3. Aug. 2017 · 
Bildung

Verschleierung im Unterricht? Künftig soll das Schulgesetz klare Grenzen ziehen

Die Schülerin in Belm (Kreis Osnabrück), die vollverschleiert den Unterricht besuchte und von der Schule geduldet wurde, hat der Landesregierung inzwischen einen großen Gefallen getan – nach ihrem Schulabschluss im Juli nimmt sie nun ein „freiwilliges soziales Jahr“ und bleibt vorerst der Berufsschule fern. Damit sind die Behörden im konkreten Fall vom Problem befreit, der jungen Frau notfalls einen Schulverweis zu erteilen. Im Allgemeinen jedoch bleibt es knifflig: Wie soll man vorgehen, wenn Schülerinnen Burka oder Nikab tragen und sich weigern, das zu unterlassen? Weil nach verschiedenen Gutachten und Hinweisen klar ist, dass die bisherigen Bestimmungen im Schulgesetz für mögliche Sanktionen nicht ausreichen, wollen alle vier Fraktionen des Landtags nun im Schnellverfahren die Vorschriften ändern. Gestern hat der Kultusausschuss einen Änderungsvorschlag für Paragraph 58 des Schulgesetzes beschlossen, in zwei Wochen soll der Landtag das Gesetz ändern, noch im August soll alles dann im Gesetzesblatt veröffentlicht sein und gültig werden. https://soundcloud.com/user-385595761/nikab-debatte-fdp-im-landtag-will-schulgesetz-andern Bisher hieß es im Paragraphen allgemein, Schüler seien zur regelmäßigen Teilnahme am Unterricht und an den Prüfungen verpflichtet. Künftig soll hinzugefügt werden, dass sie „durch ihr Verhalten und ihre Kleidung die Kommunikation nicht in besonderer Weise stören“ dürfen. Einen konkreten Hinweis auf Nikab oder Burka gibt es nicht, davor hatte auch der Gesetzgebungsdienst des Landtags gewarnt – man dürfe nicht in den Geruch kommen, das Gesetz richte sich besonders gegen religiöse Symbole oder Aktivitäten, denn diese sind durch die Religionsfreiheit im Grundgesetz gedeckt. Aber im Kultusausschuss herrscht Einigkeit, dass mit einer verschleierten Schülerin keine Kommunikation möglich ist, daher reiche diese Bestimmung, um bei Zuwiderhandlung Sanktionen, die maximal bis zum Schulverweis gehen, verhängen zu können.
In 20 oder 30 Jahren kommen wir vielleicht dazu, auch bei uns Schuluniformen einzuführen  -  Manfred Busch, VNL-Vorsitzender
Der Gutachter der Landesregierung, Prof. Hinnerk Wißmann, hatte noch im Mai eine andere Formulierung empfohlen: Schüler sollten ausdrücklich verpflichtet werden, „durch ihr Verhalten und ihre Kleidung den offenen Austausch zwischen allen Beteiligten des Schullebens zu ermöglichen“. Von diesem Vorschlag nehmen die Landtagsfraktionen Abstand, obwohl in der gestrigen Anhörung im Ausschuss zumindest der Verband niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) und der Philologenverband die Wißmann-Variante bevorzugt hatten – weil er positiver formuliert ist und die Pflichten der Schüler stärker betone. https://soundcloud.com/user-385595761/grunen-chefin-argert-sich-uber-debatte-uber-nikab-schulerin-in-belm Von Migrationskommission, Lehrerorganisationen, der Konföderation der evangelischen Kirchen, den Kommunen, von den türkischen Elternvereinen und von der Alevitischen Gemeinde kam in der Anhörung Lob zur geplanten Gesetzesverschärfung. Uneinheitlich äußerte sich der Landeselternrat, ablehnend der Landesschülerrat. Bei mehreren Stellungnahmen, vor allem von Lehrerseite, wurde aber noch der Wunsch nach einer „Konkretisierung“ vorgetragen. Karin Bertholdes-Sandrock (CDU) regte an, sich im Gesetzestext gegen „gesichtsverdeckende Verhüllung“ zu wenden. Nariman Reinke von der Kommission für Migration und Teilhabe befürwortete gar einen ausdrücklichen Tadel für Burka und Nikab im Gesetz, was aber wohl rechtlich problematisch wäre. https://twitter.com/williehamburg/status/893011545587949568 In der Ausschussdebatte ging es dann vor allem um die Frage, wie ein Erlass des Kultusministeriums formuliert sein sollte, falls das Gesetz Mitte August so wie vereinbart beschlossen wird. Als Michael Markmann vom Kultusministerium offen ließ, ob es eines solchen Erlasses überhaupt bedürfe, reagierte Kai Seefried (CDU) verärgert. Ausschussvorsitzender Heiner Scholing (Grüne) meinte, die Gesetzesänderung wirke doch schon unmittelbar, da sie Tür und Tor für die Anwendung von Sanktionen öffne. VNL und Philologenverband hatten jedoch den Wunsch nach „klaren Vorgaben“ geäußert und leise Zweifel angedeutet, ob die angepeilte Reform überhaupt ausreichend klar bestimme, gegen was man sich wende. VNL-Vorsitzender Manfred Busch meinte auch, man benötige eine Handhabe gegen alle möglichen Formen von Protest- und Abgrenzungsverhalten von Schülern, gerade mit Blick auf die Kleidung. Er wandte sich auch gegen „Hasskleidung“ und meinte: „In 20 oder 30 Jahren kommen wir vielleicht dazu, auch bei uns Schuluniformen einzuführen.“
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #131.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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