Bei den Vertretern der Ampel-Koalition war am Dienstag ein Aufatmen spürbar. Das von der Bundestagsmehrheit im März 2023 beschlossene neue Bundestagswahlrecht ist in den wesentlichen Elementen vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Das heißt: Maßgeblich für die Sitzverteilung ist künftig allein das Verhältnis der Parteien nach dem Zweitstimmenergebnis. Die Überhang- und Ausgleichsmandate, die es bisher gab, entfallen nun. Überhangmandate entstanden, wenn eine Partei mehr Wahlkreise errungen hatte, als ihr laut Zweitstimmenergebnis zugestanden hatten. Ausgleichsmandate bekamen die anderen Parteien zugewiesen, damit das Zweitstimmenresultat nach den Überhangmandaten nicht verändert wird. In einem Punkt haben die Richter in Karlsruhe die Ampel-Reform gekippt: Es muss nach dem Urteil dabei bleiben, dass Parteien auch ins Parlament einziehen dürfen, wenn sie zwar die Fünf-Prozent-Klausel unterschreiten, aber mindestens drei Wahlkreise gewinnen. Davon könnten die Linkspartei und die CSU betroffen sein.

Christos Pantazis | Foto: Photothek

Die Reaktionen der Bundestagsabgeordneten aus Niedersachsen waren höchst unterschiedlich. Großes Lob kam vom Braunschweiger SPD-Vorsitzenden Christos Pantazis. „Diese Koalition hat etwas zustande gebracht, was anderen nicht möglich war“, sagte er dem Politikjournal Rundblick. „Nach jahrzehntelanger Blockade durch die Union kann der Bundestag nun endlich verkleinert werden“, betonte er. Was die Bedenken der Richter gegen die Drei-Wahlkreise-Regel angeht, werde die Koalition „in Ruhe beraten, ob wir das noch einmal anfassen“. Ähnlich zufrieden zeigte sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, der Niedersachse Helge Limburg. „Das ist ein großer Erfolg der Koalition“, betonte er. Dass es eine Korrektur bei der Drei-Wahlkreise-Regel gibt, werde die Akzeptanz des neuen Wahlrechts eher erhöhen, meint der Grünen-Politiker. Zu der Frage, ob man die Reform auch auf das niedersächsische Landtagswahlrecht ausdehnen sollte, gibt sich Limburg zurückhaltend. Dort sei „der Handlungsdruck nicht so groß“, da es hier bisher – im Unterschied zum Bundestag – nicht zu einer Aufblähung des Parlaments gekommen ist. Der FDP-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle, einer der Väter der Reform, sprach von einem „klugen Urteil“, das die Grundzüge der Pläne der Ampel-Koalition bestätige. Auch im Landtag, betonte Kuhle, müsse man aufpassen, dass Vorkehrungen gegen ein zu großes Wachstum der Abgeordnetenzahl getroffen werden. Mit dem Urteil sei nun auch klar, dass eine Fünf-Prozent-Hürde nur zulässig ist, wenn sie zur Sicherung der Funktionsfähigkeit eines Parlaments unerlässlich ist. Der Verein „Mehr Demokratie“ folgert aus dem Urteil, dass man die Fünf-Prozent-Hürde am besten ganz abschaffen sollte.

Hendrik Hoppenstedt: Foto: Tobias Koch

Ganz anders bewertet der CDU-Abgeordnete und hannoversche CDU-Bezirksvorsitzende Hendrik Hoppenstedt das Urteil. Karlsruhe habe geurteilt, dass nicht jeder Wahlkreissieger automatisch Anspruch auf einen Sitz im Bundestag hat. „Es widerspricht meinem Rechtsempfinden, dass der Wille einer Mehrheit der Wähler übergangen wird“, sagte Hoppenstedt dazu. Gleichzeitig kündigte er an: „Sobald es die parlamentarischen Mehrheiten zulassen, werden wir als CDU daher auf eine Änderung des Wahlrechts bestehen und zugleich die Größe des Bundestags begrenzen.“ Erfreut reagiert der Christdemokrat auf die Karlsruher Entscheidung, die von der Ampel beschlossene Abschaffung der Drei-Wahlkreise-Regel für verfassungswidrig zu erklären. (kw)