Gestern hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Hannover den neuen Traditionserlass der Bundeswehr unterzeichnet. Darin wird nun eine starke Distanz der Streitkräfte gegen die im Zweiten Weltkrieg tätige deutsche Wehrmacht betont. Kritik daran lässt nun der Landrat des Landkreises Rotenburg/Wümme, Hermann Luttmann (CDU), anklingen.

„Die Wehrmacht als Institution kann niemals sinnstiftend sein“, hatte von der Leyen gesagt. Luttmann ist das zu pauschal argumentiert. Foto: Fotolia

Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick fordert er, die Bedeutung der Wehrmachtssoldaten für den Aufbau der Bundeswehr im demokratischen Staat nicht gering zu schätzen. Es seien nicht nur einzelne, sondern sehr viele bis 1945 aktive Soldaten gewesen, die sich am Aufbau der neuen Armee in der Bundesrepublik beteiligt hätten. „Deshalb ist es falsch, zu behaupten, die Bundeswehr habe mit der Wehrmacht nichts zu tun“, betont Luttmann. Im neuen, gestern von der Ministerin unterschriebenen Traditionserlass steht: „Für die Streitkräfte eines freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht sinnstiftend.“  In einem Interview erklärte von der Leyen: „Die Wehrmacht als Institution kann niemals sinnstiftend sein.“

Diese pauschale Antwort stößt bei Luttmann auf Widerspruch – die Ministerin verkenne, sagt er, dass „die Bundeswehr ohne das Wirken sehr vieler Wehrmachtssoldaten überhaupt nicht vorstellbar ist“. Man dürfe die Institution von damals nicht mit dem verbrecherischen NS-Regime und dessen unmenschlicher Politik gleichsetzen, ungeachtet der Tatsache, dass Wehrmachtssoldaten auch an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen waren.

Ich bin nach den mir vorliegenden Erkenntnissen überzeugt, dass Helmut Lent kein Nazi war.

Hermann Luttmann

Luttmann verknüpft seine Kritik mit einem Appell an von der Leyen: Wenn das Bundesverteidigungsministerium demnächst darüber befindet, ob die nach dem 1944 gefallenen Soldaten Helmut Lent benannt bleiben soll, dann sollten nicht pauschale Urteile über die Wehrmacht den Ausschlag geben, sondern eine genaue Betrachtung der Rolle von Lent. Der Soldat war als „Nachtjäger“ eingesetzt und sollte britische Luftangriffe auf deutsche Städte bekämpfen. Er kam im Alter von 26 Jahren um, als sein Flugzeug zwischen Stade und Paderborn unter bisher nicht geklärten Umständen abgestürzt war. In Rotenburg trägt die dortige Kaserne seit 1964 den Namen Lent, und Luttmann sagt, er habe sich intensiv mit der Vita des Mannes beschäftigt. „Ich bin nach den mir vorliegenden Erkenntnissen überzeugt, dass er kein Nazi war.“ Zwar habe es Briefe an seine Untergebenen gegeben, in denen Durchhalteparolen verbreitet wurden – „aber das gehörte damals sicher zur Pflichtübung für Vorgesetzte.“ Lent sei – obwohl Wehrmachtsangehöriger – kein Kriegsverbrecher, kein Hitler-Anhänger und womöglich sogar jemand gewesen, der Kontakte zur Bekennenden Kirche hatte.

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Im vergangenen Jahr hatte von der Leyen in einem Interview Kritik daran anklingen lassen, dass die Kaserne nach Lent benannt wird. Unklar bleibt nun, ob die Ministerin die Umtaufung der Lent-Kaserne in Gang setzen will. Luttmann sagt: „Eines müsste klar sein: Wenn man einen solchen Schritt plant, müssen auch die Angehörigen des Betroffenen einbezogen werden.“ Der Landrat sieht nämlich die Gefahr, dass mit der Umbenennung Lent nachträglich ein Makel angeheftet bekommt, den er bisher nicht hatte – allein durch die Tatsache, dass die Kaserne seinen Namen dann nicht mehr tragen dürfte.

In Hannover ist gestern die Emmich-Cambrai-Kaserne, Sitz der Feldjäger-Schule der Streitkräfte, in „Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne“ umbenannt worden. Tobias Lagenstein war als junger Bundeswehrsoldat 2011 bei einem Anschlag während seines Einsatzes in Afghanistan gefallen. Bisher trug die Kaserne den Namen des preußischen Generals Otto von Emmich, der im Ersten Weltkrieg beim deutschen Einmarsch in Belgien beteiligt war – und den Namen der nordfranzösischen Stadt Cambrai, die im Ersten Weltkrieg von deutschen Soldaten besetzt worden war.