Verfassungsschutz: Salafismus weiterhin größte Bedrohung
Der Salafismus ist nach wie vor die radikale Bewegung, die den Sicherheitsbehörden in Niedersachsen die größte Sorge bereitet. Aktuell beobachtet der Verfassungsschutz eigenen Angaben zufolge 880 Personen, die dem sogenannten politischen Salafismus zugerechnet werden. Anfang des Jahres waren es noch 850 Anhänger gewesen. „Die salafistische Szene hat nach wie vor großen Zulauf“, sagte Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger gestern bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das vergangene Jahr. Die meisten von ihren sind älter als 26 Jahre und haben einen Migrationshintergrund, bei der Mehrzahl ist es ein türkischer. Die Hälfte der bekannten Salafisten besitzt zudem die deutsche Staatsbürgerschaft. In den Jahren seit 2014 habe sich ihre Zahl verdoppelt, seit 2011 mit damals 240 Anhängern sogar mehr als verdreifacht. „Der islamistische Extremismus stellt nach wie vor eine ernstzunehmende Bedrohung dar“, sagt Brandenburger, betont aber, dass Anhänger des politischen Salafismus nicht zwangsläufig auch gewaltbereite Dschihadisten sind. „In Teilen der Bewegung wird Gewalt auch abgelehnt.“
Das Verbot des Deutschsprachigen Islamkreises (DIK) in Hildesheim im März vergangenen Jahres markiert aus Sicht der Verfassungsschützer einen Wendepunkt in der Entwicklung. „Die Szene hat sich seither weiter in der Fläche ausgebreitet“, sagt Brandenburger. „Es gibt zwar noch Hotspots wie Hildesheim, Hannover oder Braunschweig, doch Treffen finden immer öfter auch an Orten statt, die uns bisher nicht als salafistische Versammlungsstätten bekannt waren.“ Das hänge auch damit zusammen, dass sich die Szene seit dem Verbot konspirativer verhalte. Die Gruppenmitglieder seien zwar auch in die Islamkreise in Hannover und Braunschweig ausgewichen, „doch man trifft sich mehr und mehr im Privaten. Neue Hotspots haben sich nicht gebildet“, sagt Brandenburger. Dafür habe die Szene ihre Propaganda noch stärker ins Internet verlegt, etwa durch die Youtube-Ansprachen des Braunschweiger Salafisten-Predigers Muhamed Ciftci alias Abu Anas.
Innenminister Boris Pistorius verteidigte gestern noch einmal den Entschluss, den DIK Hildesheim zu verbieten. „Wir haben mit so einer Entwicklung gerechnet, schließlich sind die Salafisten nicht weg, nur weil wir ihre Dachorganisation verbieten“, sagte Pistorius. Doch durch das Verbot, die damit einhergehende Beschlagnahmung des Vereinsvermögens und die Festnahme des Prediger Abu Walaa seien die Salafisten deutlich geschwächt worden. „Ich würde auch die anderen beiden Deutschsprachigen Islamvereine sofort verbieten, wenn uns genug gerichtsfestes Beweismaterial vorliegt“, sagte der Innenminister.
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Eine leichte Zunahme verzeichnet der Verfassungsschutz auch erstmals seit mehreren Jahren wieder auf der Seite des Linksextremismus. Hier habe sich die Zahl der Personen, die dem linksextremen oder autonomen Spektrum zugeordnet werden können, um 15 auf nunmehr 640 Menschen erhöht. Obwohl sich bei den Protesten zum G20-Gipfel gezeigt habe, dass die Szene zur raschen Mobilisierung und Zusammenarbeit fähig ist, sei sie aber nach wie vor ins sich gespalten. „Auf der einen Seite stehen sogenannte ,Postautonome Bündnisse‘, die zwar lose an den Theorien von Marx und Lenin orientiert sind, sich aber nicht auf eine Ideologie festlegen, um anschlussfähig an bürgerliche Protestformen zu bleiben“, sagt Brandenburger. Das wiederum führe immer wieder zu Konflikten mit den „klassischen“ Linksextremen, die Ideologie – vor allem zur Überwindung des demokratischen Staates – zum Kern ihrer Aktionen machten und dabei auch Gewalt als probates Mittel ansähen.
Auf der Seite des Rechtsextremismus hat sich dem Verfassungsschutzbericht dagegen personell wenig getan. Entgegen dem Bundestrend, der einen Anstieg verzeichnet, wurden in Niedersachsen auch in 2017 etwa 280 Personen der neonazistischen Szene zugerechnet, dem subkulturellen Rechtsextremismus etwa 600 Personen. Auch die Zahl derer, die sich mit der „Identitären Bewegung“ identifizieren, ist mit 50 Personen gleichgeblieben. „Allerdings muss man hier bedenken, dass die „Identitären“ im Internet und in sozialen Medien sehr präsent sind und sich ihr fremden- und islamfeindliches Weltbild dadurch viel weiter verbreitet als bei Aktionen auf der Straße“, sagt Brandenburger.