4. Apr. 2023 · 
Gesundheit

Versorgungszentren statt Kliniken? In der Ärzteschaft regen sich jetzt Vorbehalte

Mit dem neuen Krankenhausgesetz zwingt der Landtag das Land und die Kommunen, bei den bisher noch landesweit 168 Krankenhäusern Farbe zu bekennen: Wenn eine kleine Klinik nicht mehr wirtschaftlich effektiv betrieben werden kann, soll sie in ein „Regionales Gesundheitszentrum“ (RGZ) umgewandelt werden. So wären dann auf dem Lande wenigstens noch einige Gesundheitsleistungen vorhanden, ebenso ein Anlaufpunkt für die Patienten. Nun hat Sozialminister Andreas Philippi (SPD) am Standort Ankum-Bersenbrück (Kreis Osnabrück) das ehemalige Marienhospital in ein solches RGZ umgewandelt, Anfang dieser Woche war die Eröffnung.

Das Marienhospital Ankum-Bersenbrück der Niels-Stensen-Kliniken ist Niedersachsens erstes Regionales Gesundheitszentrum. | Foto: MHA

„Hier werden ambulante ärztliche Angebote mit einer stationären Grundversorgung und einer Pflegeeinrichtung, die gerade für ältere Menschen eine verlässliche Anschlussversorgung gewährleistet, vereint“, lobte Philippi zu diesem Termin. Postwendend kam jedoch scharfe Kritik von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), die betonte: „Wir können die Euphorie des Sozialministers nicht nachvollziehen.“

Hintergrund der Meinungsverschiedenheit sind die komplizierten Regelkreise der Gesundheitsfinanzierung. Für die Krankenhäuser vereinbaren die jeweiligen Träger ihre Finanzierung mit den Krankenkassen, es gibt dazu bundesweite Vorschriften über die Fallpauschalen – gerade hat das Bundesgesundheitsministerium dazu neue Vorschläge auf den Tisch gelegt. Daneben sind die Länder für die Investitionen zuständig, die Kommunen in ihrem jeweiligen Gebiet ebenso. Sobald es um die ambulante Versorgung geht, also die Säule der niedergelassenen Ärzte, kommt die KVN ins Spiel. Sie hat den Sicherstellungsauftrag für die Ärzteversorgung und steht ihrerseits in ständigen Verhandlungen mit den Kassen über die Budgets. Jetzt treibt die KVN die Sorge um, die Landesregierung wolle bei der Schließung unwirtschaftlicher Kliniken die bisherigen Krankenhausärzte zu Belegärzten machen und die Angebote der RGZ über den Topf der ambulanten Versorgung abrechnen.

"Die Krankenkassen sparen Kosten im stationären Bereich wegen der Schließung des Krankenhauses, finanzieren aber nicht das ambulante Angebot des RGZ."

Thorsten Schmidt, Vize-Vorstandsvorsitzender der KVN

Die KVN sieht in diesem Vorgehen auch einen Eingriff in ihr Recht. „Die gesetzlich vorgegebene Bedarfsplanung wird durch sogenannte Belegarztstellen umgangen, obwohl es kein echtes Krankenhaus in Ankum-Bersenbrück mehr gibt. Die zukünftigen ambulanten Leistungen des RGZ sollen aus der begrenzten Gesamtvergütung der Vertragsärzte finanziert werden. Die Krankenkassen sparen Kosten im stationären Bereich wegen der Schließung des Krankenhauses, finanzieren aber nicht das ambulante Angebot des RGZ“, klagt der Vize-Vorstandsvorsitzende der KVN, Thorsten Schmidt. Er ist auch deshalb unzufrieden, weil die KVN von der Landesregierung bisher „nicht eingebunden“ worden sei. Eine bessere Verzahnung von ambulanten und stationären Leistungen sei sinnvoll, aber diese müsse „fair ausgestaltet werden und darf nicht zu Lasten der niedergelassenen Kassenärzte gehen“.



Im Sozialministerium heißt es, man könne die Kritik der KVN in Teilen nicht nachvollziehen. Zum einen gebe es ständig Gespräche zwischen dem Ministerium und der Vereinigung der Kassenärzte, zum anderen werde immer dann, wenn ein Patient im RGZ länger behandelt und für ein paar Tage untergebracht werden muss, natürlich der stationäre Bereich zur Finanzierung herangezogen. Von einer Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen könne also keine Rede sein. Außerdem würden die lediglich drei Belegärzte, die in Ankum-Bersenbrück hinzukommen, das System nicht aus den Angeln heben. Noch dazu seien diese Belegärzte zuvor auch in der Bedarfsplanung der KVN bewilligt worden.

In der KVN hingegen wird das Problem schon grundsätzlich gesehen. Immer dann, wenn im Gesundheitssystem Neuerungen eingeführt werden und Geld anders als bisher verteilt werden soll, muss einer von landesweit neun Zulassungsausschüssen darüber entscheiden. Dort wirken die KVN, die Kassen und ein unabhängiger Vorsitzender zusammen. Im Fall von Ankum-Bersenbrück sei die KVN überstimmt worden, heißt es. So wächst bei der Kassenärztlichen Vereinigung der Unmut, weil man sich vom Ministerium nicht ausreichend wahrgenommen und in die aktuellen Planungen einbezogen fühlt.

Dieser Artikel erschien am 5.4.2023 in Ausgabe #063.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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