Vor dem Parteitag: In der FDP rumort es hinter den Kulissen
„Mache das Unmögliche möglich, das Mögliche einfach und das Einfache elegant.“ So steht es auf der Internetseite des „Peppermint-Pavillons“ in Hannover, wo sich am 14. April die Delegierten des FDP-Landesparteitags treffen werden. Vor 18 Jahren war das Gebäude der belgische Pavillon der Expo 2000, inzwischen gehört es dem hannoverschen Musikproduzenten Mousse T. und ist Sitz einer Plattenfirma, eines Tonstudios und dient darüber hinaus als cooler Ort für Events aller Art – jetzt sogar für diesen Parteitag. Das Aufbruchsignal soll klar sein: Schluss mit den gedämpften Teppichen mit 90er-Jahre-Muster in piefigen Hotel-Parteitagssälen. Die Partei will jetzt so cool sein wie Mousse T., der es unter anderem mit seinen Hits „Horny“ und „Sex Bomb“ in die Charts schaffte – das ist allerdings auch schon wieder zwanzig Jahre her. Manchmal war cool auch gestern.
Für den FDP-Landesvorsitzenden Stefan Birkner dürfte es allerdings schwer werden, dass Unmögliche möglich zu machen. Und auch ob sein Auftritt und seine Wiederwahl elegant sein werden, bleibt abzuwarten. In mehreren Bezirksverbänden gibt es immer noch die Nachwirkungen einer Unruhe, die sich zum ersten Mal beim kleinen Parteitag im Dezember ihren Weg nach außen bahnte. Schwaches Wahlergebnis, weniger Abgeordnete, nur zweitgrößte Oppositionsfraktion und Birkners kategorisches Nein zur Ampel, das diese Konstellation dann verhinderte: bei zahlreichen Delegierten sorgte das für Unmut, den sie im Dezember auch deutlich äußerten. Birkner stand dabei allein auf weiter Flur, aus dem Landesvorstand stellte sich allein Petra Enß klar und deutlich hinter ihn. Ausgerechnet sie wird beim kommenden Parteitag nicht mehr für einen Vorstandsposten kandidieren.
Viele rechnen mit Dämpfer bei den Vorstandswahlen
Nun kann ein reinigendes Gewitter für die weitere Zusammenarbeit hilfreich sein, aber nach wie vor steht Birkner mitsamt seiner Landtagsfraktion bei vielen Mitgliedern in der Kritik. Noch immer nehmen ihm nicht wenige seine Verweigerung gegenüber einer Koalition mit SPD und Grünen übel. Nach vier Jahren in der Opposition hätten viele Mitglieder die FDP wieder gerne in der Regierung gesehen. Denn das unterscheidet das FDP- vom AfD-Mitglied: Der Liberale regiert auch gerne und hat kein Interesse an einer einbetonierten Oppositionsrolle. Hinzu kommt derzeit eine Kritik, mit der die kleine Landtagsfraktion – berechtigt oder unberechtigt – schon häufig zu kämpfen hatte: sie sei zu unsichtbar. Neben einer überdimensionalen Großen Koalition und frecheren Grünen sei Birkner in Niedersachsen kaum wahrnehmbar. Die Kritiker befürchten, die FDP könnte in der landespolitischen Bedeutungslosigkeit versinken.
Die Unzufriedenheit reicht in der niedersächsischen FDP, wo scharfe Töne eher selten sind, bisher nicht für eine offene Revolte. Aber das Unmögliche, nämlich wie bei der letzten Wahl erneut 95 Prozent der Stimmen zu erhalten, wird Birkner auf dem kommenden Parteitag nur schwer möglich machen können – selbst im Peppermint-Pavillon. „Wenn es schlecht läuft 70, wenn es gut läuft etwas mehr als 80 Prozent“, das sind die aktuellen Ergebnis-Prognosen für den Landesvorsitzenden, die in den Bezirken zu hören sind. Mitglieder, die es mit Birkner gut meinen, trauen ihm auf jeden Fall mehr als 80 Prozent zu, nur ganz wenige glauben an ein „90 Prozent plus x“-Ergebnis. Nicht nur Birkner könnte ein schwächeres Ergebnis auf dem Parteitag einfahren.
Auch der übrige Landesvorstand, der beim kleinen Parteitag mit dem kleinen Aufstand keine gute Figur machte, könnte eine Quittung von den Delegierten erhalten. Zwei Ausnahmen dürfte es allerdings geben: Schatzmeister Christian Grascha aus Einbeck ist in der Partei geschätzt, und er hat mit der Position des Kassenwarts auch ein Abonnement auf gute Wahlergebnisse auf Parteitagen. Die zweite Ausnahme könnte der Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle aus dem Wahlkreis Göttingen sein, den Birkner für den Posten des Generalsekretärs vorgeschlagen hat. Der 29 Jahre alte Kuhle, seit 2014 Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, Sprecher der Jungen Gruppe der FDP-Bundestagsfraktion, gilt als großes Talent in der FDP – nicht nur in Niedersachsen. Es wäre überraschend, wenn die Delegierten aufgrund der aktuellen Stimmungslage ausgerechnet Kuhle mit einem schwächeren Ergebnis in die neue Rolle starten lassen würden.
Birkner geht in die Offensive
Für Birkner, der vom Ablauf des kleinen Parteitags schockiert gewesen sein soll, war die Nominierung von Kuhle ein wichtiger Befreiungsschlag. Wirkte der Landesvorsitzende inmitten und nach der Ampeldiskussion auffällig angefasst, so hat er in den vergangenen Wochen seine Ruhe wiedergefunden. Das könnte auch daran liegen, dass er etwas entscheidend anders macht als der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann. Dieser hatte nach der Wahl umgehend Fehler eingeräumt und Konsequenzen in Aussicht gestellt. Genau das hatte Birkner nicht getan, das schwache Ergebnis sogar noch schöngeredet und war deshalb in die Kritik geraten.
Während aber bei der CDU inzwischen anscheinend wieder weitgehend „business as usual“ vorherrscht, geht Birkner in die Offensive. Sein Ampel-Fehler soll ihm nicht noch einmal passieren, deshalb will er den Landesvorstand stärker beteiligen und damit automatisch stärker in die Pflicht nehmen. Auch Probleme in der Landesgeschäftsstelle will Birkner anpacken. Derzeit ist die Stelle des Landesgeschäftsführers ausgeschrieben. In der Stellenanzeige heißt es: „Sie erwartet ein FDP-Landesverband, der sich in einem umfassenden Strategieprozess neu aufstellen und professionalisieren möchte.“ Vielleicht macht Birkner ja doch noch das Unmögliche möglich. (kw/MB.)