Die deutsche Autoindustrie schwächelt, vor allem VW: Der Absatz stagniert, sogar auf dem chinesischen Markt, der bisher von großen Hoffnungen begleitet worden war. Gleichzeitig bieten die Chinesen günstige E-Autos für den europäischen Markt an. Wie soll man reagieren? Wäre eine Kaufprämie für E-Autos, wie sie Ministerpräsident Stephan Weil vorgeschlagen hat, die Lösung?

Hier könnte ein E-Auto laden – die Nachfrage an emissionsfreien Pkw hält sich jedoch in Grenzen. Könnte eine neue Kaufprämie daran etwas ändern? | Foto: Link

PRO: Eine Kaufprämie für E-Autos, sofern man sie denn rechtlich auf die Produkte europäischer Hersteller eingrenzen kann, wäre eine große Hilfe für VW: Der Wandel in Richtung E-Mobilität nähme wieder an Fahrt auf. Deshalb ist der Gedanke nicht verkehrt, meint Klaus Wallbaum.

Natürlich liegen die Kritiker richtig, die rückblickend die „Abwrackprämie“ von 2009 als einen Fehler bezeichnen. Damals war die Automobilindustrie wie heute in einer Krise, eine Belebung des Absatzes war willkommen. Viele Interessierte entschieden sich zwar, ihren Neuwagenkauf vorzuziehen – doch für die folgenden Jahre herrschte damit erst Recht eine Flaute. Das war das oft beschriebene „Strohfeuer“, das sich damals bemerkbar machte. All jene, die staatliche Eingriffe in den Markt sowieso für Teufelszeug hielten, fühlten sich damals bestätigt.

Ein ID.4 wird im VW-Werk in Emden gefertigt. | Foto: Volkswagen AG

Warum sollte es heute anders sein? Es gibt einen wichtigen Grund: Die Krise der deutschen Autoindustrie und vor allem die von VW ist zu einem großen Teil auch strukturell bedingt, nicht nur konjunkturell. Die eine Seite ist diese: Die Produktionskosten in Deutschland sind zu hoch, die Werke sind vermutlich überdimensioniert. Dagegen hilft nun keine Kaufprämie, dagegen helfen wohl nur kluge Programme von Schrumpfung und Anpassung. Das kann für die Sozialpartner schmerzlich werden – zeigt aber auch umgekehrt, dass an dieser Stelle über viele Jahre die Augen vor den Problemen verschlossen wurden. Die andere Seite beschreibt eine technologische Herausforderung, denn die bisherige Verbrennertechnik ist auf dem Rückzug. Es sind für den Klimaschutz neue Wege nötig – und einer dieser Wege ist die E-Mobilität. Eine Kaufprämie für E-Autos, wie sie Stephan Weil vorschwebt, kann man – wenn man böswillig ist – als Teil einer „Umerziehung“ bezeichnen: Die Autofahrer sollen sich an die neue Technologie gewöhnen, sie sollen dazu verlockt werden, diese Technologie anzunehmen. Sie werden es nur tun, wenn die Produkte für sie auch erschwinglich sind. Dass der Markt für E-Autos nicht brummt, hat allerdings mehrere Gründe: Viele sind die Verbrenner-Fahrzeuge gewohnt und möchten diese nicht aufgeben. Dann herrscht bei vielen die Sorge, man könne auf längeren Strecken liegen bleiben und findet keine Ladesäule. Oder aber: Man findet eine Ladesäule, die aber braucht Stunden, bis man wieder genügend Saft hat, um die Fahrt fortsetzen zu können. Das Hauptargument aber, das potenzielle Käufer abschreckt, ist der viel zu hohe Preis im Vergleich zum Verbrennerfahrzeug – und übrigens auch im Vergleich zum E-Auto aus chinesischer Produktion.

Man mag staatliche Eingriffe in den Markt, noch dazu wenn sie ganz offen mit dem Zweck der „Umerziehung“ verknüpft sind, vehement ablehnen. Der reinen Lehre entspricht dieser Weg auch sicher nicht. Aber: Im niedersächsischen Interesse, also auch im Interesse von VW, liegt eine Belebung des Verkaufs deutscher E-Autos. Die Umstellung, die mit der sicheren Abkehr von der bisherigen Verbrennertechnik verknüpft ist, wird schon hart genug. Vermutlich droht ein drastischer Personalabbau, selbst wenn auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden sollte. Wenn der Staat diesen Prozess begleiten kann mit einer Prämie, die den E-Auto-Absatz ankurbelt, dann ist das willkommen. Das gilt übrigens ganz unabhängig von der Frage, ob nun in den E-Autos das Heil der automobilen Zukunft liegt. Ganz sicher sind E-Autos ein Weg, den öffentlichen Verkehr auf Klimaneutralität umzustellen. Ob sie der einzige Weg sein sollen oder können, ist in der Politik momentan heftig umstritten. Das aber ist eine strategische Diskussion, die auf die kommenden Jahre und Jahrzehnte abzielt.

Wer für die Kaufprämie für E-Autos eintritt, muss deshalb nicht auch sein bedingungsloses Ja zu dieser Technologie in der Zukunft ausgesprochen haben. Denn das eine sind Schritte mit dem kurzfristigen Ziel, die momentan vollen Lager an nicht verkauften E-Autos zu leeren – und das andere ist eine unternehmerische Entscheidung für Perspektiven in der Zukunft. Beides sollte man sorgsam auseinanderhalten.


CONTRA: Viele Politiker verlieren angesichts der nun offensichtlich gewordenen Krise der Automobilindustrie die Nerven. Die Rufe nach einer neuen E-Auto-Prämie werden lauter, aus der SPD kommt sogar die Forderung nach einer „Abwrackprämie 2.0“. Das löst jedoch die Probleme der deutschen Automobilindustrie nicht und wird bei Volkswagen keine Arbeitsplätze retten, meint Christian Wilhelm Link.

Dass sich die Bundespolitik ernsthafte Sorgen um den Automobilstandort Deutschland macht, kommt ein wenig zu spät. Die Bundesrepublik ist schon längst nicht mehr das Produktionszentrum der deutschen Autoindustrie: Volkswagen, BMW und Mercedes (inklusive aller ihrer Tochterunternehmen) lassen inzwischen weniger als 30 Prozent ihrer Fahrzeuge noch in Deutschland produzieren. Bereits 2018 wurde China zum wichtigsten Fertigungsstandort der deutschen Automobilindustrie, auch Osteuropa hat seit der Jahrtausendwende erheblich an Bedeutung gewonnen. Wie kann dieser Trend gestoppt werden? „Insbesondere, und das ist der große Ansatzpunkt, müssen wir uns in eine deutlich bessere Kostensituation bringen“, sagte VW-Chef Oliver Blume vor dem Auto-Krisengipfel am Montag in einem ZDF-Interview. Staatliche Kaufprämien nützen da wenig, insbesondere dann nicht, wenn sie für alle Hersteller gelten. Ministerpräsident Stephan Weil hofft zwar genau auf ein solches Konstrukt, das VW bevorteilt, während BYD leer ausgeht. Wie so eine Regelung jedoch aussehen könnte, hat Weil bislang nicht verraten. Dass das europäische Wettbewerbsrecht die Benachteiligung nicht-deutscher Autobauer bei einer Kaufprämie zulässt, klingt sehr nach Wunschdenken.

Der chinesische Autofrachter „Liao He Kou“ legt erstmals in Bremerhaven an. Das LNG-Schiff kann auf seinen 13 Decks bis zu 7500 Fahrzeuge transportieren. | Foto: BLG Logistics

Nun kann man natürlich darauf setzen, dass Volkswagen von einer Kaufprämie tendenziell mehr profitiert als seine Mitbewerber. Nimmt man die ehemalige Umweltprämie zum Maßstab, die die Ampel-Koalition so überhastet eingestampft hat, ist diese Erwartung sicherlich gerechtfertigt. Die Kernmarke VW war mit 310.000 Autos die Nummer Eins unter den Herstellern, die von den insgesamt 2,2 Millionen staatlich geförderten E-Auto-Käufen profitierten. Chinesische Marken wie Nio, Zhidou oder selbst BYD kamen so gut wie gar nicht in den Genuss der deutschen Subventionen. Allerdings drückt der chinesische E-Auto-Marktführer bei seinem Europa-Vertrieb gerade erst aufs Gaspedal: 2026 will BYD in Deutschland mindestens 120.000 Autos verkaufen. Das ist vermutlich ein viel zu hoch gestecktes Ziel, aber dass der Autohersteller aus Shenzhen mittlerweile eine eigene Flotte zum Personenwagen-Transport nach Bremerhaven aufbaut, zeigt einen ganz neuen Biss im Exportgeschäft der Chinesen.

In der Debatte darf man auch nicht vergessen: Drei von vier Autos, die in Deutschland gefertigt werden, sind für den Export bestimmt. Eine Kauf- oder Abwrackprämie würde zwar die Inlandsnachfrage für einen begrenzten Zeitraum wieder ankurbeln, ändert aber nichts an der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt, die das Kernproblem darstellt. Volkswagen, BMW und Mercedes werden weiterhin die Fixkosten an deutschen Standorten senken müssen – daran führt auch bei einer staatlichen Förderung kein Weg vorbei. Selbst wenn sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und seine Mitstreiter mit der Idee durchsetzen sollten, dass jeder Wechsel von einem Verbrenner auf ein E-Auto mit 6000 Euro bezuschusst wird, ändert das nichts daran, dass die Herstellung eines Volkswagens in Deutschland zu wenig Gewinn abwirft und aus unternehmerischer Sicht kaum rentabel ist. Zumindest Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat nach dem von ihm einberufenen Auto-Krisengipfel verstanden, was die Industrie braucht: „Planbarkeit ist das Wichtigste, und zwar langfristige Planbarkeit – keine Strohfeuer.“ Das gilt im Übrigen auch für die Autofahrer. Wer Menschen von der Elektromobilität überzeugen will, schafft das nicht mit einer Einmalprämie, sondern nur durch ein schlüssiges Gesamtkonzept.