
Es ist ein weitgehendes Reformvorhaben, das die Große Koalition mit dem „Krankenhausgesetz“ auf den Weg bringen will. Das geschieht nun kurz vor Toresschluss, wenige Monate vor der Landtagswahl. Womöglich handelt es sich um das ehrgeizigste Projekt der fünfjährigen Regierungszeit von SPD und CDU in Niedersachsen. Jetzt aber spitzt sich der Streit noch einmal zu – die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) sieht einige Vorgaben, die Klinik-Schließungen erleichtern sollen, betont kritisch. Das stößt bei der Großen Koalition auf Unverständnis, wie jetzt im Sozialausschuss des Landtags deutlich wurde.
Die Klinikreform kann als das Vorhaben gelten, das die längste Vorbereitungszeit hinter sich hat. Begonnen wurde alles 2018 mit einer Enquetekommission zur Zukunft der medizinischen Versorgung, die dann während ihrer Beratungen von der Corona-Pandemie überrascht wurde. Für den Fortgang der Ereignisse hatte das durchaus einen belebenden Effekt, denn die Pandemie unterstrich die Bedeutung der medizinischen Versorgung in Niedersachsen. Die Krönung sollte der Beschluss über die Reform im Landtag sein, doch nun meldet sich mit skeptischen Hinweisen die NKG zu Wort, die alle Betreiber der 168 niedersächsischen Kliniken vertritt. Auslöser der Kritik ist der Paragraph 7 des Gesetzentwurfs. Dieser sieht vor, dass eine Klinik aus dem Krankenhausplan gestrichen wird, wenn sie die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt (etwa Mindestzahl von Ärzten), wenn sie länger als drei Monate nicht mehr betrieben wurde oder wenn der Träger wechselt.
Bisher war ein solcher Schritt nur bei einem Eigentümerwechsel möglich, und nur ein einziges Mal, in Clausthal-Zellerfeld, hat der aus Vertretern von Land, Kommunen und Kassen zusammengesetzte Krankenhausplanungsausschuss das verfügt. Das allerdings war ausgesprochen umständlich und an hohe Hürden geknüpft. Seit langem beklagen die Gesundheitspolitiker, wie schwer die Herausnahme eines Krankenhauses aus dem Plan nach den geltenden Vorschriften ist. Ist eine Klinik einmal dort registriert, so können die dort erbrachten medizinischen Leistungen über die Krankenkassen abgerechnet werden. Nun berichten Sozialpolitiker über kleine Kliniken, die kaum noch ausreichend Behandlungen haben und sich als Partner einen Konzern suchen, der es vor allem auf die Patientendaten abgesehen hat. Beide würden dann nach Mitteln und Wegen suchen, die Klinik irgendwie über Wasser zu halten – obwohl sie längst nicht mehr angemessen arbeitet. Der Eigentümer hat dann oft mit einem Betreiber einen Vertrag geschlossen, ist aber Eigentümer geblieben. Dann hatte das Land bislang keine Handhabe, dagegen einzuschreiten.
In solchen Fällen soll künftig das Land – über den Krankenhausplanungsausschuss – mehr Eingriffsrechte erhalten. Wenn Standards unterschritten werden, soll es sogar zwangsläufig zur Herausnahme der Klinik aus dem Plan kommen. Die NKG sieht das sehr skeptisch. So bestehe die Gefahr, dass bei nur vorübergehender Personalknappheit oder bei Baumaßnahmen die Mindestvoraussetzungen gerissen werden und die Klinik schließen muss. „Ein solcher Automatismus würde dazu führen, dass einzelne Krankenhäuser aus dem Plan gestrichen werden, obwohl sie weiterhin für die Versorgung der Bevölkerung notwendig sind“, schreibt die NKG in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf. Es handele sich „um extreme Eingriffe in Artikel 12 und 14 des Grundgesetzes“ – also in die Berufsfreiheit und das Eigentumsrecht. Dieser geplante Eingriff in diese Grundrechte des Krankenhausträgers sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Zudem bestehe die Sorge, dass ein Trägerwechsel der Klinik genutzt werden kann, um diese aus dem Plan zu tilgen – und die Versorgung zu schwächen. Dies sei „ein Einfallstor für die Korrektur des Krankenhausplans“.
Dass die NKG in einer Pressemitteilung kurz vor Start der abschließenden Parlamentsberatungen ihre Kritik andeutete, blieb in der Politik nicht ohne Widerhall. Der SPD-Sozialpolitiker Uwe Schwarz zeigte sich in der Ausschusssitzung über die NKG-Positionen „erstaunt“. Manche Vorhalten stimmten schlicht nicht, betonte der Sozialdemokrat. Die Forderung der Krankenhausgesellschaft, die jährlichen Investitionszuschüsse zu erhöhen, solle doch in Zukunft berücksichtigt werden – zumindest sehe das die „Mittelfristige Finanzplanung“ der Landesregierung vor. Statt bisher 150 Millionen Euro jährlich sollten dann bis zu 240 Millionen Euro vorgesehen werden. Dies besagt zumindest die Absichtserklärung der Großen Koalition in ihrem Haushaltskonzept – auch wenn im aktuellen Landeshaushalt davon noch nichts zu sehen ist. Volker Meyer (CDU) stimmte Schwarz zu.