Warum der Kultusminister früher nicht den Lehrerberuf lernen sollte
Von Isabel Christian
Manchmal wird er auch persönlich. Zum Beispiel, als er gefragt wird, was er denn mal werden wollte, als er noch Schüler war. „Lehrer“, platzt es aus Kultusminister Grant-Hendrik Tonne heraus. Kichern im Raum. „Echt?“ hakt ein Schüler nach. „Warum ist es nichts geworden?“ „Meine Mutter war Lehrerin und hat mir einen wohlmeinenden Tipp gegeben, was ich nicht machen will“, antwortet Tonne und grinst. Doch in der ersten Schülerpressekonferenz gestern im Landtag ging es nicht nur darum, den Menschen hinter dem Ministertitel näher kennenzulernen. Die etwa 30 Jungjournalisten von Schülerzeitungen, die auf Einladung des Kultusministeriums aus ganz Niedersachsen in den Raum der Landespressekonferenz gekommen waren, wollten vor allem über Tonnes Politik diskutieren.
https://soundcloud.com/user-385595761/das-wollte-grant-hendrik-tonne-als-kind-werden
„Sie sprechen von Digitalisierung in der Schule und wollen, dass wir dort mit modernen technischen Geräten arbeiten. Aber die Forderungen nach mehr Informatikunterricht verhallen ungehört. Wie passt das zusammen?“, will Nicole Käfer von der Schülerzeitung „SchollZ“ wissen. Auch bei dieser kritischen Nachfrage muss Tonne nicht lange überlegen, schließlich hatte er zum Einstieg in die Pressekonferenz das Digitalisierungsthema selbst angesprochen. „Die Forderungen verhallen nicht ungehört“, versichert er. Nur sei das nicht so leicht umzusehen. Denn auch wenn das Land zum neuen Schuljahr insgesamt 1921 neue Lehrer eingestellt hat, so decke das nicht den allgemeinen Bedarf und schon gar nicht den an Informatiklehrern. „Momentan sind wir dabei, den Lehrplan für die Klassen neun und zehn um den Informatikunterricht zu erweitern. Aber das geht nur schrittweise.“ Allerdings wolle er nicht missverstanden werden, betont Tonne: „Bei der Digitalisierung, die mir vorschwebt, geht es nicht darum, dass digitale Medien Lehrer ersetzen. Ich möchte, dass digitale Medien eine Ergänzung sind und ihr nicht nur lernt, wie ihr sie programmiert, sondern vor allem, wie ihr damit umgeht.“
In der Zwischenzeit wurden mehrere Schülerhände hochgestreckt. Viele haben sich Fragen aufgeschrieben, die sie nun loswerden wollen. „Wir haben vorher auch bei den Schülern und den Lehrern an unserer Schule herumgefragt, was sie denn vom Kultusminister wissen wollen“, sagt Nicole Käfer, die zusammen mit Yasmin Meyer das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Berenbostel bei Hannover besucht. Arthur Otte vom Ernst-Moriz Arndt-Gymnasium Herzberg darf die nächste Frage stellen – und will bei der Digitalisierung noch nicht lockerlassen. „Der Landeselternvorstand zeigt sich ja nicht gerade motiviert bei der Digitalisierung in Schulen, es wird ja befürchtet, dass Schüler dabei das Schreiben verlernen. Wie stehen Sie dazu?“ Bei dieser Antwort holt Tonne weiter aus. Er spricht von Infrastruktur, Medienkompetenzprogrammen und dem Anspruch, dass die moderne Technik natürlich nicht die grundlegenden Fähigkeiten ersetzen solle. „Überspitzt gesagt, es wird nicht das Lernen des Schreibens, Lesens und Rechnens rausgestrichen zugunsten des Spielens mit dem Handy.“ Doch würde sich Schule weiter auf das schreiben mit Zettel, Stift und Tafel beschränken, würde man sich von der Entwicklung in der Gesellschaft abkoppeln. „Und das kann nicht unser Anspruch sein.“
Die Digitalisierung der Schule ist noch mehrfach Thema. Doch die Schüler wollen auch Tonnes Einschätzung zu anderen gesellschaftlichen Themen hören. „Fänden Sie es richtig, wenn der Verfassungsschutz die AfD beobachten würde?“, will ein Junge wissen. „Hier antworte ich jetzt nicht als Vertreter der Landesregierung. Als Politiker aber sage ich: ja.“ Mila Refing von der Ernst-Reuter-Schule Pattensen greift eine Diskussion auf, die schon seit einigen Jahren immer wieder die Schüler beschäftigt. „Man sagt immer, die Schule soll einen aufs Leben vorbereiten. Aber so Fragen wie ,Wie zahle ich meine Steuern‘ werden gar nicht in der Schule besprochen.“ Tonne antwortet mit einem „entschiedenen Sowohl als auch.“ Seine frühere Reaktion, dass Schule auf das Leben vorbereiten solle, könne man durchaus so zusammenfassen. Auf der anderen Seite könne aber Schule nicht alles Wichtige vermitteln „Ich führe tatsächlich gerade eine intensive Diskussion darüber, wer Kindern beibringen muss, wie sie sich die Schuhe zubinden.“ Eine Kleinigkeit, die sich in eine lange Liste von weiteren Beispielen einfüge. „Da sage ich, es gibt auch eine Verantwortung des Elternhauses, sowas mal beizubringen.“
Anderthalb Stunden später schließlich sind keine Fragen mehr offen, zumindest die, die in großer Runde diskutiert werden sollen. Denn kaum ist die Konferenz beendet, wird Tonne von einigen Jungjournalisten umringt, die für ihr Medium noch ein paar exklusive Antworten einfangen wollen. Nicole Käfer und ihre Kollegin Yasmin Meyer packen zufrieden ihre Blöcke zusammen. „Wir sind tatsächlich alle Fragen losgeworden“, sagt Nicole. Ein bisschen ausweichend habe Tonne ja an einigen Stellen schon geantwortet, befindet Yasmin. „Aber ich war überrascht, wie offen er war, als es darum ging, wie sein Arbeitsalltag aussieht und ob er Angst vor den Aufgaben gehabt habe.“ In der nächsten Ausgabe der „SchollZ“ werden die Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums jedenfalls erfahren, dass Kultusminister Tonne vor knapp einem Jahr durchaus Bedenkzeit brauchte, bevor er sein Ministeramt angenommen hatte.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #155.