Niedersachsen will Gründerland werden. Doch zwischen ambitionierten Konzepten, kleinteiliger Förderpraxis und zähen Verfahren bleibt die Start-up-Szene auf halber Strecke stecken. Beim zweiten landesweiten Gipfeltreffen der Gründungsförderung – dem "Niedersächsischen Innovationsdialog" – trafen in Hannover Investoren, Gründer, Politiker und Hochschulvertreter aufeinander, um über die Zukunft von Deeptech, Biotech und universitären Ausgründungen zu diskutieren. Der Tenor: Der Wille ist da, der Wandel lässt aber noch auf sich warten. Geldmangel ist ein großes Problem, aber auch die Strukturen müssen sich ändern.

Wirtschaftsminister Olaf Lies stellte klar: „Anders als in anderen Ländern setzen wir sehr stark auf öffentliche Mittel.“ In der frühen Gründerphase komme man mit diesem Ansatz auch prima über die Runden, sobald es aber um Risikokapital geht, fehlen "Business Angels" und finanzkräftige Geldgeber. „Wenn man ein Start-up im Bereich Biotech ist, dann braucht man schon ein paar Millionen“, bestätigte Gründerin Laila Al-Halabi-Frenzel vom Diagnostik-Start-up Abcalis aus Braunschweig. Die Corona-Zeit sei eine Sonderphase gewesen, in der Geldflüsse erleichtert wurden. „Wir sind relativ schnell ins Business gekommen – danach sind wir auf dem Boden der Tatsachen gelandet.“ Zwar profitiert ihr Unternehmen von EU-Förderung, doch an große Geldsummen zu kommen, bleibt schwierig. „Bei denen, die das in Deutschland finanzieren können, stehen auch die Konzernstrukturen im Weg“, sagt Al-Halabi-Frenzel. Ihre Hoffnung auf Investitionen in die Start-up-Branche ruht da schon eher auf den deutschen ‚Einhörnern‘ – also Start-up-Unternehmen im Wert von über einer Milliarde Euro, aus denen bereits viele weitere erfolgreiche Firmen hervorgegangen sind.
Ein weiteres strukturelles Problem der Gründerszene: Die bestehende Förderlandschaft ist zu stark auf Einzelbetriebe ausgerichtet, bemängelt Lies. „Wir müssen viel mehr über Strukturen fördern. Wenn wir immer nur auf Einzelanträge setzen, erreichen wir nicht die Breite.“ Im ländlichen Raum könne man mit dem Mittelstand viel bewegen – aber dafür brauche es flexible und skalierbare Formate. Eine bessere Auslastung der bereits bestehenden Forschungsinfrastruktur könne einen „Gamechanger“ darstellen. „Wir haben für jede Anwendung eine ganz bestimmte Infrastruktur. Die Hälfte der Zeit wird sie genutzt, die andere bleibt sie leer“, beklagt der Wirtschaftsminister. Seine Vision: Rechenzentren, Labore und Hochschuleinrichtungen verstärkt für Start-ups nutzbar machen, sodass diese nicht für viel Geld eigene Strukturen aufbauen müssen. „Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Dass eine öffentlich geförderte Einrichtung oder ein Gerät für etwas genutzt wird – und es kommt nichts dabei heraus“, sagte Lies. „Mir gefällt der Gedanke einer flexiblen Infrastruktur sehr gut. Dann habe ich als Gründer bei einem Failing einfach nicht so viel zu verlieren“, bestätigte Al-Halabi-Frenzel.
Auch die Hochschulen müssten beweglicher werden. Elisabeth Zeisberg von der Universitätsmedizin Göttingen gründete 2023 ein Start-up zur Entwicklung antiviraler Medikamente. „Das war schon etwas Besonderes, denn dadurch hat der Dekan auf mehrere Millionen Euro Drittmittel verzichtet.“ Sie war die erste Professorin in Niedersachsen, die zugleich CEO wurde. Der nötige Kulturwandel beginne oft mit Einzelentscheidungen: „Wir haben einfach mal gemacht – und dann haben die anderen gesagt: Geht doch.“ Zeisberg fordert nun, diesen Spielraum zu verstetigen und mehr Experten in der Start-up-Förderung einzusetzen. „Wir brauchen wirklich Leute, die Ahnung haben, was sie tun – und die gibt es nicht für E13 und auch nicht für E15.“ Fachkräfte mit Erfahrung seien nicht zum Tarif zu bekommen – das müsse endlich offen ausgesprochen werden, findet auch Alexander Skubowius vom Netzwerk der Wirtschaftsförderungseinrichtungen (Newin). „Wir müssen die Leute, die im Start-up-Förderbereich arbeiten, auch gut bezahlen. Da müssen wir auch über GmbH-Lösungen nachdenken“, sagte Skubowius – und erhielt Szenenapplaus aus dem Publikum.
Wissenschaftsminister Falko Mohrs forderte vor allem eines: mehr Tempo. „Wenn wir in den Verfahren weiterhin so langsam bleiben, wird das schöne Geld nirgendwo ankommen.“ Vieles werde ausgebremst durch Verwaltungslogik, nicht aus fachlichen Gründen. Statt immer neuer Projekte brauche es stringente Strukturen, schnellere Abläufe und eine neue Haltung: „Muss das sein, kann das weg?“ Mohrs zog zum Schluss ein deutliches Fazit: „Wenn wir den Schuss jetzt nicht gehört haben, ist uns am Ende auch nicht mehr zu helfen. Wir müssen endlich die Sorgen und Bedenken weglassen, die uns immer wieder auf halber Strecke überkommen.“