Thron beschrieb, hätte dafür der ideale Anlass sein können. Doch ein Jahr vorher wurde McAllister abgewählt, und die nachfolgende rot-grüne Landesregierung schaffte in fünf Jahren keinen Fortschritt in der Frage. Nun wurde die Sache wieder aktuell, unter anderem deshalb, weil dem Welfenhaus offenkundig das nötige Kleingeld für die umfangreichen Sanierungsarbeiten im Gebäude fehlt. Die Bundesregierung hat ihre Bereitschaft zur Finanzierung der Hälfte der geschätzten 27 Millionen Euro signalisiert, immerhin. Aber in den Liegenschaftsfonds, der eigentlich den Landesbesitz verwaltet, wollte Finanzminister Reinhold Hilbers die Burg nicht aufnehmen. Aus Sorge, dann den Klotz am Bein zu haben? Der Umweg über eine Tochtergesellschaft der Klosterkammer, die ihre Immobilien autonom und ohne Einfluss des Landtags verwaltet, hat im Endeffekt die folgende Wirkung: Irgendwann wird die Kammer an das Land herantreten und um Zuschüsse aus dem Etat für Denkmalpflege bitten – begehrt wird dann der Etat von Wissenschaftsminister Björn Thümler, nicht der von Hilbers. Die Klosterkammer selbst wäre wohl mit ihrem stattlichen Vermögen in der Lage gewesen, das Schloss auch selbst zu tragen, aber das soll der Kammerpräsident Hans-Christian Biallas abgelehnt haben. Alle sehen vor allem das Risiko.

Wer das verstehen will, muss zwei Aspekte beachten – die Erfahrungen Niedersachsens bei der Übernahme historischer Schätze und die Vorbehalte der Politik gegenüber dem Welfenhaus. Vor bald 40 Jahren erwarb der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht das Jagdschloss Nienover im Solling für 1,8 Millionen D-Mark, einige Jahre später versuchte man den Weiterverkauf an einen Amerikaner, der aber stellte sich als Betrüger heraus. Für 2,5 Millionen Euro musste das Anwesen später saniert werden, damit sich dann ein Käufer fand. Das war damals unterm Strich ein sehr unangenehmes Kapitel. Das Vertrauen vieler Landespolitiker in das Welfenhaus, dem jetzt für einen symbolischen Euro die Marienburg abgenommen wird, ist nicht sonderlich ausgeprägt. Das liegt weniger am derzeitigen Chef des Welfenhauses als vielmehr an seinem eigenwilligen und unkooperativen Vater. Die Bereitschaft bei CDU und vor allem SPD im Landtag, den Welfen tatkräftig zu helfen, war nicht sonderlich ausgeprägt. Deshalb scheint es auch von Vorteil zu sein, dass im derzeit diskutierten Modell keine ausdrückliche Zustimmung des Landtags zum Erwerb und zur Sanierung der Marienburg erforderlich ist. Wer weiß, ob überhaupt eine Mehrheit im Parlament dafür zustande gekommen wäre?


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Die Marienburg ist ein Schatz, ein Kulturgut besonderer Bedeutung. Das Land hat daher die Pflicht, das zu erhalten – wenn der bisherige Eigentümer dafür nicht mehr aufkommen kann. Wichtig und richtig ist, dass die Welfenfamilie dabei hilft und eigene Anteile einbringt. Unkalkulierbar bleibt das Vorhaben dennoch, es kann zum Fass ohne Boden werden. Doch verfallen lassen darf man dieses Schloss eben auch nicht.

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