16. Feb. 2023 · 
Bildung

Viele Stunden fallen an Berufsschulen aus, aber die Lage wird Zug um Zug besser

Spätestens seitdem Niedersachsens Kultusministerin Julia Hamburg (Grüne) vor knapp zwei Wochen die Zahlen zur Unterrichtsversorgung an den allgemeinbildenden Schulen vorgestellt hat, rangiert das Problem des Lehrermangels auf der landespolitischen Agenda ganz weit oben. Mit einer rechnerischen Quote von 96,3 Prozent ist die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen im vergangenen Jahr auf ein Allzeit-Tief gesunken. Doch die Situation an den berufsbildenden Schulen sieht nicht viel besser aus. Hier weist die Statistik regelmäßig einen Wert von nur rund 90 Prozent aus.

Allerdings sei angemerkt, dass die Zahlen zwischen den Schulformen der allgemeinbildenden Schulen ebenfalls schwanken – zum Vergleich: An den Grundschulen lag die Versorgungsquote 2022 bei 98,8 Prozent, an den Förderschulen nur bei 91,2 Prozent. Auf Nachfrage des Politikjournals Rundblick erklärte das niedersächsische Kultusministerium, dass die Unterrichtsversorgung an den 130 Berufsschulen zuletzt bei durchschnittlich 92,8 Prozent gelegen habe – der beste Wert seit dem Schuljahr 2011/2012.

Quelle: Kultusministerium

„Zuletzt“ meint in diesem Fall allerdings den Stichtag 15. November 2021. Die Zahlen des vergangenen Jahres liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgewertet vor. Im November 2021 arbeiteten an den Berufsschulen im Land demnach etwas weniger als 12.300 Lehrkräfte. Das Kultusministerium erklärte, dass diese Größenordnung auch im laufenden Schuljahr angenommen werden könne. Eine Unterversorgung könne man vor allem in den Fächern Metalltechnik, Elektrotechnik, Fahrzeugtechnik, Agrarwirtschaft, Sozialpädagogik und Pflegewissenschaften erkennen. Diese Phänomene seien aber abhängig von der wirtschaftlichen Lage und kein rein niedersächsisches Phänomen, heißt es seitens des Kultusministeriums.

Anders als an den allgemeinbildenden Schulen können die Schulleitungen der Berufsschulen jederzeit eigenverantwortlich Lehrkräfte einstellen. Im Haushaltsjahr 2022 wurden den öffentlichen berufsbildenden Schulen vom Land 712 sogenannte Einstellungsermächtigungen zugewiesen, wovon nach Angaben des Kultusministeriums 576 Vollzeit-Stellen rechnerisch besetzt werden konnten. Das entspricht einer Quote von etwa 81 Prozent. Wie viele Stellen den Berufsschulen im laufenden Haushaltsjahr 2023 bereitgestellt werden, kann das Kultusministerium derweil noch nicht genau beantworten. Insgesamt sei die Vergleichbarkeit der Zahlen zwischen berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulen schwierig, erklärte ein Sprecher des Kultusministeriums. „Die sogenannte Unterrichtsversorgung an berufsbildenden Schulen folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als an allgemeinbildenden Schulen“, heißt es in der schriftlichen Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des Politikjournals Rundblick.

Während an allgemeinbildenden Schulen die Schulformen klar getrennt und die Klassengrößen eindeutig geregelt sind und deshalb in ein Verhältnis zu den Lehrerstunden gesetzt werden können, sei dies an den Berufsschulen nicht so einfach möglich. „Angesichts von bis zu sieben an einer berufsbildenden Schule geführten Schulformen und der in diesen Schulformen befindlichen Vielzahl unterschiedlicher Bildungsgänge sowie der unterschiedlichen Größe der Klassen und Gruppen in einer Schule“ sei die Zuordnung nicht möglich. An den Berufsschulen gehe man vielmehr von einem „Budgetierungsgedanken“ aus. Das soll heißen: Die Zuweisung der Lehrerstunden geschieht auf Grundlage der Stundentafel und einer angenommenen Klassenstärke, die aber von der tatsächlichen Verteilung abweichen kann. Den Schulen wird dann jeweils offen gelassen, wie sie die vorhandenen Lehrerstunden auf die Klassen und Gruppen verteilen.

Lehrerverband: Kultusminister haben Problem verschlafen

Sven Höflich, der stellvertretende Landesvorsitzende des niedersächsischen Berufsschullehrerverbands (BLVN), kritisiert jedoch, dass Niedersachsens Kultusminister über zehn Jahre das Problem des Lehrermangels verschlafen oder mit Verweis auf die Haushaltslage aufgeschoben hätten. Die von der ständigen wissenschaftlichen Kommission (SWK) kürzlich eingebrachten Vorschläge zur Minderung des Lehrermangels bezeichnet er als „Schlag ins Gesicht“ der Berufsbildner. Man könne Lehrkräfte, die schon seit Jahren am Limit arbeiten, nicht sagen, dass sie die nächsten 20 Jahre noch mehr leisten müssten.

Für den BLVN fordert Höflich daher die zügige Einrichtung von multiprofessionellen Teams an den Berufsschulen. Schulsozialarbeiter, pädagogische Mitarbeiter und Schulassistenten für Digitalisierung sowie Verwaltungskräfte sollten die Lehrer entlasten. Zudem fordert Höflich eine Bildungsinitiative „wie Ende der 60er-Jahre“. Das Kultusministerium verweist derweil auf erste Erfolge ihrer Bemühungen, mehr Berufsschullehrer zu finden: „Die Anzahl der angehenden Lehrkräfte an den Studienseminaren für das Lehramt an berufsbildenden Schulen ist angestiegen“, erklärte ein Ministeriumssprecher.

Dieser Artikel erschien am 17.2.2023 in Ausgabe #030.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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