Während der Online-Handel wächst, kämpfen Einzelhändler in Innenstädten immer stärker um ihren Umsatz. Besonders Fachgeschäfte verlieren fortlaufend das Wettrennen mit der Konkurrenz um die Kunden und müssen schließen. Das Landesamt für Statistik hat das Sterben der Fachgeschäfte jetzt an einem konkreten Beispiel verdeutlicht: dem Porzellanhandel in Niedersachsen. Denn die Zahl der Porzellan-Fachgeschäfte hat sich in den vergangenen 16 Jahren mehr als halbiert. Auch wenn die statistischen Daten sich nur um den Handel mit Keramik- und Glaswaren drehen, so bilden sie einen Trend ab, der nahezu den ganzen Fachhandel durchzieht. Gleichzeitig sind sie Zeichen für einen Wandel in der Konsumkultur.

Bis vor wenigen Jahrzehnten gehörte es für jede Familie zum guten Ton, mindestens ein Geschirr zu haben, das an Festtagen auf den Tisch kommt. Ein hochwertiges Porzellan mit passendem Besteck und Gläsern. Es musste mindestens für die Bewirtung von sechs Personen reichen, besser noch für zwölf. Denn der Kaffee nach der Taufe oder der Leichenschmaus nach der Beerdigung wurde zu Hause ausgerichtet, ins Restaurant lud nur ein, wer es sich leisten wollte. Das hat sich gewandelt. Heute gehen die meisten Deutschen pragmatisch an Feierlichkeiten heran, es gilt die Devise: Je weniger Aufwand, desto besser. Das Restaurant geht vor dem heimischen Esszimmer. Das Geschirr muss vielmehr praktisch, sprich: spülmaschinenfest und preisgünstig sein. Hochwertiges Porzellan, bei dem gleich ein kleines Vermögen dahin ist, wenn ein Teller zu Boden fällt, findet in den Schränken keinen Platz und in den Köpfen vieler Konsumenten keine Hochachtung mehr. Ob man nun von einem Porzellanteller für 30 Euro oder einem Porzellanteller aus chinesischer Produktion für 3 Euro isst, beeinflusst schließlich nicht den Geschmack des Essens.


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All das spiegelt sich in den Zahlen des Landesamts für Statistik wieder. Noch 2002 konnten die Kunden in 316 Fachgeschäften in Niedersachsen Keramik und Glas kaufen. 14 Jahre später allerdings hat sich die Zahl um mehr als die Hälfte halbiert, 2016 gab es nur noch 134 Porzellanfachgeschäfte, in denen 315 festangestellte Mitarbeiter beschäftigt waren, und die insgesamt rund 49,9 Millionen Euro erwirtschafteten. Noch im Vorjahr hatte es acht Unternehmen mehr gegeben, der Umsatz war um 1,5 Prozent größer gewesen. „Der kontinuierliche Schwund liegt unter anderem daran, dass Porzellangeschäfte unter Druck von mehreren Seiten stehen. Da ist einerseits der wachsende Onlinehandel, andererseits verkaufen auch Großhändler wie Kaufhof und Karstadt, Discounter und Möbelhausketten Geschirr“, sagt Stefan Noort, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Hannover. Diese Konkurrenzsituation erlebten viele Einzelhändler von Konsumgütern, vom Textilgeschäft über den Elektronikfachhändler bis zum Schuhverkauf. Eine immer stärkere Rolle spielt für diese Händler daher die Wahl des Standorts. „Der Fachhandel in kleinen und mittleren Stadtzentren ohne größeren Kundeneinzugsbereich spürt den Umbruch deutlich stärker als eine Top-Lage in der Innenstadt Hannovers“, sagt Noort.

Der Wandel zeigt sich allerdings nicht nur am Einkaufsverhalten der Kunden, sondern auch am Wert der Waren. Porzellan wird auch in Niedersachsen hergestellt, die bekanntesten Manufakturen etwa sind die Friesland-Porzellanfabrik und Schloss Fürstenberg. Das meiste Küchen- und Haushaltsporzellan aber, das hierzulande verkauft wird, stammt aus dem Ausland. Im vergangenen Jahr wurden rund 63.412 Dezitonnen Porzellan im Wert von rund 14,8 Millionen Euro nach Niedersachsen importiert. Der Großteil davon stammt aus der Türkei, dicht dahinter liegt China. Dem gegenüber standen rund 2000 Dezitonnen Exportporzellan im Wert von knapp 3,4 Millionen Euro, das meiste davon wurde nach Österreich und in den Irak verkauft. Wie viel Geld die Niedersachsen für Geschirr und Glas ausgeben, lässt sich nur schwer ermitteln. Allerdings zeigt die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2013, dass jeder Haushalt pro Monat etwa 27 Euro für Gebrauchsgüter für die Haushaltsführung ausgibt. Darin sind aber auch Werkzeuge und Besteck enthalten. Seit 2003 leicht gestiegen sind jedoch die Ausgaben für das Essen außer Haus. Gaben die Niedersachsen 2003 im Schnitt noch 73 Euro im Monat für Gastronomieleistungen aus, so hatten sich die Ausgaben zehn Jahre später auf durchschnittlich 91 Euro erhöht.