19. Mai 2019 · 
Wirtschaft

Verkehrsplanerin warnt davor, Infrastruktur verkommen zu lassen

Kann der Öffentliche Personennahverkehr durch ein 365 Euro-Ticket attraktiver gemacht werden? Elke van Zadel, Verkehrsplanerin der Region Hannover und Geschäftsführerin bei Regiobus, ist davon nicht überzeugt. „Das 365-Euro-Ticket ist keine Lösung. Es hilft keine Gießkanne, mit der wir Millionen ins System schütten“, sagte van Zadel auf einer Veranstaltung der hannoverschen CDU-Regionsfraktion. [caption id="attachment_40679" align="alignnone" width="780"] "Wir sind derzeit gar nicht in der Lage, die Daten so schnell zu verarbeiten, dass sie den Nutzern zeit- und fristgerecht zur Verfügung stehen", sagt Elke van Zadel - Foto: Ulrich Pucknat[/caption] Es gehe nicht darum, Geld an Gruppen zu verteilen, die bereits heute das System nutzten und gut darin unterwegs seien. Stattdessen müsse man bedarfsgerechte Angebote schaffen, um keine Gruppen zu verlieren. „Der öffentliche Personennahverkehr ist nicht zu teuer“, machte van Zadel deutlich. Sie appellierte an die Politik, bei der Planung von Infrastruktur auch die Zukunft im Blick zu behalten. Es gehe nicht allein darum, Infrastruktur herzustellen, sondern diese auch zu erhalten.  „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die kommende Generation die Infrastruktur auch nutzen kann und sie nicht, wie schon geschehen, durch teilweise fehlende Finanzierung verkommen lassen.“

Eine weitere Baustelle: Digitaler ÖPNV

Eine weitere Baustelle des öffentlichen Personennahverkehrs ist für van Zadel die Digitalisierung. Hier gebe es einen großen Nachholbedarf im Umgang mit der Masse an Daten. „Wir sind derzeit gar nicht in der Lage, die Daten so schnell zu verarbeiten, dass sie den Nutzern zeit- und fristgerecht zur Verfügung stehen. Wir wissen zwar, wann der Bus zu spät kommt. Bei Blitzeis erfährt man aber auf der Seite von lokalen Medien möglicherweise schneller als auf unserer Internetseite, ob der Bus fährt.“ Van Zadel sprach von einem immensen Rückstau bei der Datenverarbeitung. Man müsse in den kommenden Jahren sehr viel nachholen um das zu bieten, was die Nutzer erwarteten. [caption id="attachment_40680" align="alignnone" width="780"] Der öffentliche Personennahverkehr braucht eine größere Flexibilität, weil andere das inzwischen anbieten, sagt Eberhard Wicke (rechts im Bild) - Foto: Ulrich Pucknat[/caption] Neue Antriebe, Digitalisierung, Investitionen in Infrastruktur – und darüber hinaus haben Busse und Bahnen auch noch mit neuen Konkurrenten zu kämpfen. Als Beispiele wurden bei der Veranstaltung zur Zukunft der Mobilität Car-Sharing und der VW-Fahrdienst Moia genannt. „Der öffentliche Personennahverkehr braucht eine größere Flexibilität, weil andere das inzwischen anbieten. Die Konkurrenten werden Bus und Bahn diese Flexibilität aufzwingen“, stellte Eberhard Wicke, Verkehrspolitiker der CDU-Regionsfraktion, fest. Der ÖPNV müsse sich für Dinge öffnen, die andere besser könnten. Die größte Herausforderung sei dabei die letzte Meile, weil die Kunden bequem direkt nach Hause kommen wollten. Wenn die Verkehrsgesellschaften sich nicht weiterentwickelten, drohten sie im Bereich der Mobilität zur Billigvariante und zum Verlustbringer zu werden. Das könne man sich auf Dauer nicht leisten.

Einzelhandel: Die Innenstädte kämpfen ums Überleben

Martin Prenzler Geschäftsführer City-Gemeinschaft Hannover, beobachtet die Konfrontation zwischen Befürwortern neuer Mobilitätsvarianten und den klassischen Autofahrern mit Sorge. Er wies auf die seit zwei Jahren sinkenden Frequenzen in den Innenstädten hin. „Wir sind an dem Punkt, an dem es ums Überleben von Innenstädten geht. Vor wenigen Jahren hätte niemand gedacht, dass es an einem Standort wie der Innenstadt von Hannover eine Leerstandsproblematik geben könnte“, sagte Prenzler.
Lesen Sie auch unser Pro & Contra: Ein verpflichtendes Nahverkehrs-Ticket für jeden, der mit dem Auto in die Großstadt fahren will?
Damals habe es noch Wartelisten für Ladengeschäfte mit 20 bis 30 Bewerbern gegeben, die sich gegenseitig überboten. „Jetzt schließen inhabergeführte Geschäfte und finden keinen Nachfolger und keinen Nachmieter. Das fangen wir auch nicht mir Verwaltungsgebäuden und Gastronomie auf.“ Prenzler wies darauf hin, dass ein Drittel der Kunden mit dem Auto in die Innenstadt komme, vor allem aus der Region. Bei der Verkehrsplanung sei es wichtig, dass die Menschen die Möglichkeit hätten, in die City zu kommen, weil es genügend andere Angebote gebe. „Soltau, Hamburg, Bremen – andere Mütter haben auch schöne Töchter“, sagte Prenzler. „Das Auto ist weder die Lösung noch die Ursache aller Probleme“, sagte der CDU-Regionsfraktionsvorsitzende Bernward Schlossarek an die Adresse der Grünen. Das Auto habe jahrzehntelang im Mittelpunkt der Verkehrsplanung gestanden. „Das war damals modern, nachvollziehbar und richtig. Doch bei immer mehr Fahrzeugen auf unseren Straßen wird der Verkehr immer zähflüssiger und nerviger.“ Deshalb brauche es jetzt für künftige Mobilität vernünftige Lösungen und davon viele. „Es kann nicht nur eine Lösung geben“, zeigte sich Schlossarek überzeugt.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #093.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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