3. März 2024 · P und P

Vize-Niedersächsin des Jahres Carina Hermann im Interview: "Etwas Pathos schadet nicht"

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion, Carina Hermann, ist bei der Wahl zum „Niedersachsen des Jahres“ auf Platz zwei gelandet. Sie und der Gewinner der Abstimmung, der Deutschland-Chef der Firma Tennet, Tim Meyerjürgens, lagen mit weitem Abstand vorn. Beide sind mit einer Krone ausgezeichnet worden. Im Interview mit dem Politikjournal Rundblick äußert sich Carina Hermann über ihre Arbeit im Landtag.

Carina Hermann hat bei der Wahl zum "Niedersachsen des Jahres 2023" den zweiten Platz belegt. | Foto: Link

Rundblick: Frau Hermann, seit einem guten Jahr sind Sie Landtagsabgeordnete. Gibt es Momente, an die Sie gern zurückdenken?

Hermann: Es gab eine Feierstunde zum Geburtstag des Staates Israel – und die fand kurze Zeit nach dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel statt. Bei dieser Veranstaltung haben jüdische Organisationen auch gesungen, und das war eine sehr gefühlvolle, sehr bewegende Feier. Bei diesem Festakt habe ich in ganz besonderer Weise Demut empfunden und es war ein Moment, der mich auch stolz gemacht hat. Da wurde mir nochmals besonders bewusst, dass es richtig war, das Richteramt aufzugeben und ein Mandat im Landtag anzunehmen.

Rundblick: Bei diesem Festakt war viel Pathos zu spüren. Fehlt Pathos manchmal in der parlamentarischen Wirklichkeit?

Hermann: Die Hauptaufgabe des Parlamentes ist es ja, um den richtigen Weg zu ringen, zu streiten und Argumente auszutauschen. Da hat dann Pathos wenig zu suchen. Aber es ist schon wichtig, sich ab und an auf den Wert der Demokratie, auf unsere Grundsätze und Grundwerte zu besinnen. Das darf dann auch feierlich und würdevoll geschehen. So ein Anlass ist beispielsweise der 75. Geburtstag des Grundgesetzes, der im Mai ansteht. Es kann der Demokratie nicht schaden, wenn sie die Besonderheit der Rechtsordnung auch mit besonderen Formen feiert. Das Gemeinsame tritt dann in den Vordergrund, der oftmals kleinteilige Streit verliert an Bedeutung. Aber wie gesagt: Manchmal ist das sinnvoll, immer aber nicht.

Carina Hermann berichtet im Gespräch mit Klaus Wallbaum (links) und Niklas Kleinwächter von ihren bisherigen Erfahrungen als Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion. | Foto: Link

Rundblick: Wird der Streit als wichtiger Bestandteil der Meinungsbildung nicht mehr geschätzt? Steht man sich manchmal zu unversöhnlich gegenüber – anstatt auf die Argumente des anderen einzugehen?

Hermann: Das ist sicher oft der Fall. Aber im Landtag sollten sich alle die Mühe geben, eine gute Streitkultur zu entwickeln. Da kann es helfen, sich auf die eigenen Aufgaben zu besinnen. Die Opposition im Landtag hat drei Aufgaben: Sie muss die Regierung kritisieren, sie muss ihre Arbeit kontrollieren und überprüfen – und sie muss eigene Ideen, Alternativen und neue Vorschläge dagegensetzen. Hin und wieder kann es sein, dass die Regierung dann die guten Vorschläge der Opposition später abkupfert, aber das ist nun mal so. Zu diesem Ringen von Mehrheit und Minderheit im Landtag ist auch Streit nötig. Wie man richtig debattiert und auf den politischen Gegner eingeht, sollte sehr früh vermittelt werden, am besten in der Schule. In Göttingen habe ich wiederholt solche Projekte erlebt, und ich finde das immer wieder schön, wenn junge Leute ans Debattieren herangeführt werden. Das sollten wir künftig noch verstärken.

Carina Hermann wünscht sich im Landtag kontroverse Debatten sowie einen respektvollen Umgang unter Parlamentariern. | Foto: Link

Rundblick: „Sternstunden“ werden meistens aber doch jene Debatten genannt, in denen es wenig Streit gibt. Ist das ein Problem?

Hermann: Nein, das bringen die Umstände mit sich. Im Übrigen kann es ja beides geben. Neulich haben wir im Landtag eine Regierungserklärung zum Krisenmanagement in der Hochwasserkrise gehört, und in weiten Teilen waren sich die Redner parteiübergreifend einig – etwa im Lob für die „Blaulicht-Familie“. Das war gut und richtig so. Gleichzeitig hat unser Fraktionschef Sebastian Lechner grundsätzliche Kritik an der Hochwasser-Vorsorge der rot-grünen Landesregierung geübt, und er hat dies auch mit Zahlen und Fakten unterlegt. Das Beispiel zeigt: Man kann auch kritische Debatten über Themen führen, in denen sich die Lager in der grundsätzlichen Bewertung einig sind – das Detail macht dann den Unterschied. Dieses Hochwasser-Thema hat für mich übrigens noch eine andere Erkenntnis gebracht.

Rundblick: Welche denn?

Hermann: In der Gesellschaft funktioniert vieles besser, als es in Teilen verbreitet wird. Als das Hochwasser kam, haben alle angepackt – die Feuerwehr, die Dorfvereine, die Landwirte und die Ordnungskräfte. Es gab viele Hilfsangebote und viel Verständnis. Wenn man nun von den verschiedenen Protesten hört, etwa denen der Bauern, wird in der Öffentlichkeit oft der Eindruck großer Uneinigkeit und mangelnder Solidarität vermittelt. Dabei ist es in Wirklichkeit gar nicht so. Gerade die Landwirte waren doch in Zeiten des Hochwassers sehr solidarisch und hilfsbereit und gleichwohl gehen sie zu Recht für ihre Interessen auf die Straße.

Die Göttinger CDU-Stadtverbandschefin Carina Hermann wurde 2022 in den Landtag gewählt. Seitdem fungiert sie auch als Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion. | Foto: Link

Rundblick: Erleben Sie das auch im Landtag? Gibt es auch dort manchmal Situationen, in denen das vernünftige Maß der Dinge verloren geht?

Hermann: Ja, ich denke an zwei Situationen in den vergangenen Monaten, die mich sehr geärgert haben. Zum einen hat ein AfD-Abgeordneter beim Herausgehen aus dem Plenarsaal zwei Kolleginnen der Grünen übel beschimpft. Zwar hat er sich später entschuldigt, aber dass er seine abgrundtiefe Abneigung so zum Ausdruck gebracht hat, hat mich doch sehr empört. Das darf nicht der Stil des Umgangs sein, wir müssen immer auch eine gegenseitige Wertschätzung zeigen. Die andere Situation war im Mai vergangenen Jahres, als Aktivisten von Greenpeace auf das Dach des Landtags gestürmt waren und vor den Fenstern Transparente heruntergerollt haben. Das war ein Angriff auf den Landtag und auf die freien Beratungen im Landtag. Dass einige Kollegen aus anderen Fraktionen den Vorgang heruntergespielt haben und es Stunden dauerte, bis der Protest beendet wurde, hat mich damals sehr geärgert. Rot-Grün hat sich schwer getan, die nötigen Konsequenzen zu ziehen.

Rundblick: Würden Sie sagen, dass einige Regeln und Abläufe im Landtag verändert werden sollten, damit die Arbeit dort fruchtbarer wird?

Hermann: Ich denke schon. Das beginnt etwa mit der Befragung des Ministerpräsidenten, die zweimal im Jahr eingeplant wird. Der Regierungschef kann dann zu allen landespolitischen Themen befragt werden – ohne vorherige Ankündigung der Inhalte. Jede Fraktion hat aber nur vier Fragen frei. Das ist viel zu wenig, um wirklich in die Tiefe eines Themas vorzudringen. Wir hatten eine Ausweitung vorgeschlagen. Ähnlich ist es bei den „Dringlichen Anfragen“. Jede Fraktion darf eine zu jeder Plenarwoche einreichen, und es sind dazu dann spontan in der Sitzung fünf Nachfragen je Fraktion zulässig. Auch die Anzahl der Nachfragen erscheint mir zu gering, deshalb könnte man die Zahl auf zwei Fragen je Abgeordneten ausweiten, was dann wesentlich mehr wären. Diese Vorschläge hat die CDU den Fraktionen von SPD und Grünen übermittelt, bisher aber gibt es von dort keine Reaktion.

Rundblick-CvD Niklas Kleinwächter überreicht Carina Hermann die „Niedersächsin des Jahres“-Krone. | Foto: Link

Rundblick: Welches Kontrollinstrument der Opposition im Landtag ist Ihnen eigentlich am liebsten?

Hermann: Da gibt es viele Mittel, und es gilt jedes Mal abzuwägen, welches jetzt wohl angemessen ist. Ich bin ein Freund der Unterrichtungen. Die Opposition kann also von einem Ministerium verlangen, über bestimmte Themen einen Sachstandsbericht vorzutragen, entweder im Plenum direkt durch die Mitglieder der Landesregierung oder in den Ausschüssen. Das gibt dann Gelegenheit, an der Sache zu diskutieren und hierzu gezielt nachzufragen.

Rundblick: Die Cannabis-Freigabe ist ein Thema, das Sie sehr bewegt. Warum?

Hermann: Wir müssen eine gesunde Entwicklung der Kinder und Jugendlichen fördern. Das wird aber nicht mit der Freigabe von Drogen gelingen. Wir werden im Landtag eine Entschließung einbringen, mit der die Landesregierung aufgefordert wird, diesen unnötigen und schädlichen Gesetzentwurf der Ampel-Regierung im Bundesrat abzulehnen. Ministerpräsident Stephan Weil muss sich hier gegenüber seinem Koalitionspartner, den Grünen, durchsetzen.

Dieser Artikel erschien am 4.3.2024 in Ausgabe #041.

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