12. Nov. 2021 · 
Landwirtschaft

Vorbild Niederlande? Der Landtag streitet über eine Ausstiegsprämie für Schweinehalter

In der Landtagsdebatte am Donnerstag zur Schweinekrise fand die Opposition harte Worte, um ihre Kritik an der Politik der Landesregierung auszudrücken. Miriam Staudte (Grüne) sprach von einer „gescheiterten CDU-Agrarpolitik“, die „kurzsichtig“ und „nicht vorausschauend“ sei. Hermann Grupe (FDP) attestierte eine „vollkommene Perspektivlosigkeit der niedersächsischen Agrarpolitik“.

Foto: Lilifox
Foto: Lilifox

Grund für diese harschen Worte war die Lage der niedersächsischen Schweine-Wirtschaft: Die Folgen der Corona-Pandemie in Kombination mit Handelsbeschränkungen aufgrund von Ausbrüchen der „afrikanischen Schweinepest“ zuerst in Brandenburg und dann in Sachsen machen den schweinehaltenden Betrieben seit bald anderthalb Jahren schwer zu schaffen. Die Grünen-Agrarpolitikerin Staudte skizzierte die „katastrophale Lage“ anhand von durchaus reißerischen Zeitungsüberschriften, die beispielweise titelten, es brenne lichterloh in der Schweinefleisch-Industrie. Sie vermisse allerdings Überschriften, die etwas darüber aussagen, wie die Regierung darauf zu reagieren gedenkt. „Es wird nur immer wieder auf den Bund verwiesen, das ist aber völlig unzulänglich“, erklärte Staudte im Plenum des niedersächsischen Landtags.

Grüne, Landvolk und ISN fordern Umstrukturierungsprämie für Schweinehalter

Eingebettet war die Kritik der Opposition in eine Fragestunde der Grünen-Fraktion. Staudte wollte von Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) unter anderem wissen, warum sich die Landesregierung noch immer gegen eine „Umstrukturierungsprämie“ nach niederländischem Vorbild ausspricht. Die Grünen hatten ein solches Modell, das etwas despektierlich auch schon als „Abwrackprämie für Schweineställe“ bezeichnet wurde, schon vor mindestens einem Jahr gefordert. Inzwischen sind nun auch das niedersächsische Landvolk und die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) auf diesen Kurs eingelenkt – auch wenn sie sich zuvor lange dagegengestemmt hatten. Agrarministerin Otte-Kinast bemühte sich in ihrer Antwort zunächst richtigzustellen, dass aus ihrer Sicht die ISN nicht ausdrücklich eine Ausstiegsprämie gefordert habe, weil diese „lediglich zu einer Verlagerung der Erzeugung ins Ausland führen“ würde. „Und das kann keiner von uns wollen“, erklärte Otte-Kinast. Anschließend führte die Ministerin aus, welche Gründe ihrer Meinung nach gegen eine solche Umstrukturierungs- oder Ausstiegsprämie sprechen würden. Zunächst merkte die Ministerin an, dass nach einer ersten Prüfung eine solche Prämie „beihilferechtlich nicht machbar“ sei. Zudem würden Mitnahmeeffekte begünstigt.

„Was in den Niederlanden funktionieren mag, funktioniert nicht in Niedersachsen.“

Barbara Otte-Kinast

Ein wesentlicher Baustein ihrer Argumentation war allerdings jener: Eine solche Prämie würde sich nicht marktstabilisierend auswirken, weil ein Betrieb, der aussteigt, andernorts einfach nur zu einem Aufstocken der Tierzahlen führen könnte. Man könne den niedersächsischen oder den deutschen Markt nicht isoliert betrachten. Bei den niederländischen Nachbarn funktioniere das etwas anders: Dort sei eine Stickstoffquote für viehhaltungsintensive Regionen ausgegeben worden. Diese verhindere, dass ein Nachbarbetrieb aufstockt, wenn ein anderer Betrieb aussteigt. „Eine solche Quote gibt es in Deutschland nicht und wird es auch nicht geben“, sagte Otte-Kinast. „Was in den Niederlanden funktionieren mag, funktioniert nicht in Niedersachsen.“ In der anschließenden Aussprache fragte die Grünen-Politikerin Staudte daraufhin schlicht: „Warum führen wir das hier nicht ein?“ – was vonseiten der CDU-Fraktion lediglich mit erregtem Hohn kommentiert wurde. Der FDP-Abgeordnete Grupe drehte die Aussage der Ministerin schlicht um: „Was in den Niederlanden möglich ist, ist natürlich auch in Niedersachsen möglich.“ Er meinte, die Landwirte sagten inzwischen schlicht, wenn sie von der Politik zur Aufgabe des Betriebs gezwungen werden, sollen sie dafür wenigstens entschädigt werden.

In den Regierungsfraktionen sieht man derweil nun die neue Bundesregierung am Zug. „Die mangelnde Planungssicherheit ist ein großes Problem“, sagte CDU-Agrarpolitiker Helmut Dammann-Tamke. „Aber die können wir in Niedersachsen nicht sicherstellen, dafür brauchen wir den Bund.“ Karin Logemann (SPD) erklärte, dass eine Prämie aus ihrer Sicht nur eine Übergangslösung sein könne. Die Erzeuger seien das schwächste Glied in der Produktionskette und müssten deshalb gestärkt werden – etwa durch eine verlässliche Herkunftskennzeichnung oder Unterstützung beim Umbau. Hierfür sehen schließlich alle Fraktionen die Ergebnisse der sogenannten Borchert-Kommission als solides Fundament an. Otte-Kinast führte in der Debatte noch aus, dass sie sich für die Finanzierung des Umbaus der Nutztierhaltung in Deutschland auch eine Art „Sonderrahmenplan“ vorstellen könnte. Doch auch dieser muss in Berlin aufgelegt werden.

Barbara Otte-Kinast ist Gast im Rundblick-Podcast "Politiknerds" mit Niklas Kleinwächter. | Foto: cwl

Podcast "Politiknerds" mit Barbara Otte-Kinast

Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter hatte Agrarministerin Barbara Otte-Kinast zu Gast in seinem Podcast "Politiknerds". Gemeinsam reden sie unter anderem über die "Ausstiegsprämie" für Schweinehalter und eine Strategie für mehr Tierwohl in der Landwirtschaft. Hier kann man sich die Folge anhören.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #204.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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