Vorgezogene Bundestagswahl bringt die Parteien in Niedersachsen in Zeitnot
Die CDU war, wie sich jetzt zeigt, schon ein bisschen besser aufgestellt als die anderen. Denn die niedersächsischen Christdemokraten wollen ihre Landesliste für die Bundestagswahl am 23. November 2024 aufstellen – also schon in wenigen Wochen. Als der Termin festgelegt wurde, ging man wohl noch von einem regulären Ablauf aus. Der hätte bedeutet, dass erst am 28. September 2025 die Bundestagswahl stattfindet. Das wären dann zehn Monate nach der Aufstellung der Landesliste, eine verdammt lange Zeit. Aus heutiger Sicht betrachtet war die CDU Niedersachsen weitblickend, denn sie braucht nun ihre Terminplanung nicht umzuwerfen.
Anders ist es bei den anderen. Die SPD wollte nach den bisherigen Plänen erst am 24. Mai 2025 die Landesliste für den Bundestag aufstellen. Das ist nun nicht haltbar, die Genossen müssen einen neuen Termin finden. Einige Aufstellungen in den Wahlkreisen, so etwa in der Region Hannover, waren auch erst für Ende März 2025 geplant. Solche Pläne sind nun plötzlich Makulatur, alles muss viel schneller gehen. Die Grünen hatten vor, die eigene Landesliste für die Bundestagswahl im Februar 2025 festzulegen. Auch das ist nicht mehr haltbar, auch hier wird vorgezogen werden müssen. Für AfD und FDP gilt das ebenfalls.
Viel spannender als die Terminierung ist eine andere Frage: Mit welchem Spitzenpersonal werden die niedersächsischen Parteien zur Bundestagswahl antreten? Da gibt es tatsächlich an einigen Stellen Konfliktpotenzial. Hier ein Überblick:
- SPD: Bei den Sozialdemokraten ballt sich die männliche Prominenz. Alle herausragenden Figuren auf die ersten fünf Plätze zu setzen (die dann auf den Stimmzetteln bei den Zweitstimmen namentlich genannt werden) verbietet sich aber. Denn bei der SPD gilt, wie bei den Grünen, das Reißverschluss-Prinzip: Nur jeder zweite Listenplatz darf an einen Mann gehen. Also wird ganz oben für alle Männer nicht genügend Platz sein. Diese Männer sind Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der in Hannover antritt, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der wieder in Peine antritt und 2021 noch der Niedersachsen-Spitzenkandidat war, SPD-Parteichef Lars Klingbeil aus Walsrode und SPD-Generalsekretär Matthias Miersch aus Laatzen in der Region Hannover. Prominente Frauen hingegen sind vermutlich auf der SPD-Landesliste rar, die bekannteste ist noch Siemtje Möller aus dem Wahlkreis Friesland, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium.
- CDU: Vor der Landtagswahl 2022 hatte die Niedersachsen-CDU eine Neuerung – erstmals war auch bei ihr nur jeder zweite Platz mit einem Mann besetzt. Der damalige Parteichef Bernd Althusmann hatte die Frauen-Quote damit erstmals durchgesetzt, auch gegen Widerstände. Nun ist fraglich, ob CDU-Chef Sebastian Lechner das Prinzip bei der Bundestags-Landesliste wiederholt. Denkbar wäre auch eine Ausweich-Regel, etwa die, dass unter den ersten zehn Plätzen fünf Frauen sein sollen. Als Spitzenkandidaten kämen in Betracht Hendrik Hoppenstedt aus Burgwedel, der auch 2021 auf Position eins stand, oder auch Mathias Middelberg aus Osnabrück, der sich in der Bundestagsfraktion als Haushaltsexperte einen Namen gemacht hat. Vordere Plätze könnten gehen an Carsten Müller aus Braunschweig, Fritz Güntzler aus Göttingen und Mareike Wulf aus Hameln. Auch Tilman Kuban, der frühere JU-Bundesvorsitzende, hofft auf einen guten Platz. Mehrere Frauen treten in den Wahlkreisen ebenfalls an, die bekannteste von ihnen ist Gitta Connemann aus Leer, die Bundesvorsitzende der Mittelstandsvereinigung.
- Grüne: Wegen der nicht berauschenden aktuellen Umfrageergebnisse der Grünen ist der Kampf um die vorderen zehn Listenplätze vermutlich sehr hart. Wer kommt dafür in Betracht? Filiz Polat aus Osnabrück könnte vorn stehen wollen, ebenso Julia Verlinden aus Lüneburg. Die Realo-Frau Viola von Cramon aus Göttingen dürfte um einen guten Platz kämpfen, ebenso die Juristin Lena Gumnior aus Verden und Karoline Otte aus Göttingen-Land. Timon Dzienus vom linken Flügel wird sich Hoffnungen machen – bei den Männern aber vor allem auch die bisherigen Abgeordneten Helge Limburg (Holzminden) und Julian Pahlke aus dem Wahlkreis Emsland. Der Grünen-Landesvorsitzende Alaa Alhamwi aus Oldenburg strebt ebenfalls in den Bundestag.
- AfD: Bei der AfD ist die Situation deshalb etwas entspannter, weil die Partei bisher mit einem guten Ergebnis und mit reichlich Mandaten rechnet. MdB Jörn König aus Hannover gilt als ein Schwergewicht, könnte vorn auf der Liste stehen. Die bisherigen Landtagsabgeordneten Stefan Marzischewski (Peine) und Marcel Queckemeyer (Osnabrück) treten für den Bundestag an. Vermutlich wird auch der frühere Landesvorsitzende Frank Rinck (Braunschweig) mit von der Partie sein.
- FDP: Die Niedersachsen-FDP hat zwei Spitzenfiguren, die im Bundestag wirken – und die vorn auf der Liste stehen dürften. Das ist Bundestags-Fraktionschef Christian Dürr aus Ganderkesee und der Landesvorsitzende Konstantin Kuhle aus Göttingen. Vordere Plätze könnten auch an Gero Hocker (Verden) gehen, bisher Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, und an Anja Schulz aus Celle, die Vize-Landesvorsitzende.
- BSW: Die Bundesvorsitzende Amira Mohamed Ali wird niedersächsische Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl werden.
Dieser Artikel erschien am 07.11.2024 in der Ausgabe #196.
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