12. Juni 2019 · 
P und P

Von wegen Abschottung: Die Bundeswehr zieht für ihren Stabwechsel vor Hannovers Rathaus

Das Musikstück war durchaus bewusst ausgewählt worden. Als das Heeresmusikkorps der Bundeswehr beginnt, von Georg Friedrich Händel die „Wassermusik“ zu spielen, sollte das eine Hommage an die Stadt Hannover sein. Immerhin hatte Händel hier lange gewirkt. Doch auf der Terrasse hinter dem Neuen Rathaus in der Landeshauptstadt, einer malerischen Kulisse, wird der Titel von den meisten Anwesenden gerade anders interpretiert. Denn die rund 300 Besucher, die sich am gestrigen Mittwoch hier eingefunden hatten, mussten mit Wasser von oben kämpfen: Kaum beginnt die feierliche Veranstaltung, wird der Nieselregen kräftiger, der Wind pfeift. Und es trübt sich immer mehr ein. [caption id="attachment_41286" align="alignnone" width="780"] Stabwechsel im Nieselregen vor dem Rathaus von Hannover - Foto: kw[/caption] So spielt denn das Wetter nicht mit bei dieser Zeremonie, die für die Landeshauptstadt und für das Land Niedersachsen insgesamt als wichtig angesehen werden kann. Nach sechs Jahren verlässt Brigadegeneral Udo Schnittker, der oberste Kommandeur der rund 2000 Feldjäger in Deutschland, seinen Posten. Er steigt auf zum deutschen Repräsentanten beim Nato-Hauptquartier SHAPE im belgischen Mons. Neuer Kommandeur wird Oberst Ulf Häussler, bisher Büroleiter von Verteidigungsstaatssekretär Gerd Hoofe in Berlin, des engsten Mitarbeiters von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Für die Bundeswehr ist es mittlerweile eine gute Tradition, dass solche Amtsübergaben nicht abgeschottet in den Kasernen stattfinden, sondern in der Öffentlichkeit – unter ganz bewusster Beteiligung von Vertretern der Politik, der Wirtschaft und Gesellschaft. Und der gute Kontakt zwischen Schnittker und dem langjährigen hannoverschen Oberbürgermeister Stefan Schostok brachte es mit sich, dass Schostok ihm den Platz hinter dem Gartensaal des Rathauses für diese Gelegenheit angeboten hatte – kein Ort, der jedermann zur Verfügung gestellt wird.

In kleinen Schritten zur Modernisierung der Bundeswehr

Die Umstände waren dann aber doch etwas anders als geplant. Zum einen ist Schostok nicht mehr im Amt, also auch bei der Veranstaltung abwesend, und da seine ehrenamtlichen Stellvertreter Thomas Hermann (SPD) und Klaus-Dieter Scholz erkrankt sind, muss Vize-Bürgermeisterin Regine Kramarek (Grüne) das Wort ergreifen. Sie tut es außerordentlich geschickt, lobt Schnittkers Bemühungen für die Integration der Bundeswehr in die Stadtgesellschaft und erinnert an Zeiten, in denen das Verhältnis zwischen den Soldaten und ihrem Umfeld weniger entspannt war. Früher, als in Hannover noch die erste Panzerdivision ansässig war, waren Veranstaltungen der Bundeswehr, etwa feierliche Gelöbnisse, nicht selten von Protesten radikaler Gruppen begleitet. Manchmal hatte man bei den Soldaten damals eine Tendenz bemerkt, sich zurückzuziehen und die öffentliche Präsentation zu meiden. Und heute? „Es ist kein Zufall“, sagt Kramarek, dass ausgerechnet in Hannover der neue Traditionserlass der Bundeswehr unterzeichnet wurde, ein Schriftstück, das ein klares Bekenntnis zur demokratischen Prägung der Armee enthält. „Und es ist auch kein Zufall“, fährt die Bürgermeisterin fort, dass die hannoversche Kaserne umbenannt wurde nach einem Hauptfeldwebel, der in Afghanistan gefallen war. Kein Zufall, weil Schnittker in kleinen Schritten die Reform der Bundeswehr gefördert hat? Weil er ganz gezielt auf das öffentliche Agieren seiner Truppe setzt? Wohl auch. Daneben aber kann auch der Bundesverteidigungsministerin ein Anteil zugeschrieben werden, ihr Wahlkreis ist Hannover, ihr Anliegen ist immer die Modernisierung der Bundeswehr gewesen – allen aktuellen Widrigkeiten ihrer Amtsführung zum Trotz.

Schnittker: Bundeswehr nicht kaputtsparen

Zum Festakt nach Hannover sind zahlreiche Bundestags- und Landtagsabgeordnete gekommen, an der protokollarischen Spitze steht Landtagsvizepräsident Frank Oesterhelweg. Vertreter von Verbänden, Parteien und Organisationen sind erschienen, sehr viele Soldaten – der ranghöchste ist Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis. Der „Marsch der Feldjäger“ wird gespielt, dann der „Marsch der Streitkräftebasis“, und als der bisherige Kommandeur und der Inspekteur die Ehrenformation abschreiten, erklingt der „Preußische Präsentiermarsch“. Das sind sehr viele Formalitäten und sehr viel traditionelle Schritte, und eigentlich verbietet es sich für alle Redner bei dieser Gelegenheit, auf kritische Punkte hinzuweisen. An einer Stelle tut es Schnittker dann doch, als er nämlich mit einer kleinen Randbemerkung auf die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr zu sprechen kommt. Die Feldjäger müssten ihre Arbeit, die einer Polizeitätigkeit etwa auf Auslandseinsätzen gleicht, professionell und kompetent erledigen können. „Dazu müssen wir sie bestens ausbilden und ausstatten“, ruft Schnittker – und bemerkt, dass niemand die Bundeswehr „kaputtsparen“ dürfe. Es ist aber noch viel mehr an staatlicher Unterstützung für die Soldaten möglich, wie Inspekteur Schelleis mit Verweis auf die bereits mit den Ländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern abgeschlossenen Vereinbarungen erläuterte: Dort könnten Feldjäger nach Beendigung ihrer Bundeswehrzeit mit einer verkürzten Überleitung in den Polizeidienst wechseln. „Auch ein Verdienst von Schnittker“, betont Schelleis. Speziell von Niedersachsen ist hier jedoch dann nicht die Rede, offenbar sind die Kontakte zwischen Landesregierung und Bundeswehr nicht die allerengsten. Als der Inspekteur vorträgt, wird der Regen noch etwas kräftiger. Viele der Besucher tragen eine Plastik-Schutzkleidung, um sich wenigstens grob gegen die Nässe zu schützen. Die Soldaten hingegen haben nur ihr Barett – und sie müssen das Wetter tapfer aushalten. Das geht bis auf die Haut. (kw)
Lesen Sie auch: Schnittker: „Die Beschaffung dauert lange, oft sehr lange“
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #109.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
"Halten Sie die AfD für eine normale demokratische Partei?", wurden die Niedersachsen in der aktuellen Allensbach-Umfrage gefragt. Die Antwort fiel relativ eindeutig aus. | Foto: Link
Verfassung ändern, um vor AfD zu schützen? Rot-Grün und CDU wagen sich weit vor
8. Mai 2025 · Klaus Wallbaum4min
"Die Kommunen müssen in der Verantwortung bleiben", fordert die BDB-Landesvorsitzende Susanne Witt. | Foto: Link
Umbauen bleibt schwierig: Architekten sehen bei der NBauO weiter Verbesserungsbedarf
7. Mai 2025 · Christian Wilhelm Link4min
Foto: Wallbaum
Landeskabinett macht den Weg frei für den Klima-Bürgerrat und legt Sektorziele fest
6. Mai 2025 · Niklas Kleinwächter4min