Hersteller geben Daten nicht preis
Die für den TÜV relevanten Daten zum Fahrzeugzustand sind in den Steuergeräten des Fahrzeugs gespeichert und über den OBD-Stecker abrufbar. „Nur PIN 7, über den die abgasrelevanten Daten abrufbar sind, ist international genormt“, sagt Eggers. Aber alle anderen Software- und Diagnosedaten, wie etwa Updates des Programms zur Motorsteuerung oder zur Funktion der Sensoren für den Bremsassistenten, werden von den Herstellern unterschiedlich gehandhabt. Und diese Daten geben die meisten Hersteller bis jetzt nicht preis. Das führt dazu, dass die Arbeit der TÜV-Prüfer mit ihrem Tablet schwierig ist. Ein Beispiel: Mit dem Bremsassistenten stimmt etwas nicht? Die Bremsen unter dem Auto sehen in Ordnung aus. Auch das Kabel, das den Sensor an den Bremsen mit dem Steuergerät verbindet, scheint intakt. Liegt der Fehler also im Sensor, im Steuergerät oder im Bordcomputer selbst? „Je mehr Elektronik im Auto verbaut ist, umso komplizierter wird die Fehlersuche“, sagt Eggers.Ein Ingenieursstudium reicht aus
Für die TÜV-Prüfer bedeutet das, dass jeder von ihnen fundierte Elektronikkenntnisse haben muss. „Moderne Autos haben bis zu 80 Steuergeräte und zig Sensoren. Das bedeutet ein Vielfaches an Fehlerquellen.“ Wo der Prüfer welches System in den jeweiligen Autotypen findet und wie es funktionieren sollte, zeigt die HU-Adapter-Software. Doch darüber hinaus muss der Prüfer mit seinem Wissen arbeiten. Einen Uniabschluss in Elektrotechnik erwartet Eggers dabei nicht. „Es reicht ein Ingenieurstudium, da sind Elektrotechnikanteile normalerweise schon enthalten.“ Und die Anwärter absolvieren ohnehin noch eine achtmonatige Ausbildung bei uns“, sagt Eggers. Und alle TÜV-Nord-Sachverständigen – auch die, die noch mit einem Kraftfahrzeugmeister eingestiegen sind – erhalten eine regelmäßige Weiterbildung „Vor drei Jahren haben wir umfangreich im Bereich Elektrotechnik geschult und wir führen regelmäßige Nachschulungen durch.“Freie Werkstätten bleiben außen vor
Bislang sträuben sich die Hersteller aus zwei Gründen gegen die Freigabe ihrer Daten. Zum einen, weil sie selbst erst die internen Strukturen schaffen müssen. „Viele Hersteller sind gerade erst dabei, detaillierte Datenbanken über die einzelnen Softwareupdates anzulegen“, sagt Eggers. Zum anderen gibt es jedoch Widerstand, weil die Hersteller durch die Freigabe der Daten Wettbewerbsnachteile befürchten. Etwa, dass die Konkurrenz neue Technologien einfach abschauen und nachprogrammieren könnte. Zudem können Software-Fehler momentan häufig nur in herstellereigenen Werkstätten behoben werden, freie Werkstätten können die Daten nicht auslesen. Für beides hat Eggers Gegenargumente. „Die Geheimnisse bleiben trotz der Freigabe gewahrt, denn wir wollen ja nicht die Quellcodes, sondern nur die Daten über den Verbau, den Zustand und die Funktion der elektronischen Systeme.“ Und wer tatsächlich kopieren oder tunen will und Hacker-Fähigkeiten besitzt, könne schon jetzt die Softwarecodes problemlos knacken.Lesen Sie auch: „Beim vernetzten Fahren ist Niedersachsen weit vorne“ Elektro-Autos: Auf dem Weg in die Zukunft nervt immer noch die Vergangenheit
Auch der ADAC möchte Zugriff auf die Daten, um seine Arbeit zu verbessern. Allerdings übertragen viele moderne Autos die Daten bereits per Mobilfunk an die Fahrzeughersteller, damit die Fehlercodes dem Pannendienst schon mitgegeben werden können, noch bevor er sich auf den Weg zum Fahrzeug macht. TÜV und ADAC setzen sich dafür ein, dass der Verbraucher anstelle des Herstellers bestimmt, wer die Daten aus ihrem Auto bekommt. „Ohne Zugriff auf Daten im Fahrzeug sind keine neuen Dienste oder die Weiterentwicklung bestehender Dienste rund um das Fahrzeug möglich“, sagt Christine Rettig, Sprecherin des ADAC Niedersachsen. Das wiederum benachteilige die Verbraucher, die quasi aufgezwungen bekämen, zu wem sie das Auto in die Reparatur bringen müssten, und hebele den freien Wettbewerb aus.
Die Realität sieht so aus, dass das Durchschnittsauto in Deutschland neuneinhalb Jahre alt ist.
Auch Eggers vertritt diesen Standpunkt. „Die Hersteller wollen natürlich, dass möglichst viele Menschen Neuwagen kaufen“, sagt Eggers. „Doch die Realität sieht so aus, dass das Durchschnittsauto in Deutschland neuneinhalb Jahre alt ist.“ Deren Reparatur übernähmen hauptsächlich freie Werkstätten. Und der TÜV müsse dafür Sorge tragen können, dass auch ältere, digitale Autos noch vollkommen verkehrssicher sind. Denn wie jedes Bauteil altern auch digitale Steuergeräte, Sensoren und Aktuatoren. „Computer hängen sich öfter auf, wenn sie lange in Betrieb waren. Und bei einem Bordcomputer im Auto kann das tödliche Folgen haben“, sagt Eggers. Dazu kommen kontinuierliche Softwareupdates. Dass die immer vorgenommen werden, darum müsse sich zurzeit der Fahrzeughersteller kümmern. „Aber wie kann ich nachprüfen, ob der Fahrzeughalter der Vorgabe des Herstellers nachkommt, wenn ich nicht erfahren kann, welche Softwareversion gerade auf dem System des Autos läuft?“ sagt Eggers.