Schon wieder ein schlechtes Zeugnis: Der jüngste IQB-Bildungstrend hat erneut gezeigt, dass die Kompetenzen der Neuntklässler deutlich nachlassen. Das gilt für das gesamte Bundesgebiet, in besonderem Maße aber auch für Niedersachsen. Doch die Wucht dieser Meldungen nutzt sich inzwischen schon ab, kommt sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Entsprechend routiniert sieht die Reaktion aus dem Kultusministerium aus: „Die Ergebnisse decken sich mit den Ergebnissen anderer Bildungsstudien und waren insofern erwartbar“, lautet der erste Satz einer Mitteilung des zuständigen Kultusministeriums. Immerhin heißt es dann weiter: „Gleichwohl sind sie deshalb nicht weniger schwierig und sie zeigen, dass hier insgesamt Handlungsbedarf besteht.“ Deutlicher ist die Kritik der oppositionellen CDU-Fraktion: „Wenn über ein Drittel unserer Neuntklässler in Mathematik nicht einmal die Mindeststandards für den Mittleren Schulabschluss erreichen, dann ist das alarmierend“, erklärte deren bildungspolitischer Sprecher Christian Fühner. Er fordert „eine umfassende Bildungsstrategie, die über punktuelle Maßnahmen hinausgeht“ und formuliert vier Ansätze: verbindliche Standards, gezielte Förderung, bessere Ausstattung der Schulen und eine Stärkung der Lehrkräfteausbildung.
Das Kultusministerium wiederum verweist auf verschiedene Maßnahmen, die jüngst bereits ergriffen worden seien: Die Stärkung basaler Kompetenzen bereits ab der Grundschule, angepasste Kerncurricula und Programme zur mentalen Gesundheitsförderung werden in der Pressemitteilung genannt. In der Landespressekonferenz ergänzte ein Sprecher des Ministeriums auf Nachfrage noch die Einführung digitaler Diagnosetools sowie den Sozialindex und das Startchancenprogramm, die dabei helfen sollen, die Versäumnisse der vergangenen Jahre wiedergutzumachen. Doch wann wirken diese Maßnahmen? Das vermag der Sprecher des Ministeriums in der Landespressekonferenz nicht zu prognostizieren. Klar ist nur: Dass seit dem vergangenen Jahr aufwachsend in der Grundschule ein bisschen mehr Unterricht in den Kernfächern erteilt wird, kann natürlich unmöglich bereits die Leistung der Neuntklässler im Jahr 2024 verbessert haben. Ebenso klar wird dadurch aber auch: Mindestens in den vergangenen zehn Jahren wurden die Kernfächer vernachlässigt, wurde zu wenig in die Sprachförderung investiert, gab es zu wenig Sozialarbeiter und um die Schulen in schwierigen Lagen hat man sich auch nicht ausreichend gekümmert – „zumindest nicht zielgerichtet genug“, ergänzte der Ministeriumssprecher.
Was der IQB-Bildungstrend jetzt ins öffentliche Bewusstsein befördert hat, ließ sich aus der Schulstatistik schon länger ablesen. Mit einer Quote von 8,7 Prozent liegt in Niedersachsen auch der Anteil der Schulabbrecher über dem Bundesdurchschnitt. Der Zusammenhang liegt nahe: Wer in der neunten Klasse die Bildungsstandards nicht erfüllt, schafft vermutlich keinen regulären Schulabschluss. Viele von ihnen dürften deshalb anschließend einen Platz an einer der sogenannten Berufseinstiegsschulen finden. Als Kultusministerin Julia Hamburg (Grüne) am Ende der Sommerferien die Schülerzahlen für das neue Schuljahr vorgestellt hat, wurde diese Schulform daher auch besonders erwähnt. Insgesamt bliebe die Anzahl der Schüler an den öffentlichen berufsbildenden Schulen gleich, erklärte die Ministerin. Allerdings gehe das auf die weiter steigenden Zahlen in den vollzeitschulischen Angeboten wie der Berufseinstiegsschule zurück. Im Vergleich zum Vorjahr gehe man von einem Anstieg der Schülerzahlen um 1000 Köpfe oder sieben Prozent aus. Die Berufseinstiegsschulen sind vielfach so etwas wie die „zweite Chance“ für Schüler, die auf dem regulären Weg ihren Schulabschluss nicht erreicht haben. Besonders gefragt ist diese besondere Form der Berufsschule derzeit aber wegen ihrer Sprach- und Integrationsklassen. Von über 14.000 Schülern in den Berufseinstiegsschulen besuchen fast 5000 die Vollzeitklassen für Sprache und Integration. Das Ziel dieser Kurse, die auch in Teilzeit-Modellen angeboten werden, ist letztlich die Vermittlung in eine duale Ausbildung oder in das Klassenmodell 2 der Berufseinstiegsschulen, in denen dann der Schulabschluss nachgeholt werden kann. Davor steht eine intensive Vermittlung der Sprache sowie von ersten Einblicken in die regionale Kultur- und Lebenswelt und in das Berufs- und Arbeitsleben.