Warum die Klosterkammer immer noch keinen neuen Präsidenten hat – aber dringend einen braucht
Es war noch im Jahr 2021, so im Herbst, da sprach der damalige Präsident der Klosterkammer, Hans-Christian Biallas, über sein mögliches Ausscheiden aus dem Amt. Er könne sich noch einmal wiederwählen lassen, aber neige nicht dazu. In den folgenden Wochen gab es dramatische Entwicklungen. Biallas wurde schwer krank – und starb Ende Februar 2022. Ein möglicher Weg der Nachfolgesuche wurde vom damaligen Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) eingeschlagen: Man könne die Stelle ausschreiben, Bewerbungen ansehen und dann im Kabinett entscheiden. Doch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bremste Thümler: Vor der Landtagswahl, hieß es aus der Staatskanzlei, solle die Personalie nicht mehr entschieden werden. Sondern eher danach.
Jetzt liegt die Landtagswahl mehr als drei Monate zurück, aber eine Ausschreibung zur Suche des neuen Präsidenten der Klosterkammer gibt es bis heute nicht. Das lässt Vermutungen hochkochen, es werde eine „politische Besetzung“ geben. Ein Beamter aus einem Ministerium könnte auf die freie Stelle versetzt werden (denn schließlich ist die Klosterkammer formal eine Landesbehörde), oder ein Politiker könnte in diese Funktion wechseln. Axel Freiherr von Campenhausen, der 1978 in dieses Amt gelangte, war vorher Staatssekretär gewesen. Sigrid Maier-Knapp-Herbst, die 2004 kam, arbeitete vorher als Dezernentin in Celle und gehörte dem Koalitionspartner FDP an. Biallas selbst war zuvor Landtagsabgeordneter, als er 2011 zum Zuge kam. Und wer kann es jetzt werden? Der heutige kleine Koalitionspartner, die Grünen, hat objektiv noch Nachholbedarf bei der Besetzung lukrativer Stellen. Nun hat aber gerade die Amtszeit von Biallas, als die Klosterkammer wegen der Untreue eines Pächters im Kloster Wöltingerode in die Schlagzeilen geraten war, ein Defizit offenbart: Juristischer und betriebswirtschaftlicher Sachverstand, einschließlich eines guten Controllings, sind für die Spitze dieser Einrichtung absolut notwendig. Politisches Fingerspitzengefühl ist sicher die Grundvoraussetzung, zumal die Kammer viel mit der Politik zu tun hat – aber allein reicht das vermutlich nicht aus.
Was macht denn nur dieses Amt so reizvoll? Der Präsident der Klosterkammer residiert in einem repräsentativen Gebäude in Hannovers Innenstadt, das im Innern wie ein Schloss wirkt. Er schaltet und waltet über landesweit 17 Klöster und Stifte, 43 Kirchen, 40.000 Hektar Grundbesitz von Land- und Waldflächen. Die Kammer hat Verträge mit mehr als 16.000 Hausbesitzern, die auf Erbpacht-Grundstücken wohnen, und sie wacht über 800 denkmalgeschützte Bauten in ihrem Eigentum. Jährliche Erträge von 43,3 Millionen Euro (2021) zeigen, wie lukrativ dieses Unternehmen ist. Der Präsident hat einen Beirat an seiner Seite, aber bisherige Versuche, ihn mit einem parlamentarischen Gremium zu kontrollieren oder stärker zu steuern, sind stets gescheitert. Das ist historisch begründet. Der spätere hannoversche König Georg IV. hatte 1818 bei der Gründung des Klosterfonds bestimmt, dass die jeweilige Exekutive die Einnahmen des Fonds für „kirchliche, schulische und mildtätige Zwecke“ ausgeben soll. Daraus wurde seither stets abgeleitet (und gerichtlich bestätigt), dass die Kammer als Landesbehörde selbstständig entscheidet. Die Aufsicht im Wissenschaftsministerium beschränkt sich allein auf die rechtliche, nicht auf die sachliche Prüfung.
So sind es jährlich zwischen zwei und drei Millionen Euro, die von der Klosterkammer ausgegeben werden – querbeet im Land für Projekte in unterschiedlichen Landkreisen, verantwortet meist vom Präsidenten und geprüft von seiner Verwaltung, die seit Jahren unter der Leitung des Juristen Andreas Hesse steht. Hesse, der Kammerdirektor, ist längst nicht mehr nur „graue Eminenz“, sondern seit Biallas‘ Tod die eigentliche Spitze der Kammer mit ihren 160 Mitarbeitern. Nun ist es so, dass Hesse Mitte 2023 in den Ruhestand geht, womit eine zügige Neuaufstellung der Klosterkammer noch dringender wird.
Gesucht wird nicht nur ein Präsident an der Spitze, der die Leitlinien vorgibt, repräsentiert und die Abläufe überwacht, sondern auch ein guter Verwaltungschef für die juristische und kaufmännische Abwicklung und Kontrolle aller Vorgänge. Und da die Klosterkammer viel mit Klöstern, Kirchenbauten und früherem Kirchenbesitz zu tun hat, ist eine gute Verbindung der Führung zur evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers zwingend. Nur: Auch in der Kirche wundert man sich schon, warum sich die Landesregierung mit der Personalentscheidung so viel Zeit lässt. Liegt es vielleicht daran, dass SPD und Grüne im Kontakt mit der CDU ein „großes Paket“ schnüren wollen, eine Vereinbarung über viele Posten, die von Rechnungshof, Datenschutzbeauftragter und Staatsgerichtshof-Präsidenten bis zur Führung der Klosterkammer reicht? Wenn das so wäre, hätte es ja schon ein Gespräch in diese Richtung geben müssen – doch alle Beteiligten verneinen, wenn man sich nach derartigen Versuchen erkundigt.
So bleibt die Debattenlage unausgegoren. Früh hörte man Namen wie den der SPD-Landtagsabgeordneten Thela Wernstedt oder des CDU-Landtagsabgeordneten Dirk Toepffer – um dann entgegnet zu bekommen, beide stünden wohl nicht oben auf der Wunschliste von Ministerpräsident Stephan Weil. Toepffer nicht, weil er ein Christdemokrat ist, Wernstedt nicht, weil sie in der SPD nicht nur Freunde hat. Spekuliert wurde über die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr, die der CDU angehört, aber abgewinkt haben soll. Sie hätte auf jeden Fall ein Profil, das überregional Wirkung haben könnte. Dann wurde über einige leitende Beamte der Landesregierung nachgedacht, zugleich aber verbreitete sich das Gerücht, „die hannoversche Stadtgesellschaft“ poche auf eine schon bekannte und profilierte Persönlichkeit. Es dürfe nicht der Verdacht aufkommen, hier solle jemand mit einem Posten versorgt werden. Die frühere Landesministerin Birgit Honé (SPD) wurde genannt, doch sie hatte sich nach der Landtagswahl ganz bewusst aus der ersten Reihe der Politik verabschiedet und müsste diese Grundsatzentscheidung jetzt wieder rückgängig machen.
Manchmal hat man jetzt das Gefühl, dass die Latte der Anforderungen an die auszuwählende Person mit der Dauer der Vakanz der Präsidentenstelle immer höher gelegt worden ist. Nun lässt sich der Diskussionsstand wie folgt zusammenfassen: Eine Frau hätte sicher bessere Chancen als ein Mann, nur müsste sie bereits das haben, was man „ein Standing“ nennt – sie müsste in Kirchenkreisen geschätzt und geachtet sein. Wenn ein Kandidat käme, der eine politische Nähe zu den Grünen hat, wäre dieser sicher willkommen, denn das würde nach der bisherigen Arithmetik der Stellenbesetzungen bei Rot-Grün gut passen und würde generell die Ansprüche der Grünen in der Regierung bremsen.
Nur ist ebenfalls klar: Wenn man einen überzeugenden Namen hätte, der auch Bereitschaft für dieses Amt zeigen würde, wäre er wohl schon berufen worden. Es bleibt also schwierig. Mit jedem Tag ohne eine Ausschreibung schwindet die Chance, sich in der Öffentlichkeit gezielt auf die Suche nach einer interessierten Person zu begeben.
Dieser Artikel erschien am 17.01.2023 in der Ausgabe #007.
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