Was wäre die SPD bereit, der FDP in einer Ampel-Regierung zu geben?
Am Tag danach herrscht bei den Sozialdemokraten in Hannover wirklich gute Stimmung. Die Partei liegt vorn, in manchen Gegenden sogar so stark, wie man es seit Jahrzehnten nicht gewohnt ist. So verleiht das Wahlergebnis Stärke und Selbstbewusstsein. Generalsekretär Detlef Tanke, der auf absehbare Zeit seinen Job abgeben dürfte, schwärmt am Tag danach vom tollen Wahlkampf, von der geschlossenen Partei und vom großartigen Ministerpräsidenten. Da klingt bei ihm fast schon Unverständnis durch, dass die FDP sich gegenüber Versuchen, eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen zu bilden, verschließen will. „Wir sollten doch mal die Inhalte prüfen, etwa in der Bildungspolitik. Erst dann kann man sehen, ob das passt oder nicht“, sagt Tanke.
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In der SPD ist die FDP als dritter Partner eines Ampel-Bündnisses ganz klar der Favorit im Vergleich zur zweiten Möglichkeit, der Großen Koalition. Zu der Frage, warum FDP-Landeschef Stefan Birkner und FDP-Landesgeneralsekretär Gero Hocker diese Variante so vehement ausschließen, kursieren im Landtag drei Versionen. Die eine besagt, dass FDP-Chef Christian Lindner die Jamaika-Gespräche in Berlin nicht stören will, ihm sei die Kooperation mit der SPD in Niedersachsen deshalb in den kommenden zwei Monaten unwillkommen – und die Landes-FDP halte sich daran. Dies wäre aber nur ein kurzfristiges Argument. Die zweite Erklärung lautet, die FDP wolle nicht wortbrüchig werden und ziehe die Opposition einer Unterstützung von Rot-Grün in der Landesregierung vor. Es gibt noch eine dritte Variante, die man sich in der SPD erzählt. Die Freien Demokraten wollten nur die Preise hochtreiben, um bei Verhandlungen über eine Ampel-Koalition möglichst gute Ergebnisse erzielen zu können. So wird Tanke in der Pressekonferenz am Montagmorgen gefragt, ob denn die SPD der FDP den Posten des Kultusministers anbieten wolle. Tanke zögert kunstvoll einen Moment lang, um dann zu meinen, für derlei Überlegungen sei es „viel zu früh“.
Tatsächlich wäre das Angebot des Kultusministeriums an die FDP für die SPD nicht ohne Charme. Dies böte den Sozialdemokraten eine willkommene Gelegenheit, die auch in eigenen Reihen umstrittene Kultusministerin Frauke Heiligenstadt aufs politische Altenteil zu schicken. Heiligenstadts politisches Geschick wird von vielen Sozialdemokraten sehr kritisch bewertet, doch die Politikerin gilt trotz alledem als fleißig und engagiert. Manche in der SPD sagen, ihr Auftreten werde sich verbessern, denn ein neuer Kultus-Staatssekretär müsse kommen, Amtsinhaberin Erika Huxhold geht in den Ruhestand. Sie verweisen auch darauf, dass der Unterrichtsausfall schon in einem Jahr spürbar abnehmen werde, da sich die Personalsituation bei den Lehrern entspannt. Damit sehe Heiligenstadt automatisch besseren Zeiten entgegen. Andere erwidern, die Ministerin sei „verbrannt“, es sei Zeit für einen personellen Neuanfang. Aber mit wem? In der SPD-Landtagsfraktion drängt sich kein anderer Name auf, und die Fraktion zu übergehen, in der doch gerade alle 55 Abgeordneten ihren Wahlkreis erobert haben, könnte rasch böses Blut schaffen.
SPD-Fraktion braucht neuen Parlamentarischen Geschäftsführer
Immerhin zeichnet sich in der SPD schon einige Bewegung in den Personalplanungen ab. Johanne Modder will Fraktionschefin bleiben, sie braucht aber einen neuen Parlamentarischen Geschäftsführer, im Gespräch dafür ist Christos Pantazis aus Braunschweig. Amtsinhaber Grant Hendrik Tonne hat den Wiedereinzug in den Landtag verpasst, ebenso wie Fraktionsvize Petra Tiemann aus Stade und der Wirtschaftsexperte Gerd Will aus Nordhorn. Es verdichten sich Hinweise, dass Finanzminister Peter-Jürgen Schneider, der jüngst seinen 70. Geburtstag feierte, aus der aktiven Politik ausscheiden will, ebenso wie Sozialministerin Cornelia Rundt. Für das Finanzministerium kämen der derzeitige Staatssekretär Frank Doods oder der bisherige Innenminister Boris Pistorius in Betracht. Die SPD, heißt es, lege auf das Finanz- und das Sozialministerium besonderen Wert, größeren noch als auf das Innenministerium. Eine Favoritin für das Amt der Landtagspräsidentin gibt es auch, es ist die Wissenschaftspolitikerin Gabriele Andretta aus Göttingen.
Was geschieht nun, wenn es tatsächlich zu den gewünschten Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP käme? Die Grünen, die 2013 großzügig von der SPD vier Ressorts erhalten hatten, könnten nun – wird in der SPD erzählt – vielleicht von der SPD nur noch zwei zugestanden bekommen, in Rede stehen Landwirtschaft und Umwelt. Wenn am Ende dann drei Ministerien für die Grünen herausspringen würden, müsste die FDP, die etwas schwächer ist als die Grünen, wenigstens zwei Ressorts erhalten. Darunter könnte ein „starkes“ Ministerium wie Inneres sein, womöglich gepaart mit Justiz oder Wissenschaft. Oder Kultus und Finanzen. Vermutlich schielen einige Freie Demokraten auch auf das Wirtschaftsministerium, aber in diesem Fall hätte das ein Problem zur Folge – Amtsinhaber Olaf Lies, der zu den stärksten Sozialdemokraten, aber nicht zu den innigsten Freunden des Ministerpräsidenten zählt, würde dann leer ausgehen, und für ihn würde sich keine alternative Verwendung aufdrängen. (kw)