Der Hund gilt zwar als der beste Freund des Menschen, doch es gibt auch tragische Ausnahmen. Immer wieder mal kommt es zu gefährlichen Attacken von aggressiven Hunden, Statistiken zufolge sterben in Deutschland jährlich im Durchschnitt 3,3 Menschen durch einen Hundebiss. Erst kürzlich sorgte ein Fall in Oldenburg für Aufsehen, als ein Pitbull zuerst sechs Menschen gebissen hat, bevor er schließlich von der Polizei erschossen wurde.
Schnell findet man weitere Meldungen im Nachrichtenarchiv: Im Februar 2023 sprang in Loxstedt (Kreis Cuxhaven) ein Hund über den Gartenzaun und verletzte Passanten. Ende 2022 griff ein freilaufender Hund in Gifhorn sechs Menschen an. Im Februar 2022 hat die Polizei in Göttingen zwei Hunde nach einer Beißattacke auf den Besitzer erschießen müssen.

wieder zum Problem – für andere Hunde
oder sogar für den Menschen. | Foto: Zoran Kolundzija via GettyImages
Im Ernstfall kann die Polizei zwar eingreifen. Aber gänzlich verhindern lassen sich derartige Vorkommnisse dadurch wohl kaum. Allerdings hat die niedersächsische Politik bereits vor zwölf Jahren Vorkehrungen getroffen, die den Menschen vor gefährlichen Hunden besser schützen sollen. Das „niedersächsische Gesetz über das Halten von Hunden“ (NHundG) wurde 2011 fraktionsübergreifend beschlossen und sorgt seitdem dafür, dass die Kommunen die Gefährlichkeit von Hunden feststellen können. Gehalten werden dürfen solche Tiere dann nur noch mit einer Sondererlaubnis.
Jetzt steht eine Novelle des Gesetzes an, die das Landeskabinett am Mittwoch für die Verbandsbeteiligung freigegeben hat. Ziel dieser Gesetzesänderung ist es allerdings nicht in erster Linie, die Schutzmaßnahmen für den Menschen zu erhöhen. Vielmehr geht es Rot-Grün nun darum, auffällig gewordenen Hunden eine „Rehabilitationsmöglichkeit“ zu gewähren. Ist ein Hund nämlich erst einmal als aggressiv gebrandmarkt worden, wird er diesen Status nach aktueller Rechtslage zeitlebens nicht wieder los. Das soll sich ändern.
Insbesondere für Tierheime sei diese Novelle wichtig, erläuterte Christian Schroeder, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Denn aktuell sei es häufig so, dass auffällig gewordene Tiere von den Haltern abgegeben werden. Das mag daran liegen, dass ein Hundebesitzer erkennt, dass er mit der Situation überfordert und nicht in der Lage ist, das Tier ordentlich zu führen.
Es können aber auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen. Schließlich erheben viele Kommunen eine höhere Hundesteuer für die umgangssprachlich als Kampfhunde bezeichneten Tiere. Teilweise sei dieser Betrag zehnmal höher als bei harmlosen Artgenossen, weiß Schroeder aus eigener kommunalpolitischer Erfahrung zu berichten. Das Abschieben der Problemhunde ins Tierheim verursacht allerdings in den ohnehin überfüllten Einrichtungen noch mehr Druck. Denn die Tiere gelten als kaum bis gar nicht mehr vermittelbar, wenn sie erst einmal den Stempel des beißenden Vierbeiners aufgedrückt bekommen haben.

Dabei muss das gar nicht sein, sagen die Experten, die an der Gesetzesnovelle mitgewirkt haben. Mit entsprechendem Training könne ein Hund auch wieder auf Kurs gebracht werden, argumentieren sie. Künftig soll es deshalb laut Vorschlag der Landesregierung möglich sein, nach einer gewissen Zeit den Gefährlichkeitsgrad eines einst aggressiven Hundes vom Amtsarzt überprüfen zu lassen. Der Amtsarzt soll umgekehrt auch in Zukunft bei der Einstufung eines Tieres als „aggressiv“ die Verantwortung tragen. Damit möchte man die Entscheidungen auf eine fachlichere Grundlage stellen, denn bislang waren die Behörden allein dafür zuständig.
Frühestens zweieinhalb Jahre nach dem Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit der Anordnung, dass ein Hund nur mit Erlaubnis gehalten werden darf, soll ein entsprechender Antrag auf Neubewertung gestellt werden dürfen, teilte die Landesregierung am Mittwoch mit. Das Zeitfenster ist dabei nicht willkürlich gewählt, sondern es soll den Hundehaltern genügend Zeit geben, um das Tier mit entsprechendem Training zu einer dauerhaften Verhaltensänderung bewegen zu können.
Neben der Rehabilitations-Option nimmt die geplante Gesetzesänderung noch weitere Nachbesserungen auf. So soll das zentrale Hunde-Register des Agrarministeriums künftig auch Informationen über eine mögliche gesteigerte Aggressivität ausweisen, damit kein Tier aufgrund eines Umzugs des Halters durchs Raster fallen kann. Beibehalten werden soll im Hundehaltergesetz, dass es keine Liste über besonders gefährliche Rassen gibt. Man ist sich einig, dass fachlich nicht begründet werden könne, dass eine bestimmte Rasse oder körperliche Merkmale zu besonders aggressivem Verhalten führten. Das Problem, so die Auffassung der Regierung, befinde sich in der Regel am anderen Ende der Leine. Deshalb soll außerdem auch an den aktuell vorgeschriebenen Sachkundeanforderungen festgehalten werden.
"Wir dürfen den Schutz anderer Hunde und den Schutz von Menschen nicht aus dem Blick verlieren."
In den kommenden sechs Wochen können betroffene Verbände nun zum Gesetzentwurf Stellung nehmen, bevor er an den Landtag weitergeleitet wird. Dass dort noch nennenswerte Änderungswünsche vorgebracht werden, ist derweil nicht zu erwarten. Denn zum einen haben bereits zahlreiche Experten von den kommunalen Spitzenverbänden, der Tierärztekammer oder dem Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) an dem Entwurf vorab mitgewirkt. Zum anderen zeigt sich auch die Opposition weitgehend zufrieden mit dem Anliegen.

„Aus unserer Sicht ist besonders die neue, grundsätzliche Eröffnung von Rehabilitationsmöglichkeiten für Hunde nach Beißvorfällen ein Schritt im Sinne des Tierwohls“, sagte SPD-Agrarsprecherin Karin Logemann dem Politikjournal Rundblick und auch Marco Mohrmann, der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, erklärte auf Anfrage fast gleichlautend: „Eine Rehabilitationsmöglichkeit für Hunde begrüßen wir grundsätzlich aus Tierschutzgründen. Es ist aber gut, dass diese an strenge Voraussetzungen gebunden ist. Wir dürfen zudem den Schutz anderer Hunde und den Schutz von Menschen nicht aus dem Blick verlieren.“ Konkrete Vorfälle, wie etwa im November 2022 im Georgengarten in Hannover hätten gezeigt, dass auch von einem Hund, der den Wesenstest bestanden hat, unter Umständen eine erhebliche Gefahr ausgehen kann, führte der CDU-Politiker aus und forderte von Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne), notwendige Fort- und Weiterbildungen für Amtsveterinäre kurzfristig anzubieten.
"Wichtig ist aber, dass die Prüfungen, ob ein Hund tatsächlich weniger aggressiv geworden ist, mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden."
Zu besonderer Sorgfalt bei der Überprüfung der Tiere mahnt auch Alfred Dannenberg von der AfD. Auch er begrüßt die Gesetzesänderung, vor allem, weil „erkannt wurde, dass Fehler nicht primär beim Hund sondern beim Halter zu suchen sind“ und weil die Rasselisten ausgeschlossen werden. Er fügte allerdings an: „Wichtig ist aber, dass die Prüfungen, ob ein Hund tatsächlich weniger aggressiv geworden ist, mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden.“ Dieser Forderung kann vermutlich auch Schroeder von den Grünen zustimmen, der im Rundblick-Gespräch bereits darauf verwies, dass bei der Bewertung durch die Amtstierärzte einheitliche Standards gelten müssten, damit es keine unterschiedlichen Bewertungen je nach Landkreis gibt. Bei so viel Einigkeit steht einer Rehabilitation ehemals aggressiver Hunde künftig wohl nichts mehr im Wege.